So., 23.06.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Frankreich - Mit der Tour aus der Tristesse
Es liegt etwas in der Luft in Frankreich.
Etwas Großes – etwas, dass niemanden kalt lässt.
Es ist Sommer, Zeit für die Tour de France.
Zeit zu Durchatmen – mitten in der Wirtschaftskrise.
Auch diese fünf Pariser können den Start nächste Woche kaum noch abwarten: Jean-Luc und seine Freunde. Beruflich machen sie die verschiedensten Dinge – Biologe, Weinhändler, Personalmanager – doch mit dem Rennrad durch die Alpen – das gehört für sie alle zum französischen Lebensgefühl.
Schon als Kind, erzählen sie mir, sauge man den Mythos Tour de France in sich auf. Wenn ganz Frankreich vor dem Fernseher sitzt, Sportler bestaunt – und vielleicht noch wichtiger: die Schönheit des eigenen Landes.
Und Didier sagt
Stark und selbstbewusst sein – Dinge, so finden sie, die auch das kriselnde Frankreich wieder lernen muss.
Denn zu bieten hat Frankreich eine Menge: wunderbare Landschaften, die höchsten Berge Europas, eine große Vielfalt der Regionen – all das zeigt die Tour wie auf einer Postkarte.
Und hier wird das Spektakel gemacht: Ein Großraumbüro in Paris. Christian Prudhomme ist der Tourdirektor. Er weiß – in diesem Jahr der Krise braucht Frankreich Ablenkung
Zumindest am Start gilt das sogar für die Fahrer. In ganz Frankreich laufen derzeit Amateurrennen. Doch für die Profis wird es hart - die 100. Tour de France soll besonders spektakulär werden. Selbst das Motorrad kommt das ins Stocken – vom Reporter auf dem Rennrad ganz zu schweigen. Gleich zwei Mal geht es dieses Jahr den mörderischen Anstieg hier nach Alpe d´Huez hinauf.
Unterwegs treffe ich unsere Pariser: O la la – wir haben erst die Hälfte. Selbst die Radsportfans erzählen mir unterwegs: Diese Streckenführung stachele förmlich an – zu dopen. Ich schaffe es nach oben – aber frage mich, ob immer mehr Quälerei wirklich sein muss – für eine noch spektakulärere Tour.
Jean-Pierre de Mondenard macht sich darüber keine Illusionen mehr. Der Mediziner war einst selbst Arzt bei der Tour de France. Doping sagt er, werde dort stillschweigend geduldet. Auch wenn öffentlich das Gegenteil behauptet werde.
Aber das Problem wirklich anzugehen – das traue sich die französische Politik nicht. Nicht mal jetzt, nach dem Fall Lance Armstrong.
Doch so lange die Tour de France solche Bilder produziert, wird sich wohl wenig ändern. Ein globales Event, das Frankreich Gewicht gibt – und nebenbei, so sagt der Sporthistoriker Claude Boli – so manchem angeschlagenen Präsidenten geholfen hat. Selten war das nötiger als bei Francois Hollande.
Die 100. Tour – eine hochpolitische Angelegenheit.
So Leute, jetzt noch da hoch. Für die fünf Freunde aus Paris geht der Ausflug in die Alpen zu ende. Sie strampeln aus eigener Kraft – ohne Hilfsmittel. Vorm Doping bei der richtigen Tour verschließen sie bewusst die Augen – Probleme und Sorgen haben sie im Alltag schon genug.
Am Ende sitzen wir alle vor dem Fernsehen, es wird ein Fest. Und das ganze mit einem schönen Fläschchen Wein. Das vor allem.
Autor: Markus Preiß, ARD Studio Paris
Stand: 15.04.2014 11:18 Uhr
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