Mo., 20.03.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
USA: Der Klimajunge
Im Schatten der Rocky Mountains liegt ein Schatz unter der Erde: Riesige Mengen Öl und Erdgas. Fracking boomt. Auch deshalb ist Colorado eine Hochburg des Protests gegen die Umweltpolitik von Präsident Trump.
"Die Erde ist unsere Mutter, wir werden nicht noch eine haben", singen diese jungen Demonstranten. Ihr Anführer ist selbst erst 16 Jahre alt. Aber Xiuhtezcatl Martinez ist schon jetzt ein Star in Amerikas Umweltbewegung. Und die erfährt in diesen Tagen großen Zulauf.
Als Aktivist geboren
"Wir kämpfen für die Dinge, an die wir glauben. Diese Demo zeigt, wie die nächsten Jahre aussehen werden. Die Unterdrückung durch die Trump-Regierung werden wir uns nicht gefallen lassen", sagt Xiuhtezcatl. Heute führt Xiuhtezcatl einen Protestzug gegen Fracking an, das Präsident Trump verstärkt fördern will. Vor dem Kapitol von Colorados Landeshauptstadt Denver ruft er den Politikern seine Botschaft zu.
"Sie versagen bei ihrem Job. Sie schützen nicht unsere Sicherheit und Gesundheit. Sie erlauben Fracking-Unternehmen, in den Gärten der Leute zu bohren, in der Nähe von Schulen und Krankenhäusern. Dabei schaden sie den Bürgern von Colorado. Wir sind hier um zu sagen: Schluss damit."
Xiutezcatl wurde gewissermaßen schon als Aktivist geboren. Seine Mutter Tamara hat vor 25 Jahren die Organisation Erdenwächter gegründet, deren Aushängeschild ihr Sohn heute ist. Xiutezcatls Vater ist Azteke. Ihm verdankt der Junge seinen exotischen Namen. Auch diese Wurzeln haben zu seinem Werdegang beigetragen.
"Er ist mit aztekischen Traditionen aufgewachsen und ist deshalb zutiefst mit der Erde verbunden. Ich erinnere mich noch, wie er als kleiner Junge durch den Wald lief und man konnte diese tiefe Verbundenheit fühlen. Wir haben als Familie auch immer viel darüber gesprochen, was man für die Erde tun kann. Es war wohl diese Kombination", meint Tamara Roske-Martinez, Mutter von Xiutezcatl.
Und diese Kombination hat Xiutezcatl schon weit gebracht. Über den Klimawandel hat er sogar schon vor den Vereinten Nationen gesprochen – als jüngster Redner aller Zeiten. Und da war er schon ein alter Hase. Seinen ersten Auftritt als Aktivist hatte er mit sechs Jahren. "Ich bin noch zu jung um zu wählen, aber ich möchte etwas verändern."
Ein Star wird geboren. Xiutezcatl ist überall im Land für die gute Sache unterwegs und findet eine eigene Sprache: Den Rap.
Nicht nur mit Musik und Worten kämpft Xiuhtezcatl für die Umwelt, sondern auch mit Paragrafen. Er hat die US-Regierung verklagt, weil sie gegen sein verfassungsmäßiges Recht auf Leben und Freiheit verstoße. Denn der Staat unternehme nicht genug gegen den Klimawandel.
An 55.000 Stellen wird in Colorado gefrackt
21 weitere Jugendliche haben sich der Klage angeschlossen. Heute steht eine Anhörung vor dem Berufungsgericht an. Im Gerichtssaal sind Kameras verboten. Mehr als eine Stunde bleibt diese Tür verschlossen. Aber direkt nach der Verhandlung verrät Xiuhtezcatl uns, wie er die Richter erlebt hat. "Den Richtern geht es nicht um die Geschichten der betroffenen Kinder. Es geht ihnen nicht um Gesichter, nicht um den menschlichen Faktor. Ihnen geht es nur um juristische Dokumente und Gutachten."
Xiuhtezcatl nimmt uns mit auf eine Tour durch Colorado. Er will uns zeigen, welche Risiken Fracking mit sich bringt. An 55.000 Stellen wird in Colorado gefrackt. Hier mitten in einem Wohngebiet und sogar direkt neben einem Kinderspielplatz.
"Es hätte nicht nur schlimme Folgen, wenn diese Anlage hier explodieren würde. Jedes Haus hier in der Nähe ist schon jetzt betroffen, wegen der ganzen Chemikalien, die in die Luft gepustet werden. Jedes Kind, das hier spielt, atmet das ein. Auch jetzt ist jeder unserer Atemzüge gefüllt mit krebserregenden, flüchtigen Kohlenwasserstoffen", sagt er.
Gefahren von Fracking sind in Wissenschaft umstritten
Oft an Xiuhtezcatls Seite ist Shane, sein Freund und Mentor. Dieses Schild besagt, dass das Bohrloch Wasser produziert hat.
"Das ist eine schicke Beschreibung für flüssigen, giftigen Abfall. Es soll klingen, als sei das ok. Doch dann kommt ein Lkw vorbei, saugt das giftige Wasser ab und pumpt es irgendwo anders wieder in den Boden", meint Shane Davis.
Die Gefahren von Fracking sind in der Wissenschaft umstritten. Es ist ein regelrechter Glaubenskrieg entbrannt. Allerdings konnten die Aktivisten schon manche Schlacht für sich entscheiden: In fünf Gemeinden von Colorado wurde Fracking bereits verboten, weil es Xiutezcatl gelang, Bürger und Stadträte zu überzeugen.
"Was Xiutezcatl zu einem guten Krieger macht? Wahrheit und absolute Entschlossenheit, denn er weiß, dass er für einen Zweck kämpft, der größer ist, als er selbst. Er kämpft für die Fußstapfen seiner Vorfahren und für die nächste Generation", findet Shane.
Und die nächste Generation wartet schon auf der anderen Seite des Vorhangs.
Xiuhtezcatl und seine Schwester Isa sind der Höhepunkt bei diesem Workshop für Jugendliche, die sich sozial engagieren möchten. In seinen Texten ruft er zum Kampf gegen Umweltverschmutzung und Energieverschwendung auf.
"Obwohl ich jung bin, kann ich die Welt verändern. Wir sind die Zukunft. Wir sind positiv. Wir können uns für das engagieren, was richtig ist", sagt Amanda Ruybal, Teilnehmerin.
"Er ist in meinem Alter, er ist 16 und geht trotzdem schon da raus und macht das, woran er glaubt. Das ist wirklich cool", findet Stella Hindman, Teilnehmerin.
Zur Belohnung gibt es eine Zugabe. Natürlich den Anti-Fracking Rap.
Autor: Jan Philipp Burgard / ARD Studio Washington
Stand: 14.07.2019 04:27 Uhr
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