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Syrien: Putins Nervenkrieg

Explosionen von Raketen während eines Manövers
Explosionen von Raketen während eines Manövers | Bild: Bild: BR

Es ist wieder Krieg im russischen Staatsfernsehen. Eigentlich war schon die ganze Zeit Krieg. Überall lauern Gefahren für die Russen, für Russland: auf der Krim, in der Ostukraine oder in Syrien. Die Umfragewerte für den Kriegseinsatz steigen.

Krieg, Macht und Stärke

Maxim Trudolubov
Maxim Trudolubov | Bild: Bild: BR

Maxim Trudolubov von der Zeitung Wedomosti analysiert: "Die Menschen bekommen Geschmack daran. Die mögen es, im Fernsehen einen General zu sehen, der über Luftschläge berichtet. Das sieht sehr schön aus. Die Menschen mögen es, ihr Land stark zu sehen."

Andrej Kolesnikov
Andrej Kolesnikov | Bild: Bild: BR

Andrej Kolesnikov vom Carnegie-Forschungszentrum in Moskau sagt: "In den Augen der Bevölkerung ist dieser Krieg – genau wie in der Ostukraine – ein gerechter Krieg, der unsere Grenzen schützt."

Und er ist ein Nervenkrieg: Diese Langstreckenraketen aus dem Kaspischen Meer habe Russland ohne Vorwarnung abgefeuert, beschweren sich die USA. Über Syrien seien amerikanische Jets von russischen Jets abgedrängt worden. Russische Jets seien über die Türkei geflogen, beschwert sich Istanbul. Und die Russen hätten eine Konferenz mit den Amerikanern online gestellt, ohne sie vorher zu informieren.

Ein russisches Trauma?

Maxim Trudolubov von der Zeitung Wedomosti sieht ein tieferes Problem: "Die Politik des Kreml befindet jetzt in einer Phase, wo sie der Welt zeigen muss, dass Russland ein sehr starker Staat ist. Sie nehmen an, dass Russland betrogen wurde. Putin wiederholt das die ganze Zeit. Es ist eine revisionistische Sicht postsowjetischer Politik."

Russland – bedroht von den USA. Auf einer Sicherheitskonferenz vergangenes Jahr berichten Generäle und Minister von angeblichen Plänen der USA, Revolutionen zu schüren und Islamisten zu stärken. Die Orangene Revolution in der Ukraine – für sie eine US-Verschwörung. Ebenso die Revolution in Georgien. Daran reihe sich der sogenannte arabische Frühling, der den Nahen Osten in Chaos stürzte.

Maxim Trudolubov beschreibt das Denken Putins: "Laut Putin ist jede Revolution, überhaupt alles, was aus dem Volk kommt, von außen gesteuert. Für Putin kann nichts aus der Gesellschaft entstehen, weil alles nur von oben nach unten funktioniert."

Für Putin ist jede Regierung legitim

Wladimir Putin
Wladimir Putin | Bild: Bild: BR

Das Ende des libyschen Präsidenten Gaddafi – vielleicht ein Trauma für Vladimir Putin: "Wer erlaubte das? Gab es einen Prozess? Wer nahm sich das Recht, diesen Mann hinzurichten?"

Indem Putin Syriens Präsident Assad schützt, schützt er auch sich selbst, meint Andrej Kolesnikov vom Carnegie-Forschungszentrum in Moskau: "In Assad sieht Putin sich selbst. In der Revolte gegen Assad, die 2011 anfing, sieht er die Orangene Revolution der Ukraine, diese Revolution, die er in seinem Land vermeiden will. In Assad sieht Putin Gaddafi. Für Putin war es wichtig zu zeigen: Assad mag ein Diktator sein, aber er wurde legal gewählt, so wie Putin auch."

Maxim Trudalobov schlussfolgert: "Putin weigert sich anzuerkennen, dass eine legal gewählte Regierung illegitim werden kann, wenn sie ihre Bürger tötet."

Ein kleines Fernsehstudio in Moskau: Libyen, Syrien, Ukraine – in all diese Länder reiste dieser Mann bereits. Er stellt sich als russischer Journalist vor, der Putins Weltsicht verkörpert. Sein Nachrichtenportal ist besonders bei deutschen Verschwörungstheoretikern beliebt. Er ist eng mit den Separatisten in der Ostukraine verbunden – und mit Assads Armee in Syrien.

Speerspitze gegen den Terrorismus?

Maran Musin
Maran Musin | Bild: Bild: BR

Maran Musin vom Nachrichtenportal "Anna News" sagt: "Wir kämpfen nicht gegen die legale Macht dort, sondern gegen Terroristen, die ganze Länder erobern wollen."

Wer diese Nachrichten verfolgt, weiß: Am besten, Deutschland schlage sich auf die Seite Russlands. Die USA hingegen wollten Deutschland vernichten – mit Flüchtlingsströmen: "Die USA, Großbritannien und Australien sind daran interessiert, dass diese Seuche es nicht bis zu ihnen schafft. Diese Flüchtlinge sind ihr Projekt, sie können kontrolliert und manipuliert werden.", so Marat Musin vom Nachrichtenportal "Anna News".

Ansichten, die durchaus viele Russen vertreten. Der ständige Krieg lenkt ab von dem, was im eigenen Land passiert. Nur was, wenn auch dieser Krieg endet?

Autorin: Golineh Atai, ARD Moskau

Stand: 09.07.2019 14:18 Uhr

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