So., 03.12.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
USA: Klimawandel im Unterricht
An der Science Park High School in Newark, New Jersey, denken Schülerinnen und Schüler intensiv darüber nach, wie sie mit den Folgen des Klimawandels leben können. Vor wenigen Wochen noch haben sie die Folgen gewaltiger Waldbrände zu spüren bekommen. Wochenlang mussten die Menschen an der US-amerikanischen Ostküste Rauch einatmen, der von starken Winden aus dem nördlich gelegenen Kanada zu ihnen getrieben wurde. Im täglichen Unterricht geht es den Jungen und Mädchen darum, Lösungen zu diskutieren und zu finden – für große globale Probleme, aber auch für den Alltag.
Klimawandel fächerübergreifend
Der Kopf ist fast perfekt, aber das Monster braucht noch ein dickes Fell aus Plastik. Alles recycelt, alles selbst gesammelt. Die High-School-Schülerinnen und Schüler sorgen sich um die Meere. Ihr gefräßiges Ungeheuer – ein Mahnmal dafür, wie sehr Plastikmüll auch ihr Leben bedroht. "Ich finde das toll", sagt Maya Palmer. "Wir benutzen hier ganz viele Plastiktüten und Flaschen, die Schüler vom Umwelt-Projekt gesammelt haben. Wir verarbeiten eine Menge Plastik und recyceln es. Echt schön."#
Ob im Kunstunterricht, in Bio oder Sport – seit einem Jahr wird Klimawandel hier fächerübergreifend gelehrt. Ein Thema, das viele Schüler schon lange umtreibt. "Mich macht das traurig", sagt Brandon Passmore. "Das ist doch die Erde, auf der wir leben. Plastik ist so schädlich für die Umwelt und ein Hauptgrund für den Klimawandel. Und den Leuten ist es egal. Das bricht mir das Herz."
In anderen US-Staaten kommt Klimawandel nicht vor im Unterricht, in New Jersey muss Mrs. Brewin darüber sprechen. Und stößt dabei auf offene Ohren: Die Monster-Idee stammt von ihren Schülern. "Die verschließen nicht die Augen vor dem, was gerade passiert, so wie meine Generation es getan hat. In dem Glauben, darum können wir uns später mal kümmern. Sie wissen, wie dringend es ist. Und spornen auch mich an, mich bewusster mit dem Thema auseinanderzusetzen."
Unterricht nahe am Alltag der Schüler
Dicker Rauch über Manhattan. An diesen Tag können sich alle in der Schule erinnern. Es brennt mehr als 1.000 Kilometer entfernt in den kanadischen Wäldern und in der Science Park Highschool muss der Unterricht ausfallen – die Luft schlicht zu gefährlich. Immer wieder ist die stinkende Wolke von damals auch Thema im Bio-Unterricht. Wahab Ashraf untersucht mit seinen Schülerinnen und Schülern, was mehr CO2 in der Atmosphäre für Pflanzen bedeutet. "Wir versuchen, den Unterricht so praktisch wie möglich zu gestalten, sprechen über aktuelle Ereignisse, damit wir sie besser verstehen. Klimawandel ist nur ein Beispiel, wir reden auch darüber, wie das Klima und das Wettergeschehen die Gene in den Pflanzen verändern."
Je näher der Unterricht am Alltag der Schüler, desto größer die Chance, dass sie nicht nur lernen, sondern auch etwas verändern. "Ich benutze mein eigenes Fahrzeug viel weniger", sagt Eduarda De Souza, "und fahre mehr mit der Bahn." Und Doris Swaray meint: "Nimm dir die Zeit zu recyceln, so oft es geht. Mach das, was gut ist für den Planeten, ohne dass dir das jemand vorschreibt. Wir fahren alle mit der Bahn hier. Wir retten die Welt."
Darleen Gearhart ist stolz auf ihre Schüler. Sie weiß, wie schwer es ihre Kollegen in konservativeren Staaten wie Florida haben, wo Bücher verboten, Themen tabu sind. Das neue Curriculum – für sie die Chance, den Jugendlichen neue Horizonte zu eröffnen. "Sie gestalten eigene Projekte, um die Inhalte zu verstehen. Aber sie lernen auch, Probleme zu lösen. Kann man als Neuntklässler die Welt verändern? Nein. Aber wenn sie später mal Anwälte werden und diese Ausbildung hinter sich haben, dann können sie große Dinge bewegen."
Lösungen suchen, statt Fakten büffeln
Die Schulen in New Jersey sind die Vorreiter, aber auch andere Staaten in den USA ziehen nach. Umfragen zeigen: Die meisten Eltern wollen, dass ihre Kinder lernen, was Klimawandel bedeutet. Egal in welchem Alter. "Wir starten schon im Kindergarten", erklärt Kathleen Tierny vom Schulbezirk Newark. "Auch die Kleinen können doch schon verstehen, was Recycling heißt. Unser Motto: Fang klein an, dann wird was Großes daraus."
"Wir haben hier sechs Kleidungsstücke. Was meint ihr, welche sind Fast Fashion und welche Second Hand?" Billigmode ist schlecht fürs Klima, erklären die Schülerinnen, weil fast immer aus Synthetik. Sie präsentieren die Fakten – und Lösungen. Eine Tauschbörse für Klamotten zum Beispiel. "Ihr könnt Kleider spenden, die ihr nicht mehr braucht. Die werden dann günstig verkauft." Klimawandel müsste hip werden, sagen sie. Visionen statt Weltuntergangsszenarien. "Meine Generation steht doch auf Trends", sagt Maureen Nyarko. "Wenn irgendwas 'in' ist, dann machen alle mit. Die Leute müssen gar nicht wissen, dass sie etwas Gutes damit tun, nur: dass es cool ist."
Alle lieben den Unterricht von Mrs. Scott. Sie schafft es, auch beim Thema Klimawandel Mut zu machen. "Die Schüler sollten nicht nur die düsteren Fakten büffeln, die sollten Lösungen entwickeln. Die sind so schlau und so brillant. Sie sind doch diejenigen, die an der Macht sein werden, wenn wir mal älter sind." Weniger Burger essen, weniger Billig-Klamotten kaufen – es sind die kleinen Schritte, die zählen. Und wer aktiv was tut, das zeigen Studien, wird obendrein noch glücklicher.
Autorin: Marion Schmickler, ARD-Studio New York
Stand: 03.12.2023 22:19 Uhr
Kommentare