So., 31.05.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
Nepal: Leben für den Berg
Wir fliegen weit hoch in den Himalaya. Vorbei am Mount Everest. Unser Ziel ist Thame. Das Dorf, wo die meisten Sherpas leben. Viele waren gerade oben auf dem Weg zum Gipfel des Everest. Als die Erde bebte. Auch seine beiden Söhne. Ang Tshering Sherpa war selbst einmal auf dem Everest. Auf dem Rückweg verlor er seine Finger. Klettern kann er seitdem nicht mehr. 60 Jahre ist er jetzt. Er hat selten geklagt. Nun aber ist sein Lachen verschwunden.
Ang Tshering Sherpa:
Zwei seiner Söhne sind Sherpas. Einer kehrte zurück aus dem Basislager. Ein anderer ist noch auf dem Weg nach unten. Hier graben sie sich jetzt durch die Erinnerungen. Durch das was das Beben von ihrem Leben übrig ließ. Aber das es einmal wird wie früher: Scheint ausgeschlossen.
Ang Tshering Sherpa:
Das einzige Gute: niemand ist gestorben. Tochter, Schwiegertochter. Enkel. Ihnen ist nichts passiert. Auch nicht den Söhnen am Everest.
Gyalgen Sherpa, Sohn:
Vor zwei Monaten brach Gyalgen, der Sohn, auf. Damals war alles in Ordnung in Thame. Auch wenn sie immer Angst haben, sobald die Saison wieder beginnt. Etwa 500 Menschen schaffen es pro Jahr auf den Everest. Es ist ein großes Geschäft geworden. Bergsteiger zahlen um die 50.000 Euro. Ein Sherpa bringt am Ende der Saison nur 4500 Euro mit nach Hause. Über Wochen klettern die Helfer hoch und runter. Sie bereiten die Wege vor. Bauen Zelte auf. Schleppen Sauerstoffflaschen und Lebensmittel. Schon vor einem Jahr erlebte Gyalgen ein Unglück. Wurde durch die Lawine über dem Basislager begraben, konnte sich befreien. 16 Sherpas starben. Auch Dorje. Es war seine zehnte Expedition zum Gipfel des Everest. Doma, seine Tochter, trauert jeden Tag.
Doma Khatri, Tochter:
Aber geht es ihr auch wirklich gut? Heute trägt sie die gesamte Verantwortung.
Doma muss stark sein. Das Reisebüro, das den Vater damals losschickte, gab ihr einen Job. Sie macht die Buchhaltung. Dabei wollte sie eigentlich studieren. Sie verdient 100 Euro im Monat. Das ist nur ein Bruchteil von dem, was der Familienvater nach Hause brachte. Doma kümmert sich um den jüngeren Bruder. Wenn sie schon nicht studieren kann, soll er wenigstens die Chance haben. Aber er hat andere Pläne.
Tshering Dorje Sherpa, Bruder von Doma:
Doma weiß, dass es schwer wird, ihn vom Klettern abzuhalten. Der Reiz, das Geld zu verdienen, ist da. Aber wenn etwas passiert? Ein paar tausend Euro gab es von der Regierung für den toten Vater. Das war alles.
Doma Khatri, Tochter:
Der alte Sherpa aus Thame sieht das ganz ähnlich. Traut dem Glück nicht mehr. Will einen Astrologen befragen, bevor er die Söhne wieder losschickt.
Ang Tshering Sherpa:
Die Familie will ihr Haus wieder aufbauen. Aber wie sollen sie das bezahlen?
Das Unglück ist ein Desaster. Auch finanziell. Die Söhne haben diesmal nur je 600 Euro verdient. Die Saison wurde abgebrochen. Keine Versicherung zahlt. Das würde sie nur im Todesfall tun. Die Sherpas werden im Stich gelassen. So war es auch direkt nach dem Beben.
Gyalgen Sherpa:
Die Sherpas aus Thame wollen trotz alledem nächstes Jahr zurück zum Everest. Es ist ihre einzige Chance, Geld zu verdienen. Und irgendwie ihre Häuser wieder aufzubauen.
Autor: Gábor Halász/ARD Studio Neu Delhi
Stand: 31.05.2015 20:35 Uhr
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