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Brasilien - Europäer im Slum

Auf der Suche nach dem Glück

Brasilien - Europäer im Slum | Bild: Das Erste

Sie sind aus der Krise zuhause geflüchtet und in Brasilien in einem Armenviertel angekommen. Wie viele andere Südeuropäer auch.

Marco und Lluis, zwei Spanier aus Barcelona und Granada, die sich hier kennengelernt und in der Favela ein neues Zuhause gefunden haben. Beide sind ziemlich happy mit ihrem neuen Leben.

»Was will ich mehr, die Favela ist sehr gut, nah am Strand, zur Arbeit ist es nicht weit. Im Gegensatz zu den normalen Stadtvierteln in Rio kann ich mir hier eine Wohnung leisten.«

»Es kommen immer mehr Spanier. Wir zwei haben uns hier kennengelernt über einen anderen Landsmann, der schon länger hier lebt. Die Favelas ziehen immer mehr Südeuropäer an.«

Mit Michael Stocks in der Paella Küche.
Mit Michael Stocks in der Paella Küche.

Paella, spanisches Nationalgericht! Was in Spanien schmeckt, soll dem Katalanen in Rio de Janeiro eine neue Lebensperspektive bringen. Die sah der gelernte Koch angesichts von Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit in seiner Heimat nicht mehr. Deswegen hatte sich der 33-jährige aufgemacht, mit nichts außer Hoffnung, Idealismus und einem Kochrezept.

»
Ich kam nach Brasilien mit dem Ziel ein Restaurant zu eröffnen. Aber als ich ankam, merkte ich, das wird schwierig, weil hier alles so teuer ist. Viel teurer als in Spanien. Aber hier gibt es Perspektiven. Schon vier Monate nach Restauranteröffnung konnte ich absehen, es läuft gut!«

Lluis Rodon kam nach Brasilien mit dem Ziel, ein Restaurant zu eröffnen.
Lluis Rodon kam nach Brasilien mit dem Ziel, ein Restaurant zu eröffnen.

Vidigal heißt diese Favela, beste Hanglage mit Meerblick. Nicht weit von den teuren Stadtvierteln entfernt.

Hier lieferten sich noch bis vor zwei, drei Jahren Banden oft blutige Machtkämpfe. Unvorstellbar, dass sich hier Ausländer einquartieren würden.

Doch Vidigal hat sich verändert.

Marco fühlt sich hier inzwischen zuhause. Er hat im oberen Teil der Favela eine Wohnung gefunden und ist schon ziemlich bekannt.

Der 27-jährige hat letztes Jahr den Schritt nach Brasilien gewagt und ihn nicht bereut. Obwohl die Umstände hier erst einmal eher abschrecken.

In Granada hatte der studierte Anthropologe eine große, komfortable Wohnung, für die er weniger bezahlen musste, als jetzt im brasilianischen Armenviertel. Hier kostet die 50 Quadratmeter Wohnung monatlich umgerechnet satte 500 Euro. Der Immobilienmarkt boomt auch hier.

Ipanema, Copacabana, die Stadtviertel, die träumen lassen, sind für die meisten unbezahlbar geworden.

»Viel verändert sich in Rio. Es stehen große Ereignisse an. Die Preise explodieren. In Leblon und Copacabana können sich selbst Europäer aus der Mittelklasse keine Wohnung mehr leisten.«

In Vidigal dreht Marco Garcia gerade eine Dokumentation über Manoel, der in der Favela einen kleinen Ökopark einrichtet.
In Vidigal dreht Marco Garcia gerade eine Dokumentation über Manoel, der in der Favela einen kleinen Ökopark einrichtet.

Marco hatte in Spanien als Kameramann gearbeitet aber es gab kaum noch Aufträge. Jetzt läuft es besser.

In Vidigal dreht er gerade eine Dokumentation über Manoel, der in der Favela einen kleinen Ökopark einrichtet. So will der seine Nachbarschaft sensibilisieren. Für mehr Respekt für die Natur.

Doch bislang interessieren sich eher nur Ausländer dafür- Touristen und die, die sich hier niedergelassen haben.

»Ich bin mir sicher, wenn sich die Ausländer hier richtig einbringen und unsere Kommune nicht nur als billigen Wohnraum nutzen, sondern hier auch investieren, dann würde sich Vidigal automatisch zu einem excellenten Ort entwickeln.«

Vidigal verändert sich bereits. Seit zwei Jahren ist die Favela von der Befriedungspolizei besetzt, wie 30 weitere Armenviertel in Rio auch. So soll Rio bis zur Fußball WM sicherer werden.

„226 Polizisten sind nun in Vidigal stationiert“, erklärt mir stolz der zuständige Kommandant.

Fabio Pereira , Kommandant Befriedungspolizei UPP Vidigal:

»Alle 12 Stunden haben wir Schichtwechsel. Rund um die Uhr gewährleisten wir hier einen hohen Sicherheitsstandard.«

Kriminalität und Drogengeschäfte sind deutlich zurückgegangen. Die Lebensqualität hat sich verbessert. Marco, die anderen Zugezogenen und Alteingesessenen fühlen sich richtig wohl.

An die Patrouillen schwerbewaffneter Polizisten haben sich alle gewöhnt.

»Ich glaube nicht, dass ich hier wohnen würde, wenn die Polizei nicht für die Sicherheit in der Favela sorgen würde.«

Brasilien ist im Umbruch. Im Land gärt es gewaltig. Und Marco erklärt mir, dass die Menschen Recht haben.

Seit Wochen vergeht fast kein Tag ohne Demonstrationen im Land, Proteste gegen das festgefahrene System. Die schlechte Bildung, das marode Gesundheitswesen. Die bisherigen Zugeständnisse reichen längst nicht aus.

»Die Reaktionen der Regierung bringen bislang noch keine Lösung. Die Korruption in Brasilien ist schon fast kulturell. Die Brasilianer wollen, dass sich was verändert, aber das wird wohl noch viel Zeit brauchen.«

Aufbruchsstimmung in dem südamerikanischen Land, auch in einigen Favelas.

Die Zuwanderer aus Südeuropa haben Anschluss gefunden.

»Es gibt viele Vorurteile. Manche bessersituierte Brasilianer fragen mich, wie kannst Du nur in einer Favela leben!? Die haben keine Ahnung. Ich bin mir sicher, die meisten von denen waren noch nie in einer Favela.«

Das Restaurant von Lluis liegt übrigens nicht in einer Favela, sondern im Zentrum von Rio. Da gibt es einfach mehr Kundschaft.

»Ich bin sehr stolz und sehr glücklich. Ich bin froh hier zu sein. Ich glaube, ich bleibe für immer.«

Die Krise in der Heimat ist weit. Lluis hat eine neue Existenz. Dank seines Mutes und der Leckereien aus der Heimat.

Autor: Michael Stocks

ARD Studio Südamerika

Stand: 15.04.2014 11:03 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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