So., 21.01.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Thailand: Katerstimmung im Kiffer-Paradies
Während Deutschland noch mit einer Mischung aus Skepsis und Neugier der Freigabe von Cannabis entgegenfiebert, sammelt Thailand schon seit gut einem Jahr Erfahrungen. Als erstes Land in Asien hat Thailand Cannabis legalisiert. Der Stoff gilt jedenfalls nicht mehr als Betäubungsmittel. Davon erhoffte sich das Land vor allem ein wirtschaftliches High im Tourismus. Doch in der Praxis macht sich Ernüchterung breit. Die neue Regierung plant in den nächsten Monaten, die Regulierung des Marihuana-Konsums zu verschärfen. Denn gesetzlich geregelt ist die Freigabe nur schwammig, die Legalisierung steht auf ziemlich wackligen Beinen. Das ist vor allem in der thailändischen Hauptstadt Bangkok zu spüren. Die Metropole war schon immer schrill, laut und wuselig. Jetzt riecht sie an vielen Ecken auch nach Gras.
Cannabis zieht die Touristen an
Eine Cannabis Kneipe mitten in der legendären Kao-San-Road in Bangkok. Das Licht grasgrün gedimmt. Die Luft süßlich rauchgeschwängert. Der Barkeeper präsentiert uns sein Menü. "Wir haben hier die Indica und Sativa Sorten, mit unterschiedlichem THC-Gehalt, je nachdem wie stark die Wirkung sein soll. Einfach auswählen und genießen." Auch deutsche Gäste sind ganz angetan vom Sortiment. Auswahl und Beratung – viel besser als zuhause, wo man irgendeinen Stoff bei irgendeinem Dealer kauft. "Man weiß halt nie, was man bekommt, und ich geh ja auch nicht an die Bar und bestelle einmal Alkohol und bekomme dann irgendwas serviert, sondern, ich such mir genau das aus, was ich möchte."
Cannabis ist mittlerweile ein Touristenmagnet für Feierwütige aus der ganzen Welt. Viele sind auch wegen Weed hier. Kiffen kann man an jeder Ecke. Bei den Urlaubern kommt das ziemlich gut an. "Fantastisch. Ist bei uns in Kalifornien auch legal. Großartig, dass sie es hier auch machen." Ein anderer sagt: "Die Leute geben viel Geld aus für Cannabis. Zusammen mit dem Essen und der Musik, das passt doch super."
Drogenentzug bei den Mönchen im "Kotztempel"
Was viele hier in vollen Zügen genießen, ist nicht immer auch legal: Fertige Joints zum Beispiel dürfen Händler in Thailand eigentlich nicht verkaufen. Ebenso wenig Cannabis-Kuchen oder Haschkekse. Kiffen in der Öffentlichkeit: Eigentlich verboten. Getan wird all das trotzdem. Weil keiner kontrolliert. Sie regt sich darüber auf. Kitty Shopaka betreibt einen Shop im Szeneviertel Sukumvhit. Bei ihr gibt’s Cannabis und Zubehör. Sie legt Wert auf gute Beratung. Die Hanf-Aktivistin hat die letzte Regierung beraten bei der Legalisierung. Doch was dabei am Ende herausgekommen ist, damit ist sie unglücklich. "Es nervt einfach. Ich fände es besser, wenn die wenigen Regeln, die wir haben, wenn die besser kontrolliert würden. Wir wissen doch, wie schlimm es ist, wenn da irgendwelche Zusatzstoffe drin sind, wenn Cannabis ohne richtige Tests verkauft wird. Das ist ja der Grund, warum es illegal ist, sowas zu verkaufen. Aber ohne die Shops zu kontrollieren, die so einen Stoff verkaufen, geraten Leute möglicherweise in Gefahr."
Wohin sowas langfristig führen kann? Zum Beispiel in den Drogen-Entzugstempel "Wat Kamtrabok". Zwei Autostunden nördlich der Hauptstadt. Über die Grenzen Thailands hinweg auch als "Kotztempel" bekannt. Hier bekämpfen Abhängige ihre Sucht auf die harte Tour. Mönche mixen einen ekelhaften Kräutertrunk. Die Patienten bekommen ihn täglich. Und müssen sich übergeben. Das soll den Körper von innen reinigen, vor allem aber den Willen stärken. Seit Jahrzehnten kommen Menschen in den Therapie-Tempel. Doch seit der Legalisierung von Cannabis in Thailand haben die Mönche etwas bemerkt. "Die Zahl der Cannabis-Süchtigen ist seit der Legalisierung deutlich gestiegen. Vorher haben die meisten andere Drogen genommen, aber kein Cannabis. Jetzt, wo das frei verkäuflich ist, nehmen sie zum Beispiel Heroin UND Cannabis, oder Chrystal Meth UND Cannabis. Und wenn sie die Drogen kombiniert haben, dann ist es für uns viel schwieriger, sie hier erfolgreich zu behandeln." Konkrete Zahlen sammeln die Mönche im Drogentempel noch. Sie sind bislang nicht repräsentativ, aber der Eindruck verfestigt sich.
Experten sehen nur Nachteile beim privaten Konsum
Zurück in Bangkok. Hier haben Experten systematischer dokumentiert, was die Freigabe von Cannabis für Folgen hat. Rasmon Kalaya-siri leitet die Psychiatrie im renommierten Uniklinikum. Ihr Fazit nach einem Jahr Legalisierung in Thailand. "Es probieren mehr Leute als vorher Cannabis aus, nehmen es also zum ersten Mal überhaupt. Und: Vor allem der Anteil junger Konsumenten unter 20 Jahren ist gestiegen. Von knapp einem Prozent auf fast 10 Prozent. Deutlich mehr als vor der Legalisierung." Die Folgen sind hier die gleichen wie anderswo auf der Welt: Psychosen Suchterkrankungen, Rückfälle. Die Ärztin sieht im Freizeit-Konsum nur Nachteile. Von der Legalisierung für medizinische Zwecke ist sie dagegen überzeugt, zum Beispiel beim Einsatz in der Schmerztherapie.
Doch insgesamt haben sich in Thailand viele wirtschaftliche Hoffnungen in Rauch aufgelöst. Auch Kitty Shopaka sieht die Zukunft nicht so rosig, dabei verkauft sie täglich mit Leidenschaft. "Riech mal hier, wie gefällt Dir das? Und dann nimm zum Rauchen besser Kaffeeblätter anstelle von Tabak." Im politisch turbulenten Thailand ist mittlerweile sogar wieder ein Verbot des Freizeitkonsum in der Diskussion. Kitty ist dagegen überzeugt: Grundsätzlich ist die Legalisierung der richtige Weg. "Es muss doch klar sein, dass nicht jede Antwort ein Nein sein kann. Wenn jemand sich für Cannabis entscheidet, ist es dann nicht besser, wenn ich den Leuten das richtige Wissen mitgebe? So muss ich das nehmen, so kann ich mich dabei kontrollieren, das ist die richtige Menge und die Zubereitung. Wie vermeide ich eine Überdosierung? Das ist doch viel besser, als einfach nur zu sagen: NEIN, das ist schlecht!" Eine hitzige Debatte, auch in Thailand. Für alle, die sich gerne eine Bong in Bangkok genehmigen, sind die Verhältnisse geradezu paradiesisch. Bei Medizinern, Juristen und besorgten Eltern ist dagegen Katerstimmung angesagt.
Autor: Florian Bahrdt, ARD-Studio Singapur
Stand: 22.01.2024 09:49 Uhr
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