So., 28.07.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Brasilien - Europäer im Slum
Auf der Suche nach dem Glück
Sie sind aus der Krise zuhause geflüchtet und in Brasilien in einem Armenviertel angekommen. Wie viele andere Südeuropäer auch.
Marco und Lluis, zwei Spanier aus Barcelona und Granada, die sich hier kennengelernt und in der Favela ein neues Zuhause gefunden haben. Beide sind ziemlich happy mit ihrem neuen Leben.
Paella, spanisches Nationalgericht! Was in Spanien schmeckt, soll dem Katalanen in Rio de Janeiro eine neue Lebensperspektive bringen. Die sah der gelernte Koch angesichts von Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit in seiner Heimat nicht mehr. Deswegen hatte sich der 33-jährige aufgemacht, mit nichts außer Hoffnung, Idealismus und einem Kochrezept.
Vidigal heißt diese Favela, beste Hanglage mit Meerblick. Nicht weit von den teuren Stadtvierteln entfernt.
Hier lieferten sich noch bis vor zwei, drei Jahren Banden oft blutige Machtkämpfe. Unvorstellbar, dass sich hier Ausländer einquartieren würden.
Doch Vidigal hat sich verändert.
Marco fühlt sich hier inzwischen zuhause. Er hat im oberen Teil der Favela eine Wohnung gefunden und ist schon ziemlich bekannt.
Der 27-jährige hat letztes Jahr den Schritt nach Brasilien gewagt und ihn nicht bereut. Obwohl die Umstände hier erst einmal eher abschrecken.
In Granada hatte der studierte Anthropologe eine große, komfortable Wohnung, für die er weniger bezahlen musste, als jetzt im brasilianischen Armenviertel. Hier kostet die 50 Quadratmeter Wohnung monatlich umgerechnet satte 500 Euro. Der Immobilienmarkt boomt auch hier.
Ipanema, Copacabana, die Stadtviertel, die träumen lassen, sind für die meisten unbezahlbar geworden.
Marco hatte in Spanien als Kameramann gearbeitet aber es gab kaum noch Aufträge. Jetzt läuft es besser.
In Vidigal dreht er gerade eine Dokumentation über Manoel, der in der Favela einen kleinen Ökopark einrichtet. So will der seine Nachbarschaft sensibilisieren. Für mehr Respekt für die Natur.
Doch bislang interessieren sich eher nur Ausländer dafür- Touristen und die, die sich hier niedergelassen haben.
Vidigal verändert sich bereits. Seit zwei Jahren ist die Favela von der Befriedungspolizei besetzt, wie 30 weitere Armenviertel in Rio auch. So soll Rio bis zur Fußball WM sicherer werden.
„226 Polizisten sind nun in Vidigal stationiert“, erklärt mir stolz der zuständige Kommandant.
Fabio Pereira , Kommandant Befriedungspolizei UPP Vidigal:
Kriminalität und Drogengeschäfte sind deutlich zurückgegangen. Die Lebensqualität hat sich verbessert. Marco, die anderen Zugezogenen und Alteingesessenen fühlen sich richtig wohl.
An die Patrouillen schwerbewaffneter Polizisten haben sich alle gewöhnt.
Brasilien ist im Umbruch. Im Land gärt es gewaltig. Und Marco erklärt mir, dass die Menschen Recht haben.
Seit Wochen vergeht fast kein Tag ohne Demonstrationen im Land, Proteste gegen das festgefahrene System. Die schlechte Bildung, das marode Gesundheitswesen. Die bisherigen Zugeständnisse reichen längst nicht aus.
Aufbruchsstimmung in dem südamerikanischen Land, auch in einigen Favelas.
Die Zuwanderer aus Südeuropa haben Anschluss gefunden.
Das Restaurant von Lluis liegt übrigens nicht in einer Favela, sondern im Zentrum von Rio. Da gibt es einfach mehr Kundschaft.
Die Krise in der Heimat ist weit. Lluis hat eine neue Existenz. Dank seines Mutes und der Leckereien aus der Heimat.
Autor: Michael Stocks
ARD Studio Südamerika
Stand: 15.04.2014 11:03 Uhr
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