So., 18.10.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Bolivien: Der Kampf ums weiße Gold
Dies ist ein Wirtschaftskrimi. Thema: das weiße Gold. Es geht um den Abbau von Lithium im großen Stil in Bolivien, bei dem Deutschland den Zuschlag bekommen hatte. Ein Jahrhundert-Deal. Die Mächtigen der Branche in den USA und China waren leer ausgegangen. Doch plötzlich steht alles wieder auf der Kippe.
Der Schatz im Salzsee
Auf 3.600 Metern schlummert in Boliviens Salzsee von Uyuni ein gewaltiger Lithium-Schatz. Das Leichtmetall ist der Rohstoff für die Elektromobilität. "Am Lithium-Boom wollen wir beteiligt werden. Alle Gemeinden rund um diesen Salzsee und alle Bolivianer müssen vom Lithium-Schatz profitieren, der in dieser Salzkruste enthalten ist", sagt Pánfilo Huayllas.
Pánfilo ist der Bürgermeister von Rio Grande, einem 2.000-Einwohner-Nest am Rand des Salzsees und mitten im Lithium-Dreieck von Südamerika, an der Grenze zu Argentinien und Chile, wo der Großteil der weltweiten Reserven liegt. Anders als seine Nachbarn steht Bolivien noch am Anfang des Lithiumabbaus. Experten vermuten hier 21 Millionen Tonnen des Leichtmetalls. Das entspricht 30 % der weltweiten Vorkommen.
Deutschland als Partner
Darauf hatte sich Deutschland den Zugriff gesichert. 2018: Jubel in Berlin. Deutschland und Bolivien einigen sich auf eine gemeinsame Industrialisierung von Lithium. Nicht Tesla oder China sondern ACI Systems, ein Mittelständler aus Baden-Württemberg, erhält den Zuschlag. Mit einem nachhaltigen Konzept, bei dem erstmals Lithium ressourcenschonend aus der Restsohle gewonnen werden soll.
Pánfilo und seine Gemeinde sind für die Lithium-Industrialisierung mit Hilfe der Deutschen. Doch sie fühlen sich nicht mitgenommen und fordern finanzielle Entschädigungen. "Wir Anwohner müssen an den Profiten beteiligt werden. Denn die Auswirkungen der Lithium-Industrialisierung werden wir hier in unserer Gemeinde Rio Grande spüren", so Pánfilo Huayllas.
Noch hat das Projekt nicht Fahrt aufgenommen. Das spüren sie hier in Rio Grande, wo Pánfilo und seine Nachbarn bereits dutzende LKW gekauft haben, um bei der Industrialisierung zu helfen. "Wir nutzen diese LKW für das Ausheben der Becken für die Lithiumproduktion. Wie ihr seht, stehen sie still, weil die gesamte Operation stillsteht", erzählt Pánfilo Huayllas.
Doch kein Deal
Vor einem Jahr formierte sich plötzlich Protest gegen das Projekt mit Deutschland. Bürgerkomitees lehnten es rundweg ab. Kurz darauf, im Zuge umstrittener Präsidentschaftswahlen, brach Gewalt aus. Mitten in diesem Chaos annullierte Boliviens Regierung den Vertrag mit den Deutschen.
Einer der Gegner des Projekts misstraut den Deutschen und dem Deal generell. "Hinter unserem Rücken wollen sie unseren Rohstoff abbauen. Mit einem Vertrag über 70 Jahre. Die Deutschen mögen ein guter Partner sein, aber sie besitzen weder die finanziellen Mittel noch die Technologie", sagt Luís Machaca, Präsident des Bürgerkomitees Uyunis.
Die Gegner seien schlichtweg falsch informiert, entgegnet der Ökonom Hianny Romero, der das Projekt mit den Deutschen aus der Taufe gehoben hatte. "Unser Projekt droht leider politischen Spielchen zum Opfer zu fallen. Dabei ist dies das einzige weltweit, wo die Lithium-Industrialisierung und die Batterieproduktion hier vor Ort geschehen soll", so Hianny Romero.
Die Wahl entscheidet über das Lithium
Heute wird in Bolivien gewählt. Der linke Präsidentschaftskandidat, Luis Arce, will am Vertrag mit den Deutschen festhalten. "Wir wollen vorankommen und das Projekt mit der deutschen Firma weitertreiben. Die Vorbehalte, die es in der Bevölkerung gibt, bezüglich der Gewinnbeteiligung der Anwohner, können wir in direkten Gesprächen lösen", sagt Luís Acre.
Sein konservativer Gegenspieler, Carlos Mesa, hält sich alle Optionen offen: "Wir müssen uns den Vertrag mit den Deutschen genau anschauen, auch unter juristischen Gesichtspunkten. Bevor ich eine Entscheidung treffe, müssen alle Details ans Licht kommen."
Die kommenden Wochen entscheiden über Wohl und Wehe von Deutschlands Lithium-Jahrhundert-Deal. Pánfilo Huayllas, der Bürgermeister, setzt weiter auf die Deutschen. Doch vor einem möglichen Lithiumabbau, brauche es Umweltzusagen. Gerade was den Wasserverbrauch angeht. "Es müssen alternative Wege gefunden werden, wie zukünftig die Lithiumfabrik mit Wasser versorgt wird. Wenn sie ausschließlich unseren Brunnen anzapfen, ruinieren wir die Zukunft unserer Kinder", sagt Pánfilo Huayllas.
Die einzige Trinkwasserquelle von Rio Grande dürfe nicht versiegen, wenn nebenan der Abbau beginnt, sagt Pánfilo. Deutschland muss nun viel Überzeugungsarbeit leisten. In Gemeinden wie Rio Grande und auf höchster politischer Ebene. Nur so kann die Bundesrepublik diesen Wirtschaftskrimi um das weiße Gold doch noch für sich entscheiden.
Autor: Matthias Ebert/ARD Studio Rio de Janeiro
Stand: 19.10.2020 12:30 Uhr
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