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USA: Jagd auf einen Augenzeugen

Die Hügel Virginias. Für ihre Schönheit sind sie schon in manchem Song verewigt worden. Doch hier zeigt sich auch eine hässliche Seite Amerikas. Denn dort unten lebt ein Mann zurückgezogen in seinem Haus, der um sein Leben fürchten muss. Brennan Gilmore erhält Morddrohungen, weil im Internet Verschwörungstheorien über ihn verbreitet werden.

Rechtsextreme verbreiten Theorien

USA: Die Tat sei, behaupten rechtsextreme Kräfte, inszeniert worden
USA: Die Tat sei, behaupten rechtsextreme Kräfte, inszeniert worden

"Mit diesem konstanten Fluss von Drohungen zu leben, verändert Deine Psyche. Du schaust immerzu über Deine Schulter", erzählt Brennan Gilmore. Früher trat Gilmore nur als Musiker im Internet in Erscheinung. Doch weil er als ehemaliger Angestellter des amerikanischen Außenministeriums die Ausschreitungen in Charlottesville gefilmt hat, verbreiten Rechtsextreme die Theorie, Brennan habe das Attentat auf eine junge Frau inszeniert.

"Es ist komplett surreal. Ich verstehe die Tendenz der Menschen, eine Erklärung zu suchen. Dass jemand mit meinem Hintergrund dieses Video aufnimmt. Ich frage mich ja selbst, warum gerade meine Kamera lief", so Brennan Gilmore.

Dies sind die Bilder, die Gilmores Leben veränderten. In Charlottesville fährt ein Auto in eine Gruppe von Demonstranten. Dabei wird eine junge Frau getötet. Heather Heyer wird nur 32 Jahre alt. Sie war nach Charlottesville gekommen, um gegen den Aufmarsch von ultrarechten Gruppen wie dem Ku Klux Klan, Neonazis und der so genannten Alt Right Bewegung zu demonstrieren.

Die Situation eskaliert. Rechtsextremisten liefern sich Straßenschlachten mit Gegendemonstranten. Auf beiden Seiten gibt es Verletzte. Plötzlich rast das Auto in die Menschenmenge. Knapp ein Jahr später kehrt Gilmore an den Tatort zurück und erinnert sich an den Moment, in dem das Auto die Straße herunter kam.

"Mir war sofort klar, dass hier etwas schief lief. Er erreichte die Mitte der Straße und bremste eine Sekunde lang ab. Ich dachte, er würde nicht weiterfahren, aber dann drückte er aufs Gas. Er wusste, wohin er fuhr. Genau da, die Körper flogen über sein Auto. Pures Chaos. Unerträgliche Geräusche. Der Rest ist Geschichte", berichtet Brennan Gilmore.

Verschwörungstheorie im Internet

USA: Charlottesville vor einem Jahr: Eine tote Frau, Dutzende Verletzte
USA: Charlottesville vor einem Jahr: Eine tote Frau, Dutzende Verletzte

Warum hat sich Gilmore damals noch an Ort und Stelle dazu entschieden, sein Video im Internet hochzuladen? "Freunde und Familie riefen mich an und sagten mir, dass in den Nachrichten von einem Unfall die Rede war. Als ich sah, was ich da auf Video hatte, übergab ich es zunächst der Polizei. Aber ich sah selbst, dass es kein Unfall war. Es war klar, dass dieser Kerl eine Million andere Möglichkeiten hatte, als in diese Menschenmenge zu fahren. Ich dachte es sei wichtig, das zu zeigen. Also habe ich es hochgeladen."

Kurz darauf behaupten ultrarechte Webseiten, Gilmore habe das Attentat von Charlottesville inszeniert. Er sei Teil einer Schattenregierung, die mit Unterstützung der CIA Präsident Trump stürzen wolle. Schnell und schädlich wie ein Virus verbreitet sich diese Verschwörungstheorie im Internet. Immer wieder wird Gilmores Name genannt.

"Menschen aus meinem beruflichen und privaten Umfeld ließen erkennen, dass sie das über mich gelesen oder gehört hatten. Einige davon sagten, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Es beeinträchtigte jeden Bereich meines Lebens", sagt Brennan Gilmore.

Sich wehren mit Waffe und Recht

USA: Brenan Gilmore filmte damals den rechten Gewaltakt, heute fürchtet er um sein Leben
USA: Brenan Gilmore filmte damals den rechten Gewaltakt, heute fürchtet er um sein Leben

"Infowars", "Informationskriege" heißt eines der Portale, dass Gilmore besonders scharf angreift. Der Betreiber, Alex Jones, erreicht mit seinen Sendungen Millionen Amerikaner. Und Alex Jones hat prominente Gäste: Donald Trump nutzte "Infowars", um im Präsidentschaftswahlkampf um Wähler zu werben. Es wurden auch Gerüchte über seine Gegenkandidatin verbreitet. Brennan Gilmore bekommt die Folgen solcher Hetzkampagnen hautnah zu spüren. Jeden Tag erhält er Mails mit Drohungen.

"Du bist ein Stück Scheiße, eine Marionette. Die Leute wissen gar nicht, wie dreckig und kompromittiert Du bist. Brennan Gilmore, Du bist direkt beteiligt, Du bist krank, krank, krank. Hashtag: Nieder mit der Schattenregierung. Brennan Gilmores Leiche wurde im Rivana River gefunden, das ist eine halbe Meile die Straße runter. Sie sind sehr konkret in ihren Drohungen", so Brennan Gilmore.

Wie ernst Gilmore diese Drohungen nimmt, wird beim Blick in die Küche deutlich. Hier liegt immer eine geladene Pistole. Früher wäre das für den Pazifisten undenkbar gewesen, heute absolviert er fast täglich Schießübungen im Garten. Trotzdem glaubt Gilmore immer noch, dass der beste Weg sich zu wehren nicht die Waffe ist, sondern das Recht. Er klagt wegen Verleumdung gegen sieben Blogger, die Verschwörungstheorien über ihn verbreiten. Bei der Klage geht es Gilmore nicht um Geld, er verfolgt ein höheres Ziel.

"Die einzige Wiedergutmachung um die es mir geht ist, dass dies nach mir niemandem sonst mehr passieren soll. Die nächste Person, die einen Anschlag beobachtet und darüber spricht, darf nicht mundtot gemacht werden. Das ist nämlich, was diese Blogger tun. Sie nutzen Einschüchterung als Taktik, um jemanden zum Schweigen zu bringen, der über eine Wahrheit spricht, die nicht in ihre politische Agenda passt. Ich fühle mich einfach verpflichtet, das Richtige zu tun", sagt Brennan Gilmore.

Brennan Gilmore steht vor Gericht ein harter Kampf bevor. Im Fall Charlottesville steht viel auf dem Spiel. Denn in einem Land, in dem die Meinungsfreiheit groß geschrieben wird, geht es jetzt auch um die Frage, wieviel die Wahrheit eigentlich noch wert ist.

Autor: Jan Philipp Burgard / ARD Studio Washington

Stand: 01.07.2018 20:12 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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