So., 18.10.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Wahl 2020 – Wie tickt Tennessee?
Melancholie in Memphis. Kaum Touristen. Wegen Corona spielen Mac Truck und seine Band vor kleinem Publikum. Sie leben nur von Trinkgeldern, jeder Dollar ist hart erarbeitet. Mac sorgt sich nicht nur um seine Existenz, sondern um Amerika insgesamt. Wegen all des politischen Streits klinge das Land gerade wie ein schräg gesungenes Lied. Mit seiner Musik will er das ändern.
"Ich liebe den Blues so sehr, weil er immer schon eine großartige, vereinigende Wirkung hatte. Auch früher war die Welt schon mal gespalten. Doch der Blues hat alles und jeden zusammengebracht", erzählt Mac Truck.
Memphis musikalische Geschichte
Memphis ist nicht nur die Heimat des Blues, sondern gilt auch als Geburtsort des Rock 'n' Roll. Hier im legendären Sun Studio nahm Elvis Presley seinen ersten Song auf. Sein Anwesen "Graceland“ ist bis heute eine Pilgerstätte für Fans. An Elvis Grab trauert mancher Besucher den guten alten Zeiten hinterher. Präsident Trump werde Amerika wieder so großartig machen wie zu Elvis Zeiten, ist das Ehepaar Jenkins überzeugt. Weil ihnen ihre Heimat Kalifornien zu linksliberal geworden ist, wollen sie hierher ins konservative Tennessee ziehen, wo Trump viele Unterstützer hat.
"Ich glaube, er macht einen sehr guten Job. Er hat viele seiner Versprechen eingelöst. Mehr als andere Präsidenten in der Vergangenheit. Mit seiner Politik stimme ich zu hundert Prozent überein", sagt Alan Jenkins.
Dagegen hält Graceland-Besucherin Carla Robinson Präsident Trump für einen Rassisten: "Es werden immer noch Afro-Amerikaner unterdrückt. Dabei hätte es nie einen Elvis Presley gegeben ohne schwarze Musik, ohne schwarze Menschen. Elvis Musik würde nicht existieren. Aber wir kriegen nicht die Anerkennung dafür, die wir verdienen. Wir werden insgesamt nicht gleich behandelt."
Gegenwart und Geschichte des Rassismus in den USA sind in Memphis besonders präsent. Auf diesem Balkon des Lorraine Motels stand der Bürgerrechtler Martin Luther King, als er 1968 erschossen wurde. Heute befindet sich in dem Gebäude ein Museum. Jaqueline Smith hat im Lorraine Motel gearbeitet. Als es geschlossen wurde, landete sie auf der Straße. Seit 32 Jahren kampiert sie hier jeden Tag, um zu protestieren. Statt Millionen in eine Touristenattraktion zu stecken, hätte man hier ein Gemeindezentrum einrichten können, findet Jaqueline.
"Das Vermächtnis von Dr. King sollte sein, der Menschlichkeit zu dienen, wie er es getan hat. Das Motel sollte Obdachlosen Essen und Kleidung geben und ein Dach über dem Kopf", so Jaqueline Smith. Außerdem sei dieses Viertel, in dem einst Martin Luther King wirkte, für Schwarze inzwischen unerschwinglich teuer geworden, beklagt Jaqueline.
Whiskey aus Jackson profitiert von Trump
Tatsächlich bestimmen weiße Anwohner inzwischen das Bild. Tennessee, der Bundesstaat im Süden der USA, ist ländlich geprägt und wird vom Mississippi durchquert. Unser nächstes Ziel ist die kleine Stadt Jackson, die der Countrysänger Johnny Cash in einem Song verewigte. Tennessee ist nicht nur für seine Musik bekannt, sondern auch für Whiskey. Sam Bryant lädt uns zu einer Führung durch seine Brennerei ein. Vor sechs Jahren hat Sam sich selbstständig gemacht. Als das Geschäft gerade endlich Gewinn abwarf, traf ihn die Corona-Krise. Veranstaltungen finden hier seit Monaten nicht mehr statt. Deshalb hofft Sam, dass Trump die Wahl gewinnt und die Wirtschaft wieder ankurbelt.
"Trump hat viele Regulierungen beseitigt. Das hat uns sehr geholfen und unsere Steuerlast reduziert. Falls er verliert, steigen die Steuern wieder. Ich schätze, dass ich bis zu 1800 Dollar pro Monat mehr zahlen müsste. Dieses Geld kann ich dann nicht in die Firma investieren oder in Angestellte", erzählt Sam Bryant.
Meghan Stoval ist glücklich, hier einen Arbeitsplatz gefunden zu haben. Denn wegen der Corona-Krise hatte sie ihren Job als Kellnerin verloren. Wählen gehen wird sie nicht. Denn sie hält beide Kandidaten nicht für fit genug, um das Land zu regieren. "Ich glaube, dass Trump verrückt ist, wenn ich sehe, was er twittert. Biden ist aber auch nicht ganz dabei. In vielen Interviews scheint er die Fakten nicht zu kennen oder weiß nicht, worüber er redet. Trump aber auch nicht. Du musst doch wissen, worüber du sprichst", sagt Meghan Stoval.
Hier wird der Whiskey produziert. Sam erzählt, dass viele seiner Kunden gerade von Zukunftsängsten geplagt werden. Aber manchmal könnten seine Spirituosen eine heilsame Wirkung entfalten, ist der Unternehmer überzeugt: "Whiskey ist ein gesellschaftliches Schmieröl. Whisky kann zwar Böses anrichten, wenn man ihn missbraucht. Aber er kann auch großartiges bewirken, die Menschen zusammen bringen und ihnen schöne Erlebnisse bescheren."
Nashville ist nächster Austragungsort des TV-Duells
Schöne Erlebnisse verspricht auch Nashville, die Welthauptstadt der Country-Musik. Erst vor kurzem haben die unzähligen Bars und Clubs hier wieder eröffnet. Corona scheint fast schon wieder vergessen. Die Abstandsregeln werden nicht immer eingehalten. "6 Feet apart“ – "ein Meter achtzig auseinander“ heißt dieser Song. Shane Chisholm hat ihn selbst geschrieben. Wie klingt das Corona geplagte Land so kurz vor der Wahl in seinen Ohren?
"Amerika klingt für mich gespalten. Und einige Leute treiben diese Spaltung voran. Mir geht es um Einigung. Ich hoffe, dass wir alle wieder zusammenkommen. Doch diese bevorstehende Wahl macht alle nervös. Ich kann das fühlen", erzählt der Songwriter, Shane Chisholm.
Die Nervosität könnte noch größer werden. Denn ausgerechnet hier in Nashville wollen Trump und Biden diesen Donnerstag in ihrem letzten TV-Duell gegeneinander antreten. Shane wird sich das nicht ansehen. Er träumt lieber in seinem Song davon, mit seiner Freundin zu tanzen. Aber eben mit sechs Fuß Abstand.
Autor: Jan Philipp Burgard/ARD Studio Washington
Stand: 18.10.2020 21:40 Uhr
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