Mo., 03.04.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
USA: Euphorie oder Ernüchterung? Unterwegs in Trump-Land
Matt Seely bekommt so viele Anrufe wie schon lange nicht mehr. Seine Firma stellt Stahlhaken für die Schwerindustrie her. 25 Mitarbeiter hatte er mal. Jetzt sind es nur noch 5. Schuld sei das Freihandelsabkommen mit Mexiko. Als viele seiner Großkunden ihre Arbeitsplätze ins billigere Nachbarland verlegten, hat Seely viele Aufträge verloren – sehr viele. Dass sein Präsident solche Abkommen in Frage stellt – für ihn genau der richtige Weg. "Unser Land heißt aus gutem Grund die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir sollten uns als erstes um unsere Bürger kümmern", sagt Seely. "Wir sollten keine Handelsverträge haben, die anderen Ländern mehr nutzen als uns. Ich bin für freien Handel, aber für fairen Handel."
Aufbruchstimmung im Rostgürtel
Im politischen Washington lästern selbst Republikaner über Donald Trumps chaotischen Start. Hier im Rostgürtel von Michigan dagegen mögen sie Trumps zupackende Art. Auch Tony Zymeri. Allein schon das Versprechen, Jobs zurückzubringen, sorgt für Aufbruchstimmung. "Er ist ja erst am Anfang. Noch nicht mal 100 Tage im Amt", sagt der Metallbearbeiter. "Und sehen Sie Veränderungen?" – "Doch ja, wir merken, dass das Geschäft schon ein bisschen anzieht." Und Aufbrauchstimmung hat die Gegend rund um Seelys Firma dringend nötig. "Überall hier waren mal gut gehende kleine Firmen, alles geschlossen, alles weg", sagt er. Matt Seely traut seinem Präsidenten zu, das zu ändern. Und was ist mit all den Ungeheuerlichkeiten, Halbwahrheiten, Lügen? "Und wenn schon", sagt Seely. "Ich habe schon einen Seelsorger, das muss nicht mein Präsident übernehmen. Und ich habe auch schon Vorbilder. Mein Präsident soll einfach ein Macher sein."
Hoffen auf langfristige Errungenschaften
In einer kleinen Kneipe treffen wir Matts Sohn Antony, Student und Trump-Wähler. Er sagt, die Republikaner im Kongress hätten den Präsidenten bei der Gesundheitsreform im Stich gelassen. Der Student wünscht sich, dass Trump es schafft, sich über Parteigrenzen hinwegzusetzen. "Wenn wir zu dem Punkt kommen, wo alle zusammenarbeiten, dann können wir vielleicht etwas erreichen, was nicht nur für Demokraten oder Republikaner gut ist, sondern etwas was bleibt und nicht nur für die vier oder acht Jahre einer Präsidentschaft", sagt der Student.
Allein die Hoffnung kurbelt die Umsätze an
Fast 600 km weiter südöstlich am Rande des Rostgürtels der USA liegt Johnstown, Pennsylvania. Das Gautier Stahlwerk. Jackie Kulback ist hier Finanz- und Personalchefin. Die Stahlwalze ist von 1940. Fast schon ein Museumsstück. 3000 Arbeiter haben hier mal Stahl gewalzt. Inzwischen sind es gerade mal 100. Präsident Obama habe die Schwerindustrie wie einen Feind behandelt, sagen sie hier. Mit Trump hoffen sie auf weniger Regulierung und allein die Hoffnung darauf scheint den Umsatz schon anzukurbeln. Auch in den rostigen, viel zu großen Hallen dieses Stahlwerks. Sie nennen es einen Trump Bump. Einen Trump-Aufschwung. "Es kommen mehr Aufträge rein", sagt Jackie Kulback. "Auch bei unseren Zulieferern merken wir das. Normalerweise mussten wir vier Wochen Vorlauf für Nachschub einplanen. Jetzt haben die Lieferzeiten von zwei Monaten. Das ist doch aufregend."
Erst Obama gewählt, dann Trump
Sogar über Neueinstellungen denken sie hier schon nach. Doug Stauksi steuert seit elf Jahren die Stahlwalze. Er hat erst Obama gewählt, nun Trump. Im Großen und Ganzen ist er zufrieden mit dem schillernden neuen Mann im Weißen Haus. Trotz des holprigen Starts. "Dass er ein Dealmaker ist, schadet ihm manchmal, weil er dann dabei auch Prinzipien über Bord wirft", sagt der Stahlarbeiter. "Manchmal weiß ich nicht, welche Prinzipien er hat." – "Sie wissen nicht welche Prinzipien er hat?" – "Nein, wahrscheinlich hat er gar keine, sondern macht, was für ihn funktioniert." Doug und seine Kollegen sind Feuer und Flamme für Trumps Dekret für weniger Klimaschutz.
"USA haben genug für Klimaschutz getan"
Plötzlich draußen vor der Halle ein Zug – vollbeladen mit Kohle. "Das habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen", freut sich Jackie. "Dafür haben die Leute Donald Trump hier in West-Pennsylvania gewählt. Ich glaube ehrlich gesagt, dass die USA genug für die Umwelt und den Klimaschutz getan haben. Jetzt ist es Zeit, dass Länder wie China ihren Beitrag leisten." In Johnstown hoffen sie auf neue Jobs. Egal ob das irgendwelche Experten in Washington für realistisch halten oder nicht.
Als Hinterwäldler beschimpft, weil sie für Trump waren
Jackie hat ein paar Freunde von den Kreisverbänden der Republikaner eingeladen. Sie finden es gut, dass Donald Trump sich das Washingtoner Establishment vorknöpft, auch das der Republikaner. Manche hier sind zweieinhalb Stunden gefahren, um der Reporterin aus der Hauptstadt die Meinung zu sagen. "Die Mainstream-Medien und neidische Republikaner, dazu die Leute, die ihn aus sicher guten Gründen nicht mögen – sie alle bekämpfen Donald Trump mit Händen und Füßen. Das ist frustrierend", sagt die ehemalige Lehrerin Elizabeth Hower. Arnold McClure ist ehemaliger Zeitungsverleger und Rinderzüchter. Er erzählt, sie bekämen jetzt Droh-und Schmähbriefe aus Kalifornien. In denen sie als ungebildete Hinterwäldler beschimpft werden, weil sie Trump gewählt haben: "Wir sind Journalisten, Lehrer, Geschäftsleute und wir stehen hinter Trump – wir sind keine ungebildeten Dummköpfe. Wir sind auch Amerika, der arbeitende Teil Amerikas. Glauben wir, dass Trump perfekt ist? Nein! Ist er manchmal arrogant? Ja. Redet er auch dummes Zeug? Ja, aber er bringt so einen erfrischenden Wind in dieses Amt."
"Make America great again", mahnt ein altes Wahlplakat am Ortseingang. Verzweiflung, Versprechen, Vertrauen – auf Trump.
Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Washington
Stand: 14.07.2019 11:13 Uhr
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