Mo., 14.05.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Venezuela: Vor der Wahl
Am 20. Mai will Präsident Maduro wieder gewählt werden. Die Opposition macht gegen ihn mobil. Angesichts einer schlechten Versorgungslage und der politischen Situation eine hoch brisante Mischung. Wir begleiten die Wahlkämpfer.
Maribel ist aufgeregt. "So bin ich immer, das Warten macht mich nervös." Endlich. Nach einer Woche, das Wiedersehen mit ihren zwei Töchtern. "Mami liebt dich sehr", sagt Maribel zu ihrer Tochter. "Warum gehen wir nicht zu Dir nach Hause?", fragt diese. Maribel hat ihre Kinder in das Heim einer Stiftung abgegeben, weil sie nichts mehr zum Leben hat. "Das war sehr schmerzhaft. Ich habe nur geweint und konnte nicht schlafen. Überhaupt nicht." Nach einer Stunde Glück geht der Weg zurück. Zurück in ein verfallenes, einst leerstehendes Gebäude. Das sie jetzt mit hundert anderen bezogen hat. "Ich bin froh zu wissen, dass es den Mädchen gut geht. Sie haben alles, drei Mal am Tag Essen, Schule. Hier ist das Bett in dem ich schlafe. Das ist mein Bereich und hier ist die Küche. Es gibt Wasser im Kühlschrank und Eis." Maribels karger Lohn hat in der Krise allen Wert verloren. Und so verlor sie ihr Haus und ihre Kinder.
Bürgerreporter machen die Not öffentlich
In den Staatsmedien wird von der Not nicht berichtet. Und darum greifen Bürger wie Miguel Sanchez zu ihrer Handykamera. "Die Zensur ist hier sehr raffiniert" sagt der Bürgerreporter Miguel Sanchez. "Wir haben so viele Sender hier, aber sie erfüllen ihre Hauptaufgabe nicht." Im Viertel fehlt das wohl wichtigste Grundnahrungsmittel: "Wir haben kein Leitungswasser!", sagt eine Frau. "Wenn es überhaupt mal Wasser gibt, kommt es nicht zu uns hoch." Nachbarn haben zusammengelegt, um wenigstens etwas Wasser zu bekommen. "Das muss alles da hoch: Wasser, Gas, alles muss diese Stufen hoch", sagt Miguel Sanchez. Seit mehr als vier Monaten kommt hier kein Wasser mehr an. Das bringt Hygieneprobleme. Seit mehr als 60 Jahren wohnt die Rentnerin hier: "Ich will hier weg, ich will einfach weg." Das bisschen Wasser, das sie hat, teilt sie auch noch. Das Video wird Miguel gleich im Internet hochladen, die Not öffentlich machen.
Im Süden der Stadt herrscht eine andere Sicht der Dinge. Neue Wohntürme ragen in den Himmel, gebaut vom Staat für Arme. Der Beweis für Militza Aponte: der Staat kümmert sich um sein Volk, die Bedürftigen. "Hier leben 98% Chavisten und ein Minimum Opposition." Der Sozialismus helfe den Armen – nicht den Reichen. "Sie hat einen Rollstuhl bekommen". Warum leiden dann aber gerade die Armen? "Das ist ein Wirtschaftskrieg angeführt von den USA." Der Kapitalismus wolle den Sozialismus ersticken. "Das übergeben wir monatlich", erklärt Militza Aponte. "Mehl, Zucker, Nudeln, Öl. Das ist eine Hilfe, damit wir den Krieg überstehen."
Unterstützung für den Präsidenten
"Ohne Präsident Maduro wäre das Land zusammengebrochen", meint die Anwohnerin Lila Toro. "Man hat ihn so sehr angegriffen. Ich hätte an seiner Stelle hätte längst aufgegeben. Er nicht. Warum? Weil ihm das Volk wichtig ist, weil er sich mit den Armen identifiziert." Wer diese Hilfe hier bekommt, wird ihm treu sein am 20. Mai? "Das hoffen wir! Ja." Echte Venezolaner seien treue Soldaten. "So grüßen wir hier aus Venezuela: Mit der Bibel von Chavez, seinem Vermächtnis in diesem großartigen Buch und unserer Fahne ganz oben!", sagt Militza Aponte.
Aus allen Winkeln der Stadt jedoch trifft man auf Wut – Wut auf den Präsidenten: "Wir stehen hier um Essen zu kaufen, weil wir sonst vor Hunger sterben." "Schau mich, an wie dürr ich bin!" "Die gesamte Regierung muss weg!" "Dann musst du wählen gehen. Ja, wir wissen, dass man uns unsere Stimme klauen wird, aber nutz wenigstens dein Recht." "Ich glaube nicht an dieses Wahlsystem, die Wahlleitung ist bestochen, die Stimmen sind längst gekauft." Maribel fürchtet, der Sozialismus funktioniere nicht mehr so recht. Andrerseits, wenn sie auch eine Wohnung bekommen könnte, dann würde sie sofort Maduro wählen. Dann könnte sie mit ihren Kindern leben.
Stand: 03.08.2019 11:17 Uhr
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