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USA: Wahlkampfthema Abtreibung

PlayDemonstranten für und gegen die legale Abtreibung protestieren mit Schildern und Plakaten
USA: Wahlkampfthema Abtreibung | Bild: SWR

Ihr zweites Kind habe wegen eines seltenen Gendefekts kaum Überlebenschancen – diese Einschätzung ihrer Ärzte zieht Kaitlyn Kash den Boden unter den Füßen weg. Die Frage nach einer medizinisch begründeten Abtreibung aber stellte sich trotzdem nicht, denn die wäre in ihrem Heimatstaat Texas in auch in diesem Fall verboten. Der Bundesstaat hat eines der striktesten Abtreibungsgesetze der USA. Eine weitere Schwangerschaft bringt sie in Lebensgefahr – auch das hätten die Ärzte in einem anderen Bundesstaat verhindern können. Mit ihrer Geschichte steht Kaitlyn Kash im Auge des politischen Sturms, der um das Thema Abtreibung tobt. Das Recht auf Abtreibung könnte das Thema sein, das den Ex-Präsidenten Trump und die Republikaner entscheidende Stimmen kostet – gerade gegen die Demokratin Kamala Harris. Und das versetzt einige Republikaner in Aufruhr.

Zur Abtreibung in einen anderen Bundesstaat

"Wir trauen Frauen zu, über ihren eigenen Körper zu entscheiden", so Kamala Harris, Vizepräsidentin der USA. "Sie will Abtreibungen im 8. und 9. Schwangerschaftsmonat erlauben", so Donald Trump, ehemaliger US-Präsident. Für Kaitlyn Kash ist klar, auf welcher Seite sie steht. Diese Ultraschallbilder sind einige der wenigen Erinnerungsstücke, die ihr von ihrem zweiten Kind geblieben sind. "Was man hier sieht, ist, dass dieser Arm auch mit 13 Wochen noch nicht richtig ausgebildet ist. Seine Knochen – möglicherweise schon in der Gebärmutter gebrochen. Ersticken bei der Geburt. Lebenslang im Krankenhaus. Mir wurde klar, dass ich so etwas für mein Kind nicht wollte."

Ultraschall-Bilder auf Smartphone
Als Erinnerung bleiben nur Ultraschall-Bilder | Bild: SWR

Das Problem: Sie lebt in Texas, einem der Bundesstaaten, der schon – bevor das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt wurde – eines der schärfsten Abtreibungsgesetze der USA hatte. Ihren wachsenden Bauch zu sehen, habe sie ihrem ersten Kind nicht antun wollen. Deshalb entschied sie sich, in einen anderen Bundesstaat zu fliegen, in dem Abtreibungen erlaubt sind. "Ich wollte trauern. Stattdessen musste ich Planungen machen wie für einen Familienurlaub – einen schrecklichen Urlaub. Ich musste mich mit den Abtreibungsgesetzen der einzelnen Bundesstaaten auseinandersetzen. Herausfinden, wohin es billige Flüge gab. Wo buchen wir ein Hotel? Müssen wir ein Auto mieten? Wie lange müssen wir bleiben?"

Folgen des Abtreibungsverbotes

Es ist nicht ihr einziges traumatisches Erlebnis: Eine weitere Schwangerschaft endet in einer Fehlgeburt. Eine Apotheke will ihr verschriebene Medikamente nicht geben – weil diese auch für Abtreibungen genutzt werden können. Als sie schließlich mit Tochter Collins schwanger wird, scheint ihr Glück perfekt. Ziemlich genau ein Jahr ist die Geburt des Mädchens jetzt her. Doch auch daran erinnert sich Kaitlyn mit gemischten Gefühlen. Bei der Geburt wäre sie fast verblutet – die Plazenta löste sich nicht, erzählt sie später einer Sozialarbeiterin. "Als ich ihr davon erzählte, sagte sie: 'Klar war das kompliziert. Wir machen keine Ausschabungen mehr.' In diesem Moment wurde mir klar, dass es wieder das Abtreibungsgesetz war. Und dieses Mal hätte es mich fast umgebracht."

Frau hält Baby in die Luft
Kaitlyn Kash kämpft für das Recht auf Abtreibung | Bild: SWR

Dieser Stapel Papier fasst ihre Geschichte zusammen. Es sind ihre Krankenakten – und für sie Beleg dafür, dass es nicht ausschließlich um Abtreibungen geht, sondern die USA durch Abtreibungsverbote in eine Gesundheitskrise gerutscht sind. Kaitlyn ist mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen. Sie ist Demokratin und spricht ehrenamtlich auf Veranstaltungen der Partei über das Erlebte. "Ich habe große Angst vor November. Als Donald Trump das letzte Mal im Weißen Haus war, hat er die Supreme Court-Richter ernannt, die das Abtreibungsrecht gekippt haben."

Republikaner wollen das Thema Abtreibung vermeiden

"Wir werden Trumps extreme Abtreibungsverbote stoppen", so Kamala Harris. Solche Aussagen von hält Gilda für ein verzweifeltes Ablenkungsmanöver im Wahlkampf. Auch sie lebt in Texas und engagiert sich mit ihrer Freundin Michelle – allerdings für die Republikaner. "Abtreibung ist das einzige Thema, mit dem die Demokraten punkten können. Ansonsten ist alles, was sie machen, ein totaler Reinfall." "Right to Win" – das Recht zu gewinnen, steht auf Michelles Schärpe und ist der Name ihrer neu gegründeten Organisation.

Zwei Frauen beugen sich über Karte auf einem Tisch
Gilda und Michell engagieren sich für die Republikaner  | Bild: SWR

Dass die Demokraten Abtreibung zum Wahlkampfthema machen und damit die Chancen der Republikaner auf einen Wahlsieg sinken könnten, ärgert die beiden. Verantwortlich dafür: ihre eigene Partei, sagen sie. Die sei gekapert worden von denen, die Abtreibungen überall in den USA verbieten wollen. "Niemand kann sich zurücklehnen und zuschauen. Eine kleine Gruppe sehr motivierter, religiöser Leute hat die Partei geschickt infiltriert und von der Basis her übernommen". Gilda und Michelle planen die Revolution von innen. Mit diesen Karten ihres Landkreises. Wofür genau die eingezeichneten Farben stehen wollen sie nicht verraten. "Wir sollten mit ihm mal Kaffee trinken." Nur so viel: Sie wollen auf lokaler Ebene Republikaner motivieren, sich ihrem Anliegen anzuschließen, Abtreibung als Thema im Wahlkampf möglichst zu vermeiden.

"Mein Ziel ist, dass wir die Wahl gewinnen", sagt die Republikanerin Michelle Bouchard. "Das Land ist in einer schwierigen Lage. Es ist in Gefahr. Wir haben ernste Probleme – zum Beispiel die schreckliche Inflation." Das eint sie mit Kaitlyn: Die Sorge um ihr Land und wohin es nach der Wahl im November politisch gehen wird. Das Thema Abtreibung wird das Land weiter beschäftigen – besonders mit Kamala Harris als möglicher Präsidentschaftskandidatin. Ein Thema ihres neuen Kampagnenvideos: "The Freedom to make decisions about your own body." Die Freiheit von Frauen über ihren eigenen Körper zu entscheiden.

Autorin: Sarah Schmidt, ARD-Studio Washington

Stand: 29.07.2024 10:37 Uhr

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