So., 06.03.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Ukraine/Slowakei: Fluchtpunkt Klein-Berlin
Sie nennen ihr Dorf "Klein Berlin": in Berlin war es eine Mauer die die Stadt teilte, in Male Slemence ist es ein Zaun, der seit 1945 das Dorf in zwei Ländern liegen lässt, links die Slowakei – rechts die Ukraine. Ähnlich wie in Berlin, ist dieser Zaun jetzt ein Zaun der Verzweiflung. Es ist ein Zaun in die Freiheit, in Sicherheit aus der Ukraine in die Slowakei. Es ist ein Zaun des Abschiedes: Nikolai muss Natalia und seinen Kindern für unbestimmte Zeit auf Wiedersehen sagen, er darf die Ukraine nicht verlassen, muss, will kämpfen. Sie kommen aus einer kleinen Stadt vor Kiew. Noch einmal winkt Nikola seiner Familie zu; wann er seine Familie wiedersieht: ungewiss.
An der Grenze
Die nächst größere Stadt: Uschgorod. Sie wirkt für Außenstehende wie an einem normalen Wochenende. Doch normal sei hier nichts, erklären Einheimische, die man hier derzeit kaum findet: Die Stadt sei voller Flüchtlinge, die sich hier im Westen des Landes in Sicherheit gebracht haben.
Auch wenn die Stadt noch fernab der Front liegt, sind die Leiden des Krieges hier allgegenwärtig: Schlange stehen für ein warmes Mittagessen. Die Hilfsorganisationen bemühen sich, die Flüchtenden zu versorgen. Doch die Versorgung wird zum Marathonlauf.
Nasar Bassov versucht hier zu koordinieren: in seine Region, in der sonst eine Million Menschen leben, kamen 100.000 Flüchtlinge: "Hier werden täglich drei bis vier Tonnen warmes Essen auch an Bahnhöfen verteilt. Wir kochen in einer riesengroßen Küche. Eine große Aufgabe, diese Menschen zu ernähren. Und es kommen ja immer mehr."
Zurück am Grenzübergang in Velke Slemence: Angespannt warten zwei Deutsche auf die Frau, die früher ihre Mutter pflegte. Und so gibt es hier auch Tränen der Erleichterung – am Zaun, der ein Dorf trennt.
Autor: Danko Handrick, ARD Prag
Stand: 07.03.2022 09:36 Uhr
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