So., 10.07.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
USA: Das Gespenst Trump bei den Vorwahlen
In den USA finden in den einzelnen Bundesstaaten derzeit die Vorwahlen für die Zwischenwahlen zum Kongress und Teilen des Senats statt. Bei den Republikanern in Wyoming geben die Anhänger von Ex-Präsident Trump den Ton an.
Wettstreit bei den Republikanern um die Kandidatur
Wyoming. Hohe Berge, ein Rest Wilder Westen, konservativstes Amerika. Wer hier für die Republikanische Partei ins Rennen geht, der gewinnt auch. Vor knapp sechs Jahren war das Liz Cheney. Jetzt könnte sie gegen Harriet Hageman verlieren, Donald Trumps Kandidatin. Martin Kimmet ist der Vorsitzende der Republikanischen Partei im Park County. Für diese Gedenkveranstaltung in Cody hat er auch die Abgeordneten aus Washington eingeladen. Alle haben zugesagt – alle, bis auf Cheney. "Unser County war das erste, das für die Absetzung von Liz Cheney aus den Parteiämtern gekämpft hat – weil sie das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump unterstützte. Wir fanden das nicht richtig." So wie Martin denken hier die meisten: Cheney, eine Verräterin. Weil sie sich gegen Trump stellt und dessen Lüge von der gestohlenen Wahl.
Ganz anders: Harriet Hageman. Sie ist an diesem Tag nach Cody gekommen. Hageman wird von Trump unterstützt – ihr Sieg wäre auch einer für ihn. "Keine Frage: Donald Trumps Empfehlung ist sehr wichtig hier in Wyoming. Trump war großartig für Amerika. Viele Staatschefs in der Welt vermissen ihn vermutlich gerade bei dem, was in Europa passiert." Wenige Meter weiter in der Innenstadt von Cody: Parade zum Nationalfeiertag. Rot-weiß-blauer Patriotismus, wohin man blickt. Amerikaner sind stolz auf ihr Land. Und viele hier sind überzeugt, dass es unter Trump besonders gut dastand.
Vorwahlen als Stimmungstest für Donald Trump
Mack Frost, der die Parade vom Balkon aus kommentiert, ist eine Ausnahme. Auch er: Republikaner sein Leben lang. Aber die Fixierung auf Trump alarmiert ihn. "Unsere Partei wird in große Schwierigkeiten geraten, wenn sie Trump weiter unterstützt. Alles, was aus seinem Mund kommt, sind Lügen und wirklich dumme Verschwörungstheorien. Der Mann ist wahnsinnig, wenn sie mich fragen. Und wahrscheinlich wird jetzt jemand auf mich schießen, weil ich das sage."
Sich zum Feind machen in der eigenen Partei – das kennt auch Liz Cheney. In den Anhörungen zum 6. Januar hat sie die Rolle einer Art Chefanklägerin gegen Trump übernommen. An ihre Partei gerichtet, findet sie klare Worte: "Als Republikaner müssen wir uns entscheiden. Weil wir nicht gleichzeitig loyal sein können zu Donald Trump und loyal zur Verfassung", so Liz Cheney, republikanische Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus im Ende Juni 2022. Harriet Hageman hingegen setzt voll auf die Trump-Karte. Und überall im Land gehen Bewerber mit Trumps Unterstützung in republikanische Vorwahlrennen. Wie gut sie abschneiden – das gilt auch als Stimmungstest für Trump.
In Washington beobachtet Gunner Ramer die Vorwahlen der Republikaner. Auch er ein Republikaner. Teil einer Organisation, die die Partei vor Trump retten will. Doch was er bei den bisherigen Vorwahl-Rennen sieht, deprimiert ihn. "Überall im Land, auf allen politischen Ebenen treten Trump-ähnliche Kandidaten an. Und das Problem ist: sie gewinnen. Wenn die Mehrheit der republikanischen Kandidaten die Lüge von der gestohlenen Wahl teilt, dann zeigt das: Trumps Macht in der Partei ist keinen Deut schwächer geworden." Aus Gunners Sicht ist das eine Gefahr für die Demokratie.
Trump-Kritiker sind in der Minderheit
Zurück in Cody, Wyoming. Der Ort nennt sich selbst "Rodeo Hauptstadt der Welt" – das "Codey Stampede" lockt Besucher aus dem ganzen Land. Mack Frost, der Mann, der am Morgen die Parade kommentierte, verkauft hier Programmhefte. Er liebt Rodeo, den amerikanischen Patriotismus – und seine republikanische Partei. "Die republikanische Partei hat sich komplett verändert. Sie war einmal die Partei, die für gute Wirtschaftspolitik stand, für gutes Regieren, die Verfassung. Und jetzt ist es: ich, ich, ich, Donald Trump. Wirklich traurig!" Mack fühlt sich zunehmend entfremdet – und in der Minderheit.
Auch Martin Kimmet, den lokalen Republikaner-Chef, treffen wir noch einmal. Fürs Rodeo hat er keine Zeit, muss sich um seine Rinder kümmern. Auch er sagt: die Partei hat sich verändert – aber zum Besseren! Und weit über Trump hinaus. "Trump wird nicht ewig bleiben. Wir müssen uns auf die Werte konzentrieren. Trump ist ein Anführer, so wie ich hier in meinem County. Ich werde auch nicht ewig bleiben. Aber ich hoffe, dass die Werte, die wir erkämpft haben, bleiben werden." Dennoch möchte Martin, dass Trump noch einmal antritt. Und wenn die Vorwahlen für dessen Kandidaten weiterhin so gut laufen, wie bisher, ist das wohl auch sehr wahrscheinlich.
Autorin: Kerstin Klein, ARD-Studio Washington
Stand: 11.07.2022 09:24 Uhr
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