So., 24.02.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Südafrika: Spurensuche am Kap
20 Jahre danach
So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Wolken im Hochsommer, auf der Überfahrt von Kapstadt nach Robben Island, zusammen mit Touristen. Vielleicht sollte ja nichts in schönerem Licht erscheinen, bei der Reise in die Vergangenheit Südafrikas – und in meine.
20 Jahre hatte ich das vermieden. Wollte die Bilder vom Ende der Apartheid in meinem Kopf konservieren. So ein Ereignis erlebt man als Korrespondent nicht oft. Nun kehre ich zurück, und die Erinnerung - an Bilder wie diese:
27 Jahre hinter Gittern
18 von insgesamt 27 Jahren saß er hier eingekerkert: Nelson Mandela. „Die Hunde erinnern sich an Sie“, ruft ihm ein Journalist zu. Nur wenige dürfen Mandela hierher begleiten – ich bin dabei und gleich zu sehen – da rechts. Täglich 5 Uhr 30 Aufstehen, 7 Uhr Steinbruch. Alle 6 Monate 1 Besucher und 1 - zensierten - Brief. Nach alldem streckt Mandela die Hand zur Versöhnung aus. Ungebrochen. Auf dem Weg in seine Zelle, erstmals seit seiner Freilassung. Je zwei Kamerateams dürfen ihn dort filmen.
Stille. Mandela ist bis heute die beeindruckendste Persönlichkeit, der ich je begegnet bin. Ein bewegender Moment für mich. Eineinhalb Minuten geben sie uns damals. „Ich hab die Zelle gar nicht so klein empfunden wie sie mir jetzt vorkommt.“ Schon ist die Zeit um. Mir reicht das nicht. Draußen im Gefängnishof kommt mir eine Idee.
„Haben Sie im Gefängnis jemals daran geglaubt, Präsident zu werden? ... Nein, ich habe nie auch nur gewagt daran zu denken. ... Ich werde tun, was das südafrikanische Volk verlangt.“
Inzwischen ziert sein Porträt die Banknoten. Sein ehemaliger Aufseher Christo besitzt den Laden auf der Insel. Es war richtig so, sagt er. Was er nicht sagt, aber ausstrahlt: nur, regieren hätten die ja nicht gleich müssen.
"Es gibt zuviel Korruption."
20 Jahre danach sind Mandelas Weggefährten selbstkritisch. Ntoza fuhr ihn am Tag der Freilassung, ist heute Touristenführer. „Es hat sich viel verändert, aber es geht auf und ab. ... Und wir müssen uns eingestehen: es gibt zuviel Korruption.“
Kapstadt und der Tafelberg, das schönste Ende der Welt. Von hier fahre ich in die Weinberge im Hinterland. Was ist geworden aus all den Träumen und Versprechen, will ich wissen. Suche Frankie Arendse „Alles klar, Jungs? Kennt ihr Frankie Arendse, Südafrikas ersten nicht-weißen Bürgermeister vor 20 Jahren?“ Kopfschütteln. Ja, sagt er, aber wo der sei, hm. Such mal seinen Cousin, Moses mit dem Fleck. Ein paar Köter später. „Moses? Können wir reinkommen?“
„Sie und Frankie galten unter der Apartheid als Coloureds, als Farbige. Was ist aus Ihrem Cousin, dem Bürgermeister geworden?“ „Ach, der Neid, die hohen Erwartungen – die eigenen Leute haben ihn fertiggemacht. Er gab nach einem Jahr auf und zog mal da hin, dann dort. Ich weiß nicht, wo er jetzt ist“. „Ich habs damals gleich gesagt“, meint Schwägerin Carolyne, “die reichen Weißen hier haben sich gegen ihn verschworen. ... Jetzt stehen uns dunkle Zeiten bevor. Diese Mist-Regierung ! Es geht nur noch drunter und drüber“.
Weiter am Hang, ein Slum. Bei meinem Besuch vor 20 Jahren standen hier nur wenige Hütten, aus Holz. Die Regierung hat Wasser und Strom hierher gebracht. Die Schwarzen würden bevorzugt, kritisiert Moses. „Apartheid war schlecht – aber wir Farbige waren wenigstens Nummer zwei, nach den Weißen. Jetzt sind die Schwarzen vor uns“.
Praktische Hilfe statt Parolen und Versprechen
Die haben inzwischen die Tobjobs, wie der heutige, schwarze Bürgermeister. Conrad Sidego war Südafrikas Botschafter in Dänemark. Jetzt macht er Realpolitik hier, wo es das größte Gefälle zwischen Arm und Reich im Land gibt. Gemüsebeete und einen Blumengarten haben die Rastafari-Besitzer angelegt. „Schaut euch mal die Kürbisse an, die die hier ernten“. Ein richtiges Haus werden so viele Menschen hier nie besitzen. Politik könne nur Lebensumstände verbessern. „Hier, jetzt haben sie Licht – weil wir ihnen ein Solarmodul spendiert haben, als Starthilfe“. Praktische Hilfe statt Parolen und Versprechen.
„Was soll die ewige Kritik? Ja, einige Leute fühlen sich seit 20 Jahren auf einer Warteliste. ... Aber sie tun selbst wenig, um das zu ändern. Das neue Südafrika entsteht zuerst im Kopf. ... Es geht darum, kein Opfer mehr zu sein... Auch im Slum. In die Hände zu spucken, statt sie uns entgegen zu strecken.“
Verraten von den eigenen Leuten
Vielleicht wird erst diese Generation das verstehen. „ So und ihr sucht Frankie Arendse? Ja, der hatte damals viele gute Ideen – aber die Weißen im Stadtrat haben ihn übel ausgetrickst.“ Und dann verraten Sie uns, wo er wohnt – hier, 40 km entfernt, in einer Reihenhaussiedlung. Mittelklasse-Gegend. Da wartet er in der Tür. „Frankie, erinnern Sie sich noch – vor 20 Jahren?“ Der Stolz der Nation, für wenige Monate, bis er aufgab. „... Meine eigenen Leute haben den Weißen meine Pläne verraten. ... Ich konnte gegen deren wirtschaftliche Macht einfach nichts ausrichten.“ Die Bürgermeisterkette wurde für Arendse, der zuvor Gefängniswärter gewesen war, zum Mühlstein. Heute traut er keiner Partei. „... Es gibt zuviel Korruption. Die Armen haben die Schnauze voll davon. Die Reichen werden nur reicher. Ich habe keine Hoffnung für dieses Land“.
Enttäuschte wie er nennen die neue Elite Südafrikas „Kokosnuss“: außen schwarz, innen weiß Ich dagegen sehe Südafrika auf einem besseren Weg. Als ich mich von ihm verabschiede, im Sonnenuntergang, brennt mein Herz und ich habe das Gefühl, ich sei hier nie wirklich weggegangen.
Autor: Andreas Cichowicz
Afrikanische Impressionen
Andreas Cichowicz hat Impressionen seiner Reise für uns festgehalten.
Stand: 22.04.2014 14:05 Uhr
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