So., 25.04.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: 100 Tage Joe Biden – eine Bilanz
Palm Springs: Rentnerparadies unter Palmen, Mitten in der Wüste. Hier lebt Tina Diamond. Vor Jahren hat die 64-Jährige viel Geld mit Aktien verloren, bezieht nun staatliche Rente. Das Auto: von einem Freund geliehen. Auf der Main Street sieht Tina wieder sehr viel mehr Tourist*innen. Auch in Palm Springs kehrt das Vor-Corona-Leben Stück für Stück zurück – Joe Bidens Erfolg, meint Tina: "Ich finde, er hat die Impfstoffverteilung super angekurbelt. Es war auch gut, dass er die Hersteller dazu gebracht hat, zusammenzuarbeiten. Das mit dem Impfen macht er wirklich gut."
Tina ist Demokratin. Zur Präsidentschaftswahl hatte sie sich im Rollstuhl fahren lassen – sie war gerade erst von Covid genesen. Aber Trump abwählen: für sie ein Muss: "Er hat dieses Land zerstört. Wie ein Hurrikan." "Geht es dem Land besser unter Biden?", fragt ARD Korrespondentin Kerstin Klein. "Ja, ich kann jetzt wieder atmen!", antwortet Tina.
100 Tage sind seit Bidens Amtsantritt vergangen
Knapp 100 Tage ist Joe Biden nun Präsident der USA: "So help me god." Seine größte Herausforderung: die Pandemie. Seine Plan: Impfen, so schnell es geht. "Maske, Händewaschen, Abstand halten – was ich jetzt nicht tue“, sagt Joe Biden.
Gut 70 Prozent sind bei diesem Thema mit ihm zufrieden. Eine halbe Stunde außerhalb von Palm Springs, im Coachella Valley, haben die Republikaner eine Hochburg. Die 'East Valley Republican Women' betreiben hier ein Büro – Laden inklusive.
Joy Miedecke ist seit acht Jahren die Präsidentin. Ihr Verein ist mit der Republikanischen Partei assoziiert – aber eigentlich sind sie hier vor allem eines: ein Donald-Trump-Fanclub. Der Wechsel im Weißen Haus ändert daran nichts."Es kommen sogar mehr Menschen! Wir geben doch nicht auf, woran wir glauben: die konservativen Werte. Wir haben das Gefühl, dass uns diese Wahl gestohlen wurde – da geben wir doch nicht klein bei. Wir arbeiten nur noch härter, noch cleverer", sagt Joy. Joe Biden halten sie hier für unfähig. Vor allem aber kümmere sich Biden um die falschen Themen, kritisiert Joy: "Unser größtes Problem ist, dass Menschen illegal ins Land kommen. Und manche davon haben keinen guten Charakter. Das ist ein Problem. Das muss er lösen. Und zwar nicht, in dem wir anderen Ländern viel Geld überweisen. Wir brauchen die Mauer – die muss fertig werden."
Weniger Migrations- mehr Pandemiepolitik
Tatsächlich kommen wieder mehr Menschen von Mexiko aus ins Land. Der Mauerbau gestoppt, die Abschieberegeln etwas gelockert – für die Konservativen: das große Thema. Für Joe Biden hatte neben dem Impfen etwas anderes Vorrang: die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abmildern, die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Ein Billionen Dollar schweres Hilfspaket hat er bereits unterzeichnet, ein weiteres Billionen-Paket auf den Weg gebracht.
Von dem ersten, dem Corona-Hilfspaket haben viele ganz konkret profitiert. Ein Großteil der Amerikaner*innen hat Checks erhalten. Auch Tina Diamond bekam 1400 Dollar Einmalzahlung vom Staat: "Es ist schön, einfach so Geld zu bekommen. Aber ich glaube keine Sekunde, dass die Demokraten nicht die Steuern erhöhen, wenn die Wirtschaft nächstes Jahr wieder läuft. Das wird kommen. Nichts ist umsonst." Dennoch sei das jetzt der richtige Ansatz, meint auch Tinas Freundin Renée. Erst das Impfen, dann die Wirtschaft, dann der Rest. "Alles braucht Zeit. Die Polizei-Reform zum Beispiel – da ist er noch gar nicht zu gekommen. Aber er wird seine Versprechen einlösen – wie beim Impfen", sagt sie.
Tina vertraut den Worten des Präsidenten
Daran glaubt auch Tina nach Bidens ersten Wochen. Er mache keine leeren Versprechen. Eines seiner größten Versprechen bei Amtsantritt war dies: Das Land zu einen, die Menschen zu versöhnen. Ist er damit weitergekommen? "Er gibt sich Mühe. Aber wie sehr kann ein einzelner Präsident das Land einen? Und wie lange dauert das? Die Menschen werden ja nicht mit Hass geboren. Wie bekommt man sie dazu, damit wieder aufzuhören?", fragt sich Tina und hat keine Antwort.
Und wenn man der Demokratin Tina auf der einen und Trump-Fan Joy auf der anderen Seite zuhört, bleibt der Eindruck, dass diese auch unter Präsident Biden weiterhin in getrennten Welten leben.
Autorin: Kerstin Klein / ARD Studio Washington
Stand: 25.04.2021 20:23 Uhr
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