Mo., 29.05.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Thailand: Streetfood in Bangkok – abserviert
Bangkok bei Nacht – ein Traum, dampfend und duftend. Tom Yam, Pa Thai, Tom Kar Gay, Hühnchen, Schwein und Rind. Ein Paradies für die Zunge, ein Fest für die Sinne. Essen? Am liebsten hier: Auf den Straßen Bangkoks.
Bangkoks Straßenküchen – ein Ärgernis für die Stadt
Spät nachmittags beginnt der Tag für die vielen Meisterköche. Bussaba Polasak kocht seit 30 Jahren auf einem schmalen Stück Bürgersteig. Nudelsuppe. Jetzt, so will es die Stadt, soll sie ihre sieben Töpfe packen und verschwinden. "Dass wir unsere Küche aufgeben müssen, das wird so hart. Mein Mann und ich, wir sind beide weit über 50. Wer will uns noch? Außerdem lieben wir unseren Job."
Süß, sauer, salzig. Bitter oder scharf. Und manchmal alles auf einmal. Bangkoks Straßenküchen sind einzigartig, weltberühmt. Für die Stadt dagegen sind sie vor allem ein Ärgernis. Sie stehen den vielen Investoren im Weg, die neuerdings ein Hochhaus nach dem anderen bauen. Bangkok soll schöner werden, sauberer. Am liebsten so schick und elegant wie Singapur. Garküchen stören da nur.
"Die Küchen blockieren den Gehweg. Passanten beschweren sich, sie kommen nicht mehr durch. Das ist vollkommen außer Kontrolle geraten. Außerdem ist die Hygiene nicht gewährleistet. Jetzt müssen wir das eben gesetzlich regeln", sagt Buntham Huiprasert von der Stadtverwaltung Bangkok.
In Zukunft weniger Brutzeln an Straßenecken
Bangkok räumt auf. Ähnlich wie in Jakarta, Hanoi oder vor Jahrzehnten schon in Singapur. Die Bürgersteige der Sukhumvit waren einmal ein kilometerlanges Freiluft-Restaurant, ein einziges Brutzeln, Schwelgen, Schmatzen. Es war einmal, sagt die Food-Bloggerin Chawadee Nualkhair. "Wenn du Straßenküchen an so Ecken wie Thong Lor oder in Ekkamai schließt, das geht gegen die einfachen Leute, die Arbeiter. Du bestrafst den kleinen Mann von der Straße. Der kann es sich nicht leisten, jedes Mal in ein schön klimatisiertes Restaurant zu gehen."
Es gibt sie noch, die brodelnden Ecken in der Stadt. Chinatown oder Khao San. In Zukunft strenger überwacht, vielleicht hygienischer. Gegen sowas kann niemand etwas haben. In vielen anderen Ecken werden die Straßenküchen wohl für immer verschwinden.
Pan Chaiyasith kocht für abends Nudeln mit geröstetem Schwein. Ein Gedicht. Auch er muss seine Sachen packen. "Köche und Kunden, wir wissen alle nicht, wie es weitergeht. Restaurants sind viel zu teuer. Ich hoffe, dass ich woanders in der Stadt meinen Stand aufbauen kann."
Garküchen als Trendsetter für Restaurants
Kulinarisch gesehen steht viel auf dem Spiel: Bangkoks Garküchen sind immer schon Trendsetter für die vielen etablierten Restaurants. Die Küchen haben auch einen gesellschaftlichen Wert: Hier essen die Armen wie die Reichen, Taxifahrer und Manager. Anzug oder Schlabberlook: Alles sitzt an einem Tisch. Am Klapptisch auf der Straße. "Straßenessen ist einer der wenigen Orte, der wirklich demokratisch ist. Bei einem guten Straßenkoch: egal wer, egal wie reich – jeder wird dort hingehen und essen", so Chawadee Nualkhair. Später am Abend kriegen die Straßenköche immer mehr zu tun. Von überall kommen die hungrigen Hauptstädter.
"Ich bin Taxifahrer. Ich liebe die Straßenküchen. Es gibt so viel Unterschiedliches zu essen. Ich muss nicht in irgendein Gebäude gehen. Ich halte einfach an, steig’ aus und esse gleich hier auf der Straße", erzählt ein Kunde.
Streetfood in Bangkok – eine Lebensader für die Stadt
Eine Schüssel nach der anderen. Kurz vor Mitternacht – nach 100 verkauften Nudeln-Suppen – ist bald Feierabend für Meisterköchin Bussaba. Nach einem halben Leben auf der Straße geht für sie eine Ära zu Ende. "Wir sind seit 30 Jahren hier. Alles in unserem Leben haben wir diesem Ort zu verdanken. Wir haben ein Haus gebaut, wir konnten unsere Kinder in die Schule schicken. Wir werden jetzt wahrscheinlich zurück aufs Land ziehen. Das war’s dann mit dem Kochen."
Bangkoks Bürgersteige: ein Phantasialand für den Gaumen. Wie lange noch? Und wo werden die Hauptstädter in Zukunft günstig essen? Streetfood in Bangkok – es bleibt unverzichtbar, eine Lebensader für eine ganze Stadt.
Autor: Philipp Abresch/ARD Singapur
Stand: 14.07.2019 17:32 Uhr
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