So., 01.03.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Türkei/Zypern: Gas-Streit im Mittelmeer
"Das blaue Vaterland". Was blumig klingt, ist eine geopolitische Kampfansage. Die Türkei erklärt kurzerhand das östliche Mittelmeer zum türkischen Staatsgebiet und einigt sich darüber mit Libyen.
Dass Zypern und Griechenland völkerrechtlich Rechte der Nutzung haben, wird einfach ignoriert. Grund sind die Gasvorkommen. Ein gefährlicher Kampf um Einfluss und Rohstoffe.
Streit zwischen Nord- und Südzypern
Wir fahren mit Kyriakos Hadjiyiannis zum Hafen der zyprischen Stadt Limassol. Der zyprisch-griechische Abgeordnete will uns dort etwas Wichtiges zeigen, wie er sagt. Kampfflugzeuge auf einem großen Kriegsschiff. Der französische Flugzeugträger Charles des Gaulles. Hadjiyiannis, erklärt, das Schiff liege auch vor Limassol, um Gasfelder im Mittelmeer südlich von Zypern vor dem Zugriff der Türkei zu schützen und EU-Sanktionen gegen Ankara zu flankieren. "Wir haben gegenüber uns eine Militärmaschine, die ziemlich viele Probleme machen wird. Natürlich gibt es eine Bedrohung. Und diese Bedrohung ist sichtbar jeden Tag."
Seit 1974 ist türkisches Militär im Norden Zyperns stationiert. Die Türkei hält den Nordteil der Insel besetzt, sagen sie im griechischen Süden. Jährliche Militärparaden – eine Demonstration der Macht. Im Hafen der nordzyprischen Stadt Famagusta liegt ein türkisches Kriegsschiff. Ankara setzt seine Marine ein, um Gasbohrschiffe, wie die Yavuz zu begleiten.
Gas aus dem Mittelmeer ist ein gefährlicher Zankapfel zwischen dem türkischen Norden und dem griechischen Süden der geteilten Insel Zypern geworden. Der Süden will das Gas ausbeuten und verspricht, eines Tages dem Norden einen Anteil zu geben, aber erst wenn die Insel vereint ist. Darauf sei kein Verlass, sagt Kudret Özersay, Außenminister der nordzyprischen Republik, die lediglich von der Türkei anerkannt wird. "Wenn die türkischen den griechischen Zyprern nicht zustimmen, darf das Gas auf dem internationalen Markt nicht verkauft werden."
Geopolitische Interessen der Türkei
Im Streit um das Gas hat die türkische Marine vor zwei Jahren ein von Südzypern beauftragtes italienisches Bohrschiff vertrieben. Und im Streit um den wertvollen Rohstoff, ist Ankara fest entschlossen alle Register zu ziehen. Auch der blutige Bürgerkrieg in Libyen kommt da offenbar gelegen. Zwei Abkommen, eines über Militärhilfe und ein zweites über eine gemeinsame Seegrenze, haben Ende vergangenen Jahres der türkische Staatspräsident Erdogan und der libysche Präsident Sarradsch unterzeichnet.
Mit dem Abkommen über die gemeinsame Seegrenze versucht die Türkei ihren Einflussbereich erheblich zu erweitern. Damit hätte Ankara nicht nur Anspruch auf Gasfelder im Südwesten Zyperns, sondern auch auf Gebiete, die bisher von Griechenland beansprucht wurden. Professor Hubert Faustmann, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung auf Zypern, befürchtet einen Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland im östlichen Mittelmeer. Im Gegensatz zum unbewaffneten Süden Zyperns habe Griechenland Kriegsschiffe und eine Luftwaffe, so Faustmann. "Die Türkei eskaliert die Situation in einer Art und Weise, die Zwischenfälle oder dass etwas außer Kontrolle gerät viel wahrscheinlicher macht, als es der Fall war, während man sich nur mit den griechischen Zyprioten duelliert, die militärisch keine Option war."
Im Streit um das Gas will keine Seite nachgeben. Bereits im Sommer 2019 erlässt die EU-Sanktionen gegen die Türkei. Ankara will dennoch an den Bohrungen festhalten. Professor Faustmann sagt, auch aus innenpolitischen Gründen. "Alle Seiten wollen natürlich nicht ihr Gesicht verlieren. Und mit am verwundbarsten ist momentan Erdogan in der Türkei, weil er innenpolitisch unter Druck steht. Das Land leidet unter einer Wirtschaftskrise. Seine Popularitätswerte nehmen ab und er ist sehr stark auf die Unterstützung durch Nationalisten angewiesen und das macht eine Deeskalation schwieriger, weil man gesichtswahrend rauskommen muss und er pokert sehr hoch."
Sanktionen der EU
Die EU hält im Poker um das Gas dagegen. Am vergangenen Donnerstag wurden erneut zwei Manager eines staatlichen türkischen Gas- und Ölkonzerns mit Sanktionen belegt. Kyriakos Hadjiyiannis hält Sanktionen für den richtigen Weg. "Die Sanktionen ist ein Bekämpfungsmittel, ist ein Instrument, ist eine Waffe, sozusagen." Die türkischen Zyprer lassen sich von solchen Drohungen nicht beeindrucken. Im türkischen Teil der zyprischen Hauptstadt Nikosia ist man der Meinung, der Süden müsste den Norden lediglich an der Ausbeute des Gases beteiligen, dann wären alle Probleme gelöst.
Schließlich stünde der Rohstoff beiden Seiten zu. "Eine Zusammenarbeit wird mittel- und langfristig auch zur Zusammenführung des Nordens und des Südens führen", meint Kudret Özersay, Außenminister der nordzyprischen Republik. "Die Instabilität der Region nimmt ab. Die gegenseitige Abhängigkeit nimmt zu und das bringt der Insel Frieden." Dass es so einfach sei, daran will in Südzypern, aber auch in der EU kaum jemand glauben. Immerhin hat der türkische Staatspräsident Erdogan in Nordzypern das Sagen. Und ihm traut hier jeder zu auch nach einer Einigung seine Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen.
Autor: Oliver Mayer-Rüth, ARD-Studio Istanbul
Stand: 02.03.2020 10:26 Uhr
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