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Nepal: Leben für den Berg

Nepal: Leben für den Berg | Bild: WDR

Wir fliegen weit hoch in den Himalaya. Vorbei am Mount Everest. Unser Ziel ist Thame. Das Dorf, wo die meisten Sherpas leben. Viele waren gerade oben auf dem Weg zum Gipfel des Everest. Als die Erde bebte. Auch seine beiden Söhne. Ang Tshering Sherpa war selbst einmal auf dem Everest. Auf dem Rückweg verlor er seine Finger. Klettern kann er seitdem nicht mehr. 60 Jahre ist er jetzt. Er hat selten geklagt. Nun aber ist sein Lachen verschwunden.

Seine beiden Söhne waren im Basislager, als die Erde bebte.
Seine beiden Söhne waren im Basislager, als die Erde bebte. | Bild: WDR / WDR

Ang Tshering Sherpa:

»So etwas habe ich zum ersten Mal erlebt. Ich habe Angst. Jetzt immer noch.«

Zwei seiner Söhne sind Sherpas. Einer kehrte zurück aus dem Basislager. Ein anderer ist noch auf dem Weg nach unten. Hier graben sie sich jetzt durch die Erinnerungen. Durch das was das Beben von ihrem Leben übrig ließ. Aber das es einmal wird wie früher: Scheint ausgeschlossen.

Ang Tshering Sherpa:

»Wir können nichts tun. Wir haben nichts zu essen. Wir teilen die Reste mit Freunden. Und es wird lange dauern, alles zu aufzubauen. Ich zerbreche mir den Kopf. Aber mein Verstand funktioniert nicht.«

Das einzige Gute: niemand ist gestorben. Tochter, Schwiegertochter. Enkel. Ihnen ist nichts passiert. Auch nicht den Söhnen am Everest.

Gyalgen Sherpa, Sohn:

»Ich war im Basislager. Und dann rannten wir als die Erde bebte. Aber als ich zurückschaute sah ich die Lawine kommen. Und dann saßen wir einfach nur so da.«

Die Familie hat überlebt, aber ihr Haus liegt in Trümmern.
Die Familie hat überlebt, aber ihr Haus liegt in Trümmern. | Bild: WDR / WDR

Vor zwei Monaten brach Gyalgen, der Sohn, auf. Damals war alles in Ordnung in Thame. Auch wenn sie immer Angst haben, sobald die Saison wieder beginnt. Etwa 500 Menschen schaffen es pro Jahr auf den Everest. Es ist ein großes Geschäft geworden. Bergsteiger zahlen um die 50.000 Euro. Ein Sherpa bringt am Ende der Saison nur 4500 Euro mit nach Hause. Über Wochen klettern die Helfer hoch und runter. Sie bereiten die Wege vor. Bauen Zelte auf. Schleppen Sauerstoffflaschen und Lebensmittel. Schon vor einem Jahr erlebte Gyalgen ein Unglück. Wurde durch die Lawine über dem Basislager begraben, konnte sich befreien. 16 Sherpas starben. Auch Dorje. Es war seine zehnte Expedition zum Gipfel des Everest. Doma, seine Tochter, trauert jeden Tag.

Doma Khatri, Tochter:

»Ich bin traurig, immer wenn ich sein Bild hier sehe. Ich vermisse ihn so. Ich habe keine Worte. Ich kann nur beten für ihn, damit er weiß, dass es mir gut geht.«

Aber geht es ihr auch wirklich gut? Heute trägt sie die gesamte Verantwortung.

Doma muss stark sein. Das Reisebüro, das den Vater damals losschickte, gab ihr einen Job. Sie macht die Buchhaltung. Dabei wollte sie eigentlich studieren. Sie verdient 100 Euro im Monat. Das ist nur ein Bruchteil von dem, was der Familienvater nach Hause brachte. Doma kümmert sich um den jüngeren Bruder. Wenn sie schon nicht studieren kann, soll er wenigstens die Chance haben. Aber er hat andere Pläne.

Tshering Dorje Sherpa, Bruder von Doma:

»Ich möchte meinem Vater nachfolgen. Deswegen möchte ich auch ein Sherpa sein.Ich weiß, es ist hart und riskant. Aber der Job macht doch auch Spaß.«

Doma weiß, dass es schwer wird, ihn vom Klettern abzuhalten. Der Reiz, das Geld zu verdienen, ist da. Aber wenn etwas passiert? Ein paar tausend Euro gab es von der Regierung für den toten Vater. Das war alles.

Doma Khatri, Tochter:

»Sherpas sind nichts wert. Sie werden im Schnee geboren. Und sie sterben im Schnee.«

Der alte Sherpa aus Thame sieht das ganz ähnlich. Traut dem Glück nicht mehr. Will einen Astrologen befragen, bevor er die Söhne wieder losschickt.

Ang Tshering Sherpa:

»Heute will jeder auf den Everest. Blinde Menschen. Einarmige. Das ist einfach zu viel. Wir fordern die Natur zu sehr heraus. Deswegen ist Gott sehr böse. Deswegen passieren solche Unglücke immer wieder.«

Bis zu 50.000 Euro zahlen Bergsteiger, um auf den Mount Everest zu gelangen.
Bis zu 50.000 Euro zahlen Bergsteiger, um auf den Mount Everest zu gelangen. | Bild: WDR / WDR

Die Familie will ihr Haus wieder aufbauen. Aber wie sollen sie das bezahlen?
Das Unglück ist ein Desaster. Auch finanziell. Die Söhne haben diesmal nur je 600 Euro verdient. Die Saison wurde abgebrochen. Keine Versicherung zahlt. Das würde sie nur im Todesfall tun. Die Sherpas werden im Stich gelassen. So war es auch direkt nach dem Beben.

Gyalgen Sherpa:

»Sie haben zuerst die Ausländer gerettet. Aber da waren auch Nepalis, die Hilfe brauchten. Sie haben sich um die Ausländer gekümmert. Uns links liegen lassen.Denn die Ausländer sind zahlende Kunden. Deren Leben ist mehr wert als unseres.«

Die Sherpas aus Thame wollen trotz alledem nächstes Jahr zurück zum Everest. Es ist ihre einzige Chance, Geld zu verdienen. Und irgendwie ihre Häuser wieder aufzubauen.

Autor: Gábor Halász/ARD Studio Neu Delhi

Stand: 31.05.2015 20:35 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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