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Tunesien: Die Touristen kehren zurück

Darauf haben sie in Tunesien lange gewartet – Sommer, Sonne, volle Strände. Die Touristen sind zurück, auch am Strand von Sousse. Genau hier wurden vor vier Jahren 38 Urlauber von einem Attentäter erschossen, 30 von ihnen kamen aus Großbritannien. Nun sind sie wieder da, Deutsche wie Engländer.

Regelmäßige Präsenz von Sicherheitskräften am Strand

Tunesien: Die Touristen sonnen sich, die Polizei patrouilliert an den Stränden Tunesiens
Tunesien: Die Touristen sonnen sich, die Polizei patrouilliert an den Stränden Tunesiens

"Ich fühle mich sicher am Meer, dazu tragen auch die Polizeipatrouillen bei. Es ist wirklich schön hier", so ein Tourist. Am Strand wurde aufgerüstet – die Sicherheitskräfte zeigen regelmäßig Präsenz. Tunesien ist sicher, das soll die Botschaft sein. Und diese Botschaft verkündet unermüdlich: Tunesiens Tourismus-Minister Réne Trabelsi. Ein ungewöhnlicher Politiker: Trabelsi hat kein Parteibuch, dafür aber als Reiseunternehmer viel praktische Erfahrung. Und er gehört der kleinen jüdischen Gemeinde Tunesiens an. Der einzige jüdische Minister in einem arabischen Land: Trabelsi sieht sich als Symbol.

"Für mich bedeutet das eine große Ehre. So können wir der Welt zeigen, dass in Tunesien Toleranz und Frieden regieren", so Réne Trabelsi, Tourismus-Minister Tunesien.

Bei Veranstaltungen wirbt Trabelsi zusammen mit seinem Premierminister um Europas Urlauber. Sie beide wissen, dass die Sicherheitslage fragil bleibt. In Tunis haben sich erst unlängst zwei Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt.

"Wir unternehmen sehr viel, um den Terrorismus zu bekämpfen. Der trifft ja alle Länder dieser Welt. Aber Tunesien ist sicher. Sehen Sie, auch in Europa gibt es keine absolute Sicherheit", sagt Youssef Chahed, Premierminister Tunesien.

Tunesien zieht besonders Pauschaltouristen an

Tunesien: Tunesien boomt – auch Deutsche kehren wieder in das nordafrikanische Land zurück – vier Jahre nach dem Terroranschlag
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Straßensperren und Ausweiskontrollen gehören zum Urlaubsinventar, doch die Besucher haben sich daran gewöhnt. Solche Aussichten scheinen zu überzeugen: Weite Strände und günstige Preise – Tunesien zieht besonders Pauschaltouristen an. Die Hotels auf der Badeinsel Djerba sind in diesem Sommer ausgebucht, es könnte ein Rekordjahr für Tunesien werden. Neun Millionen Urlauber erwartet der Tourismusminister. Die Reisebranche ist sehr zufrieden.

"Trabelsi kennt das Produkt, er ist ein Praktiker. Deswegen geht es bei der Vermarktung schnell voran, Probleme werden unbürokratisch gelöst. Seine Religion spielt doch keine Rolle. Ich weiß gar nicht, ob er praktizierender Jude ist", so Hamda Abdellaoui, Präsident der tunesischen Reiseagenturen.

In Djerba gibt es noch, streng bewacht, eine kleine jüdische Gemeinde. Von hier stammt der Tourismus-Minister. Zur Synagoge "La Ghriba" pilgern einmal im Jahr Juden aus aller Welt, unter ihnen Réne Trabelsi. In der ältesten Synagoge Afrikas geht es ein wenig wie auf dem Jahrmarkt zu, ein Rabbiner weiht hochprozentigen Feigenschnaps. Derweil wird der Tourismusminister begeistert von seiner jüdischen Gemeinde begrüßt. Früher hatte die in Tunesien noch 100.000 Mitglieder, jetzt sind es nur noch gut tausend. Trabelsi ist ihr Hoffnungsträger.

"Klar macht mich das stolz, als Minister hier zu sein, denn ich bin ja ein Sohn Djerbas und dieser Gemeinde", so Réne Trabelsi.

Die Gesellschaft lehnt eine Annäherung an Israel ab

In diesem Jahr kamen auch mehrere hundert Pilger aus Israel nach Djerba. Dabei unterhält Tunesien keine diplomatischen Beziehungen mit dem jüdischen Staat – wegen des Palästina-Konflikts. Israelis kommen mit einer Sondererlaubnis. Tunesien wird oft für seine Toleranz gelobt. Aber die hat auch Grenzen. Die Gesellschaft lehnt eine Annäherung an Israel ab, sagt der Soziologe Laroussi Amri. Deswegen steht der jüdische Tourismusminister unter besonderer Beobachtung. Manche zweifeln an seiner Loyalität zum tunesischen Staat. Unlängst gab es in Tunis eine kleine Demonstration gegen Trabelsi: Er sei ein verkappter Zionist.

"Es gibt in der Bevölkerung die Befürchtung, dass dieser Minister seine jüdische Identität zum Nachteil Tunesiens einsetzen könnte, denn eines ist für die Mehrheit der Tunesier klar: Sie will keine Normalisierung mit Israel", so Laroussi Amri, Soziologe Universität Tunis.

Für Réne Trabelsi bleibt es eine Gratwanderung. Er möchte wenig Aufsehen um seine Religion machen und sich auf die Arbeit als Tunesiens oberster Werbetrommler konzentrieren. Er glaubt an die viel gepriesene Toleranz seines Landes.

"Man hat doch gesehen, wie in Syrien oder Libyen ein Bürgerkrieg provoziert wurde, aber das funktioniert nicht in Tunesien. Hier gibt es eine Kultur des Zusammenlebens und der Solidarität", sagt Réne Trabelsi.

Es sind solche Bilder, die der Minister in alle Welt senden möchte: Volle Strände, ein Tourismus, der boomt. In Tunesien, so die Botschaft, ist die Lage wieder normal. So normal, wie sie in diesen Zeiten eben sein kann.

Autor: Stefan Schaaf/ARD Studio Madrid

Stand: 15.07.2019 12:05 Uhr

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