So., 13.10.19 | 19:20 Uhr
Das Erste
Türkei: Der Konflikt zwischen der Türkei und Nordsyrien
Und wieder schlagen in der syrischen Stadt Tal Abyad und den umliegenden Dörfern Geschosse ein. Türkische Panzerhaubitzen feuern massiv auf Stellungen der Kurdenmiliz YPG und der Syrischen Demokratischen Kräfte, wie es heißt.
Die Stadt ist zum Kriegsgebiet geworden
Aus der Stadt kommen beunruhigende Nachrichten von Toten, verletzten und fliehenden Zivilisten. Gleichzeitig werden aus dem YPG kontrollierten Gebiet Granaten auf die türkische Grenzstadt Akcakale abgefeuert. Heute Morgen wurde ein Haus getroffen und ein Mann verletzt. Am Donnerstag wurden in Akcakale drei Menschen durch Granaten getötet. Die Stadt ist zum Kriegsgebiet geworden.
In manchen Viertel gleicht Akcakale inzwischen einer Geisterstadt. Vergangenen Mittwoch spielten hier noch Kinder in den Straßen. Jetzt sind viele Häuser verlassen.
Auch in Fevzi Senkalirs Haus ist eine Granate am Freitag eingeschlagen, aber nicht explodiert. Jetzt steckt sie in der Hauswand sagt der Familienvater.
Sofort nach dem Einschlag sind er, seine Frau und die Kinder in ein 35 km entferntes Dorf geflohen. Dort sind sie bei der Familie seiner Frau untergekommen. Fevzi ist heute hier, um nach dem Rechten zu sehen.
Der arabischstämmige Türke erzählt wie er den Einschlag erlebte. "Von dort kam die Granate, aus Tal Abyad und ich war gerade draußen. Die Kinder, meine Familie sie waren hier drinnen. Es hat ziemlich geknallt", so Fevzi Senkalir.
Angst hat vor Zukunft
Seit Mittwochabend ist Akcakale im Ausnahmezustand. Wer fliehen kann, flieht. Granateneinschlag mehrfach am Tag. In den ersten Kriegsstunden gaben sich noch viele Bewohner einer nationalistischen Euphorie hin. Danach kamen Angst und Panik. Auch Fevzi will die Stadt schnell wieder verlassen. Gleichzeitig sorgt er sich um sein Haus. "Es soll schon Einbrüche gegeben haben. Wenn sie sehen, dass die Wohnungen leer sind, kommen sie sofort und brechen ein", erzählt Fevzi Senkalir.
Mit dem Kleinbus fährt er in das Dorf zu seiner Frau und den Kindern.
Fevzi ist überzeugt vom Einmarsch des türkischen Heers. Etwas anderes dürfte er derzeit in der Türkei auch kaum sagen. Mehr als 100 Türken, wurden in den letzten Tagen festgenommen, weil sie den Krieg öffentlich in Frage stellten. Doch dass Fevzi Angst hat vor Zukunft, will er nicht verschweigen.
"Wir wissen nicht, was wir machen werden. Sie haben es ja gesehen, die Bomben, der Lärm, die Granate in der Wand, zerstörte Häuser, Menschen sterben", sagt Fevzi Senkalir.
Auf beiden Seiten der Grenze leiden die Menschen unter den Angriffen des türkischen Heers und der Reaktion der Kurdenmiliz. Inzwischen heißt es, Tal Abyad, die Stadt auf der syrischen Seite, sei eingenommen worden. Den türkischen Staatspräsidenten Erdogan dürfte das wohl bestärken, seinen Feldzug fortzusetzen.
Autor: Oliver Mayer-Rüth
Stand: 13.10.2019 20:25 Uhr
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