So., 08.11.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Lettland: Corona-Test am Automaten
Die Infizierten-Zahlen steigen und damit auch der Bedarf an Tests. Schon jetzt kommen die Labore an ihre Kapazitätsgrenzen. Didzis Gavars hat sich da etwas ausgedacht. Pragmatisch, lettisch: Ein Roboterarm reicht dem Probanden eine Schachtel ins Freie mit dem Testzubehör.
Den Abstrich macht der Proband selbst und der Automat nimmt ihn dann zurück. So wird keiner der Gefahr einer Ansteckung ausgesetzt. Die Automaten will Gavars im ganzen Land aufstellen. Den Anfang hat in dieser Woche Riga gemacht.
Die erste vollautomatische Corona-Test-Automat
Weltpremiere in Riga. In nur 40 Tagen von der Idee bis zum Prototypen. Dieser Kasten, der wie eine Mischung aus Verkehrsblitzer und Getränkeautomat aussieht, ist der ganze Stolz von Didzis Gavars. Es ist seine erste vollautomatische Corona-Testmaschine. "Ein großes Problem für alle Labore und Krankenhäuser sind doch heute die ganzen Kontakte mit potentiellen Infektionsquellen. Und genau deshalb ist es so wichtig, alle möglichen Situationen auszuschließen, in denen man in Berührung mit einer infizierten Person kommen kann." Gavars kennt sich aus. Er betreibt eines der größten Labore in Riga.
Wer sich online vorab registriert soll sich in Zukunft an seinem Automaten rund um die Uhr sein Corona-Test-Kit abholen können. "Hier in dieser Kiste befindet sich alles, was man für einen ganz regulären Speicheltest benötigt. Eine genaue Anleitung. Eine infektionsgeschützte Plastiktüte, ein verschließbares Röhrchen für die Speichelprobe. Mit all dem kann ich zuhause in aller Ruhe einen Test machen, danach alles zurück in die Tüte stecken und die Box anschließend wieder hierher zurückbringen." Gavars arbeitet seit April an den Speicheltests. 20 Tausend Proben hat er schon analysiert. Die Genauigkeit werde immer besser. Für ein Screening der Bevölkerung seien die Tests also durchaus geeignet. Krisen machen erfinderisch, sagen die Letten. Als eines der ersten Länder in Europa hatten sie im Frühjahr eine Corona-App am Start.
Digitaler Unterricht ab Klasse 7
Und auch beim digitalen Unterricht ist Lettland vorn. Klar, Daiga Sķēle, Lehrerin am deutschen Gymnasium in Riga, hätte ihre Schüler auch lieber um sich. Aber noch gilt ab Klasse 7 Fernunterricht. In Lettland nutzt man gängige Plattformen wie Zoom, Facebook oder YouTube. Man müsse eben pragmatisch sein. "Also was meine Schule angeht, muss ich schon sagen, dass das Homeschooling sehr gut funktioniert. Eines ist uns dabei sehr wichtig. Wir machen regelmäßig Umfragen unter den Schülern, damit wir wissen wie es Ihnen geht, wie wir ihnen besser helfen können. Wir nehmen die Ratschläge der Schüler sehr ernst und wir passen uns an." Nur über eine Sache ärgert sich Daiga. In den meisten Unterrichtsstunden schaut sie auf ihrem Bildschirm statt in freundliche Gesichter auf schwarze Rechtecke. Der Grund: die Schüler schalten ihre Kamera nicht ein.
Karlis ist einer von ihnen. Er geht in die zehnte Klasse und findet auch, dass es gut funktioniere mit dem digitalen Lernen. Aber naja, die Sache mit den schwarzen Quadraten, die habe sich irgendwie eingeschlichen. "Auch ich schalte meine Webcam normalerweise aus. Ich mache sie erst an, wenn die Lehrerin uns ausdrücklich darum bittet. Sonst nicht. Ich fühle mich irgendwie freier ohne Kamera. Wenn ich ständig gefilmt werde, dann werde ich unruhig." Dass aber seine Lehrerin die ganze Stunde über zu sehen ist, das findet Karlis aber völlig in Ordnung.
Corona-Test-Automat mit Anlaufschwierigkeiten
Zurück vor dem Labor in Riga. Tüftler Didzis Gavars zeigt nun, wie nach erfolgreicher Speichelentnahme die Box zurück in den Automaten gesteckt wird. Noch wartet er auf die endgültige Zulassung seiner Maschine durch die Gesundheitsbehörde, hat aber schon große Pläne. "Damit jeder Bewohner Lettlands in maximal 10 bis 15 Kilometer den nächsten Automaten erreichen kann, brauchen wir im ganzen Land rund 100 Stück. Erst dann können wir die Bedürfnisse aller Menschen im ganzen Land wirklich erfüllen." Obwohl die meisten seiner Mitarbeiter das Gerät heute zum ersten Mal sehen, denkt Gavars schon an Zukunftsmärkte im Ausland. Doch ganz am Ende der Weltpremiere bleibt der Roboterarm stehen. Gavars wirkt unzufrieden. Der Apparat muss nun erst einmal zurück in die Werkstatt. Doch Didzis Gavars beruhigt: Das seien nur Kinderkrankheiten: "Das bekommen wir schon noch hin"
Autor: Christian Stichler, ARD-Studio Stockholm
Stand: 09.11.2020 11:17 Uhr
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