So., 08.11.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Nach der Wahl: Wie reagieren militante Trump-Anhänger?
Vor den Wahlen stand die Angst vor einem bewaffneten Bürgerkrieg im Raum. Bei einer Trump-Niederlage könnten rechte Gruppen zu den Waffen greifen. Wie denken sie jetzt über den Ausgang der Wahlen.
Nie ohne Waffe nach draußen
Ohne Waffe geht Travis Fillmore nie nach draußen. Doch statt Pistole trägt er in diesen Tagen ein halbautomatisches Gewehr. Travis will zeigen, dass er in Trumps Amerika die Freiheit hat, auch so eine Waffe offen zu tragen. In Phoenix, Arizona, demonstriert er mit anderen Fans des Präsidenten gegen mutmaßlichen Wahlbetrug.
Der ehemalige Soldat ist hier nicht der einzige mit Waffen. "In der Menge sind ein paar Mitglieder von Milizen", sagt Travis. "Sie wollen für Sicherheit sorgen. Die Polizei kann sich nicht um alles kümmern. Sie sind auf den Gebäuden und haben sich verteilt. Aber ich kann keinen Polizisten in meiner Tasche herumtragen, wenn ich ihn brauche. Ich schütze mich lieber selbst, hab alles bereit, statt nach der Polizei zu rufen, wenn ich sie brauche. Dann wäre ich längst angeschossen."
Travis steht hinter Donald Trump. Zu 90 Prozent, sagt er. Nicht alles sei gut, aber Trump schütze das Recht auf Waffen. Biden dagegen wolle sie den Menschen wegnehmen. Er selbst gehöre keiner Miliz an, aber der Mann, der mit Schießtraining sein Geld verdient, geht davon aus, dass die Zahl dieser bewaffneten Gruppen zunimmt.
Die bewaffneten Gruppen sind auf alles vorbereitet
Am Abend begegnen wir einer solchen Gruppe. Einige ebenfalls schwer bewaffnet. Sie wollen anonym bleiben. Er nennt sich Frighttrain. "Ich trage das hier nicht herum, um cool zu sein, oder weil es Spaß macht, 9 Kilo Ausrüstung zu schleppen. Ich trage es, weil unser Land auf Werten aufgebaut wurde." Und die sieht er immer mehr in Gefahr, mit seinen Männern will er seine patriotische Pflicht erfüllen, das Land zu schützen. Es gehe nicht um Soldatenspiele. "Meine Leute sind über Arizona und das ganze Land verteilt. Wohl ein paar Hundert. Und es gibt noch viel mehr, die ähnlich denken. Menschen, die sich keiner Gruppe angeschlossen haben. Aber wenn die Welt auseinanderfallen würde und es Chaos gäbe, dann würden sie sich zusammenschließen. Ich wollte meine Gruppe als erster bilden. Nur ein paar Leute, nicht wirklich organisiert, aber ich kann ihnen vertrauen."
Plötzlich taucht Alex Jones auf. Er ist bekannt dafür, Menschen aufzustacheln, mit rechtsgerichteten Parolen und Verschwörungstheorien. "Kommunisten dürfen nicht die Kontrolle über diese Republik übernehmen", meint Alex Jones von der Internetplattform "Infowars". "Wir wissen nicht, wie das endet, aber wenn Sie einen Kampf haben wollen, dann bekommen sie den." Auch die Gruppe um Frighttrain bejubelt Jones. Sie betonen, dass sie keine Konfrontation wollen, keine Gewalt. Aber es könnte einen Punkt geben, an dem sie glauben, sich verteidigen zu müssen. "Wir sind auf alles vorbereitet, egal was passiert. Diese Nation ist jetzt gerade an einem Wendepunkt. Es kann in jede Richtung gehen."
Anhänger von Trump glauben an Wahlbetrug
Travis Fillmore ist abends auch immer vor Ort. Hier trifft er auf die anderen. Dass ihre martialische Aufmachung vielen Angst macht, versteht er nicht. "Manche wollen Waffen haben, manche nicht. Das ist ihr Recht. Ich will heute kein rotes T-Shirt tragen. Ich trag ein blaues. Sie dürfen tragen, was sie wollen. Auch eine Waffe." Seit einem Jahr betreibt Travis eine private Sicherheitsfirma. Schießtraining ist ihm wichtig. Das sei befreiend, sagt er. Auch wenn er selbst nicht bei Milizen mitmacht, kennt er sie doch. Und unterstützt sie. Sie hätten doch nur das Beste für die Menschen im Sinn. Ihre Freiheit. "Eines könnte einen Bürgerkrieg auslösen, wenn sie uns unsere Waffen wegnehmen wollen. Dann werden sie nicht mit Umarmungen und Küssen kommen, sondern mit ihren Waffen. Und ich werde mich verteidigen." Einen Tag nachdem er das gesagt hat, wird Joe Biden zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt.
Der demokratische Senator Martin Quezada glaubt, dass die bewaffneten Milizen nicht unterschätzt werden dürfen. Ihre Stimmung sei aufgeladen. "Donald Trump war die Galionsfigur dieser Bewegung. Aber es gab sie schon früher. Und sie wird auch noch lange nach Trump existieren. Ohne ihr Aushängeschild könnten lokale Größen die Führung der bewaffneten Gruppen übernehmen. Das ist beängstigend. Das müssen wir im Blick behalten und stoppen."
Die Anhänger von Donald Trump in Phoenix, Arizona, demonstrieren weiter. Sie glauben, auch jetzt noch fest daran, dass ihrem Helden die Wahl geraubt wurde. Aber das sei kein Grund für Gewalt. "Wir müssen uns damit abfinden", sagt Travis Fillmore, "wenn er tatsächlich ins Amt kommt und uns auf die Zunge beißen. Aber noch ist es ja nicht offiziell. Das ist es erst am 20. Januar. Trump kann aufgeben oder sein Amt behalten, mit Hilfe des Obersten Gerichtshof." Maulhelden oder doch eine Gefahr? Es wird viel auf die nächsten Tage ankommen. Und darauf, wie gut der neue Präsident sein Versprechen an alle Amerikaner wahr machen kann: Eine gespaltene Nation wieder zu einen.
Autorin: Claudia Buckenmaier, ARD-Studio Washington
Stand: 09.11.2020 11:18 Uhr
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