So., 01.09.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Frankreich: Kampf gegen Glibbermonster
Eroberungszug durch Menschen
Sie sind schön, unheimlich schön – und sie kommen millionenfach.
Wir Menschen ahnen noch nicht, wie sehr sie unsere Welt verändern.
Die Invasion der Quallen – manche versuchen sie auszusperren – andere meinen: Es hilft nur aufessen.
Fabien Lombard beobachtet die Tiere seit Jahren: Blumen aus dem Weltall – so beschreibt sie der Ozeanforscher aus dem französischen Villefranche-sur-Mer. Ohne Knochen, ohne Gehirn – und doch unaufhaltsam auf dem Vormarsch.
Fabien Lombard, Meeresbiologe Villefrance sur Mer
Zuerst gemerkt hat man das hier: Das Baden im Mittelmeer ist längst kein ganz unbeschwertes Vergnügen mehr. Pelagia noctiluca, die Leucht – oder Feuerqualle ließ sich früher alle paar Jahre blicken – heute ist sie mit ihren unsichtbaren Tentakeln ein dauerhaftes Ärgernis.
Eine Barriere, genau. Im französischen Cannes stellt man sich dauerhaft auf Quallen ein. Wie bei einer Ölpest schwimmt ein gelber Schlauch vor dem Strand. Ein Anti-Quallen-Netz soll die Tiere fern – und damit die Touristen in der Stadt halten. Montage, Reinigung – viele zehntausend Euro lässt sich Cannes das Netz gegen die schmerzenden Glibbertiere jedes Jahr kosten.
Fabien Lombard kann darüber nur lächeln. Auf seinen Kontrollfahrten sieht er, wie die Quallenbestände jedes Jahr zunehmen. Eine Invasion, so sagt er, die wir selbst herbeigeführt haben – nicht nur durch Klimawandel, sondern vor allem durch zu viel Fischfang.
Fabien Lombard, Meeresbiologe Villefrance sur Mer
Doch genau jene Fischer könnten bei der Lösung des Quallenproblems helfen. Der Kutter von Gilbert Dubiosi wirkt groß – doch ein kleiner Eimer Fische ist alles, was er heute an Land bringt. Ein Baracuda, ein Barsch, ein paar Klippfische. Quallen sagt er, seien immer im Netz – aber die werfe er zurück ins Meer.
Gilbert Dubiosi, Fischer in Cannes
Die Frage ist, ob sich das ändern muss. Statt Netze gegen Quallen empfahl die Welternährungsorganisation kürzlich: Netze für Quallen.
Die Glibbertiere, so sagen Experten bräuchten schnell wieder einen Feind in der Nahrungskette: Was sie damit meinen: Wir Menschen sollen Quallen essen.
Fabien Lombard, Meeresbiologe Villefrance sur Mer
Quallen zum Abendessen? In diesem chinesischen Restaurant in Paris werden sie schon serviert. Voila: Qualle frisch vom Markt – ein bisschen wie dicke Kohlblätter.
Zhang Zhe,Restaurant „Les Pates vivantes“
Die Zubereitung ist keine Hexerei, versichert uns Herr Wie-Chang, der Koch. Einfach kleinschneiden. Wichtig sei: Qualle isst man mit Gurke, jedenfalls in China. Dazu Ingwer, und Sojasauße. Schön angerichtet eigentlich genau das, was gesundheitsbewusste Pariserinnen suchen: Viel Eiweiß, wenig Fett. Der Quallen-Salat auf chinesische Art. Etwa 30 Mal am Tag wird der hier bestellt.
Zhang Zhe, Restaurant „La Patte vivante“
Eine Bewertung, die auch der Reporter nur bestätigen kann: Nicht glibberig, sondern knackig ist die Qualle, wie eine dünne Karottenscheibe. Und das Ganze mit einem herrlichen Meeresgeschmack.
Doch ist essen die Lösung – für die Invasion der Quallen? Muss der Mensch zum Raubtier werden – dieser schaurig-schönen Tiere? Eine interessante Perspektive auf jeden Fall: Was da täglich an Frankreichs Stränden angespült wird, wäre dann nicht mehr glibberiger Müll – sondern frische, natürliche Lebensmittel.
Autor: Markus Preiß, ARD Studio Paris
Stand: 15.04.2014 11:06 Uhr
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