So., 01.09.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Libanon: Flucht vor den Bomben
Der Imam führt uns durch seine zerstörte Moschee. Vor einer Woche explodierte hier eine Bombe. Dort oben hab ich gestanden, sagt Bilal Barudi, und musste zusehen, wie 22 Menschen starben und mehr als dreihundert verletzt wurden, während ich gepredigt habe. Auf seinem Handy zeigt er mir das Ausmaß des Anschlags.
"So hat die Moschee vorher ausgesehen", sagt er.
Der Imam selbst hatte Glück. Ein Splitter traf ihn in die Brust. Weil er seinen Kugelschreiber eingesteckt hatte, hat er überlebt.
Die Wucht der Explosion war so groß, dass selbst Autos auf der anderen Straßenseite zerstört wurden. Gleichzeitig fand in Tripoli ein weiterer Bombenanschlag statt, auch dort war eine Moschee das Ziel. An der Friedensmoschee klebt das Blut noch an den Mauern. Bis in zehn Meter Höhe. Jetzt bauen die Sunniten ihre Moschee wieder auf. Aber der Zorn auf die Täter bleibt
Bilal Barudi, Imam Friedensmoschee Tripoli
Woher kommt dieser Hass zwischen den Glaubensgemeinschaften?
Wir fahren durch Tripoli, sind auf dem Weg in die Syria-Street, die gefährlichste Straße der Stadt. Gestern wurde hier noch geschossen. Heute scheint es ruhiger, es sind Menschen auf der Straße.
Die Syria-Street teilt Tripoli. Unten leben die Sunniten, oben die schiitischen Alawiten. Beide Seiten bekriegen sich mit allen Mitteln. Die Menschen versuchen, den Scharfschützen kein Ziel zu bieten, verhängen ganze Gassen mit Tüchern.
Wir fahren die Frontlinie eines Stellvertreterkrieges entlang. Alawitische Minderheit, in Tripoli sind es 50.000 gegen eine Mehrheit von 500.000 Sunniten. Syrien im Kleinen. Der gleich Hass, die gleiche Unversönlichkeit.
Oben im Alawiten-Viertel. Überall Bilder von Assad, dem Syrer. Ali Fodda zeigt uns das neue Büro seiner Partei, der Arabischen Demokratischen Bewegung. Gesponsert vom syrischen Regime. Hier kommen die Computer hin, dort die Küche hin, das ist der küftige Konferenzraum. Ali Fodda hat noch viel vor in Tripolis.
Ali Fodda, Arabische Demokratische Bewegung
Syrien im Kleinen. Trotzdem, es gibt auch gute Nachrichten im Libanon. Eine Klinik nur für syrische Flüchtlinge. Betrieben von Hilfsorganisationen. Die Behandlungen sind kostenlos. Die Ärzte arbeiten unentgeltlich. Maher al Kashef etwa ist Kinderarzt, er ist selbst geflohen, war in seiner Heimat des Landesverrates beschuldigt worden, weil er verletzte Demonstarnten behandelt hatte. Bei diesem Mädchen geht es um lebensgefährlichen Durchfall.
Maher Al Kashef, Chefarzt Al Bashaer Society Klinik
Denn die syrischen Flüchtlinge müssen für sich selbst sorgen. Offizielle Lager gibt es im Libanon nicht. Und so leben viele in Camps wie diesem. Ohne fließendes Wasser, ohne Toiletten. Und ohne Perspektive. Bis zu zwei Millionen sollen es sein in einem Land mit viereinhalb Millionen Einwohnern.
Einem Land, das selbst zerrissen ist von Glaubens-Konflikten. Und in dem es schon ein Hoffnungszeichen ist, wenn vor der sunnitischen Friedensmoschee eine Blumenfahne liegt. Als Zeichen der Anteilnahme. Geschaffen von libanesischen Christen.
Autor: Stefan Maier, ARD Studio Kairo
Stand: 15.04.2014 11:06 Uhr
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