So., 23.03.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Türkei: Nach der Inhaftierung İmamoğlus – Wut und Proteste
Tag drei nach der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu. Es ist Freitag Nachmittag. Vor dem Gelände der größten Istanbuler Universität haben Studierende zum Protest aufgerufen. Auch die 22-jährige Eda ist gekommen – trotz Versammlungsverbot. "Wir sind hier, um unsere eigene Freiheit und unseren Freiraum zu schützen. Wir wollen unsere Jugend nicht unter solchen Umständen leben – und wir wollen unsere Zukunft schon gar nicht diesen Menschen anvertrauen", sagt sie.
Mit "diesen Menschen" meint Eda die Regierung von Staatspräsident Erdogan. Die Proteste richten sich immer mehr gegen ihn. Hier auf der Studierenden-Demo fordern viele seinen Rücktritt. Bei den meisten entlädt sich in diesen Tagen eine Wut, die sich seit langem angestaut hat: Wirtschaftskrise, Abbau des Rechtsstaats – Eda und ihre Kommilitonen wollen nicht mehr dabei zusehen. "Diese Demos haben nicht nur was mit Imamoglu zu tun. Wir übertragen das auf uns: Das alles kann uns selbst treffen, Imamolgus Festnahme war nur der Auslöser", erzählt Eda.
Präsidentschaftskandidat trotz Haft
Staatspräsident Erdogan werfen sie vor, er will mit Imamolgu seinen größten Konkurrenten ausschalten. Er streitet das ab und droht den Demonstrierenden: "Die Tage, an denen Politik und Justiz sich von Straßen-Terror beeinflussen ließen, sind vorbei. Das war die alte Türkei!"
Doch die Demos werden größer. Auch gestern Abend strömen wieder Zehntausende zum Istanbuler Rathaus. Wir wollen hier auch Eda, die Studentin, wieder treffen, doch erreichen sie nicht. Immer wieder kommt es zu Ausschreitungen mit der Polizei, die Tränengas und Pfefferspray einsetzt. Später erfahren wir: Eda musste deswegen ins Krankenhaus. Fast zeitgleich, einige Kilometer weiter: Imamoglu und rund 90 weitere Personen werden einem Haftrichter vorgeführt. Die Anhörung dauert die ganze Nacht, auch vor dem Gericht demonstrieren Tausende. Heute früh wird klar: Imamoglu muss in U-Haft. Jetzt erst Recht will seine Partei CHP ihn heute zum Präsidentschaftskandidaten wählen lassen – per Mitgliederentscheid im ganzen Land. Vor den Wahllokalen bilden sich lange Schlangen, einige hier sind gestern noch spontan in die Partei eingetreten.
"Tatsächlich wollen wir zeigen, dass er nicht alleine ist. Hier glaubt ja keiner daran, dass er irgendwas verbrochen hat, wir alle wollen ihn irgendwie unterstützen", sagt Burak Isyerler. Und auch für den Abend sind trotz Verbot wieder neue Demonstrationen angekündigt.
Autorin: Katharina Willinger, ARD Istanbul
Stand: 30.03.2025 20:14 Uhr
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