So., 23.03.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Krim: Die Russenmacher
Ihre schwarzen Strumpfmasken haben sie abgelegt. Junge Russen vor dem ehemals ukrainischen Militärstützpunkt Perewalnaye. Auf dem Feld bauen die Kameraden die Zelte ab, sie ziehen in die Kasernen ein. Die ukrainischen Panzer gehören jetzt Russland. Die meisten Ukrainer drehen den Journalisten den Rücken zu. Einer nicht. Maxim ist 20, aus Kiew, er war Berufssoldat beim Küstenschutz. "Werden Sie jetzt hier dienen?" Maxim: "Nein, wir werden unserem Mutterland, unserer Ukraine dienen." "Gab es denn Alternativen?" Maxim: "Ja, sie haben uns die russische Armee angeboten, aber ich will brauch das nicht, ich will kein Verräter sein, ich habe dem ukrainischen Volk geschworen."
Bei ihnen, bei den Gewinnern auf der Krim, wollen vor allem die bleiben, die hier Familie haben. "Na, ich hoffe, dass alles besser werden wird als unter der ukrainischen Regierung", meint ein russischer Soldat. "Warum?" "Weil sie in Russland klügere Führer haben", sagt seine Freundin "Und in der Ukraine?" "In der Ukraine haben sie Nazis." Die einen hoffen. Die anderen fühlen sich entehrt. "Unsere Kommandanten sagten: Gebt Eure Waffen ab. Für was standen wir denn hier die ganzen Tage?" fragt sich der ukrainische Soldat Roman. "Was war denn der Sinn, dass wir hier ausharrten? Einer von uns wurde getötet. Und wir mussten unsere Waffen abgeben. Ich hoffe sie ziehen uns alle zusammen hier raus. Dass wir in die Ukraine gebracht werden mit unseren ukrainischen Flaggen. Dass wir wenigstens das Gefühl haben dass wir hier nicht umsonst waren. Das ist ein Wahnsinns moralischer Druck auf uns."
Einen Tag später ist die Marinefliegerbasis Novofjodorovka erobert. Alexander Shablowski, einst Kapitän auf einem sowjetischen U-Boot, kann jetzt seinen Lebensabend auf der Krim verbringen. In seiner Zweitwohnung. Der Rentner aus Moskau ist Chef der pro-russischen Miliz hier. "Die Ukrainer da drin hatten sich verbarrikadiert. Mit Stühlen, Betten, Tischen und allem möglichem. Wir sagten ihnen: Jungs wir tun euch nichts. Wir waren so gekleidet, sehen sie, keine Waffen. Fünfhundert waren wir, auch Frauen waren dabei, und Ältere." Jahrelang hat Russland für viel Geld den Stützpunkt von der Ukraine ausgeliehen – für die Übungen ihrer Marineflieger. Jetzt gehört er ihnen. "Wir ließen die Ukrainer raus, ihre Köpfe waren gebeugt, es war eine totale Kapitulation, niemand tat ihnen was, nicht mal Beschimpfungen, aber keiner applaudierte ihnen. Ja und dann kamen die russischen Offiziere, und klatschten und sagten: Danke Russland!" Nur noch eine ukrainische Flagge wartet darauf, heruntergeholt zu werden. "Ja, ein Festtag heute" – meint der ukrainische Offizier. "Na wir sind froh dass die Russen gekommen sind. Und uns rausgeworfen haben."
Ob wir jetzt auch rausgeworfen werden? Irina Rustemova, Russin, lebt seit zwanzig Jahren auf der Krim. Ihr Ehemann leitet eine ukrainische Haushaltsfirma, die Tochter lernt ukrainisch auf der Schule. Jetzt malten sie sich sogar eine Zukunft als Flüchtling aus, sagt sie. "Ich habe Anlass, den Milizen nicht zu glauben, den Männern mit Waffen. Auch wenn die Situation um mich herum sehr glücklich aussieht und die Menschen jubeln. Wissen Sie, diese Stimmung kann in sehr kurzer Zeit kippen." Ich bin Russin, sagt Irina – aber ich habe mich nie als Russin identifiziert. Vor einer Zukunft in Russland hat sie Angst. Die Ereignisse haben die Familie überrollt. "Im Fernsehen zeigen sie, wie schnell Russland sich entwickelt, aber nach unserer Erfahrung zeigt das russische Fernsehen nur die schönsten Seiten Russlands."
Vor der Militärbasis Novofjodorovka warten die Offiziersfrauen auf ihre Männer. Die Einwohner im Viertel, und die Frauen sind sich plötzlich fremd geworden. Die Ukrainerinnen können nicht glauben, was sie heute erlebt haben. "Die Leute fingen an, die Türen in der Kaserne einzuschlagen, eine nach der anderen, und rumzubrüllen, berichtet Natasha, Ehefrau eines ukrainischen Offiziers. "Wo versteckt ihr Euch, haben sie gerufen, dann warfen sie Rauchbomben, und schlugen Fenster ein. Es war schon ein kleiner Krieg. Sie brüllten: raus hier, ihr seid auf russischem Land, ihr gehört hier nicht mehr hin." Ich fühle mich wie verloren, sagt Natasha. Verlassen wir die Krim? Oder gibt mein Mann die Armee auf? Viele Freunde hier habe sie nicht mehr. "Ich finde es so schade. Ich kenne, ich grüße diese Leute jeden Tag, und heute machen die sowas. Wie sollen wir uns morgen ins Gesicht schauen?" Die neuen Herren sind schnell eingezogen. WIR SPRECHEN RUSSISCH HIER ? NUR DANK DER RUSSEN, steht geschrieben.
Stand: 15.04.2014 10:43 Uhr
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