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USA: Die Waffen der Frauen

USA: Die Waffen der Frauen | Bild: WDR

Schon das morgendliche Spiegelei gibt’s bei den Griffins in Form eines Revolvers.

Morgendliches Spiegelei in Revolverform
Morgendliches Spiegelei in Revolverform

»Nicole:
„Das sind die verrückten Dinge, die es bei uns zu Weihnachten oder Muttertag gibt.“«

Alle in der Familie sind Waffennarren. Vater Dave, ein ehemaliger Marine, macht aus seiner Leidenschaft keinen Hehl. Der Umgang mit Waffen wird hier von Generation zu Generation weiter gegeben. Auch der 8 jährige Dallin schießt begeistert seit der Zeit im Kindergarten. So wie viele seiner Freunde.

»Sohn:
„Lade deine Waffe nur, wenn du wirklich schießen willst. Schau immer was hinter deinem Ziel ist“, rattert der Sohn uns die Sicherheitsregeln vor. Dann muss er kurz überlegen: „ ziele nie auf etwas, auf das du nicht schießen willst“«

Wir sind in Yuma, direkt an der Grenze zu Mexiko. „Habe Munition an Bord“ steht auf dem Nummernschild. Die kann man in den USA selber designen. Und dann geht`s los, auf dem Weg zur shooting ranch.

Nicole ist Architektin. Sie liebt die Wüstenlandschaft in diesem abgelegenen Winkel Arizonas.

„Nur die Kriminalität hat hier so zugenommen. Vor 10 Jahren hat doch keiner von Schießereien und bewaffneten Überfällen gesprochen. Aber jetzt breiten sich die Gangs aus Los Angelos hier aus. Vor allem aber die Grenzkriminalität, der Drogenhandel aus Mexiko.“ Aber schießen macht auch Spaß: „Nach Halloween kaufe ich alle alten Kürbisse im Ort. Dann fahren meine Familie, die Frauen von unserem Waffenclub in die Wüste und ballern. Sogar meine Mutter ist mit dabei. Wir stecken erst Sprengstoff in die Kürbisse und schießen dann mit allem, was wir haben. Das macht dann so richtig puff, puff“

Nicole hat einen Gunclub gegründet – die „well armed women“, die gut bewaffneten Frauen. Der Zulauf ist enorm. Heute nimmt sie mich mit zum Schießstand. Mitten in der Wüste führt sie mich ein, in die unterschiedlichen Waffen, wie man sie lädt und sichert, erklärt mit welcher Munition man auf welches Ziel schießt.

In nur einem Jahr haben die „well armed women“ ihre Mitglieder verdoppelt. Der Ortsverband ist der größte in den USA. Mir wird es etwas mulmig:

„Vergiss die Ohrenschützer nicht“, ermahnt mich Nicole. Und dann feuert sie, ruhig und konzentriert, Schuss um Schuss mitten ins Ziel.

Schießübungen in der Wüste
Schießübungen in der Wüste

»Nicole:
„Für mich ist das das beste Mittel gegen Stress. Als ich in Los Angelos gearbeitet hatte, weit weg von meiner Familie, da wollte ich nicht in Bars rumhängen. Statt zu trinken bin auf den Schießstand gegangen. Das war viel besser“«

Und dann bin ich dran. Natürlich daneben. Die nächsten Schüsse treffen zumindest die Wand mit der Zielscheibe.

»Nicole:
„Dafür dass sie Rechtshänderin ist, aber mit dem linken Auge zielt, ist das doch gar nicht schlecht für einen Anfänger“, meint Nicole gönnerhaft.«

Überrascht lerne ich dann, wo Frau überall ihre Waffe tragen kann. An der Hose, in der Hose, selbst unter dem BH.

»Nicole:
„Das nennt man Flash Bang. Flash, weil der Angreifer auf deine Brust schaut. Und bang, weil du ihn in dem Moment umnietest.“«

Sturmgewehr in Pink
Sturmgewehr in Pink

Komm mit, wir gehen schoppen, hatte mich Nicole eingeladen. Doch die Freundinnen sind nicht auf der Suche nach Schuhen oder Modetrends, sondern den neuesten Schusswaffen. Unübersehbar – hier ist die Lady Ecke- – alles in Pink, selbst das Sturmgewehr.

„Schau mal, findest du das bequem? Oh Ja, sehr...“

»Verkäuferin:
„Pink macht sich toll. Das lässt Frauen hinschauen. Die sagen, oh wow, die machen so ein Gewehr extra für mich...“ Frauen: „Damit zeigen wir, das sind unsere Waffen“ „Ja, denn die gehören alle uns“«

Für die Waffenindustrie sind Frauen die neue Zielgruppe. Ihre Verkaufszahlen sind in nur zwei Jahren um 73% gestiegen.

„Wer trägt von Euch eine Waffe?“, will ich wissen. Alle Hände gehen hoch.

»Verkäuferin:
„Nur ich nicht. Darf ich nicht, wenn ich hier verkaufe“«

„Wo verstecken ihr die denn? Man sieht ja gar nichts?“ „Na hier“ (junge Frau hebt T-Shirt hoch und zeigt Waffe in super kurzer Hose).

junge Frau mit kurzer Hose: „Meine eigenen Waffen habe ich, seit ich 21 bin. Geschossen habe ich aber schon mit 14.“

Diesem Trend hat sich auch die Industrie angepasst. Nicht nur in Form und Farbe. Auch ganze Handtaschenserien sind extra für die Waffe ausgelegt.

Zielgruppe Frau für die Waffenidustrie
Zielgruppe Frau für die Waffenidustrie

Ȁltere Frau:
„Schau, hier steckst du sie rein. Aber im Notfall kannst du einfach durch die Tasche schießen. Wäre nur schade, denn dann ist sie kaputt“«

In Yuma trägt fast jeder eine Waffen, ganz offen und so selbstverständlich, wie Hemd oder Socken. Wer 21 ist, kann sie frei kaufen, sogar ohne sie registrieren zu lassen. Die Waffengesetze von Arizona gehören zu den liberalsten in den USA. Nur in wenigen staatlichen Gebäuden sind Waffen verboten. Z.B. in der örtlichen Bücherei. Dafür gibt es das Schließfach für die Revolver, direkt neben dem Bücherbär.

»Nicole:
„Ich trage meine Waffe überall. Nur an ganz wenigen Orten, da wo es verboten ist, lasse ich sie weg. Auf Militärstützpunkten, oder in der Schule. Wenn ich meinen Sohn abhole, lasse ich meinen Revolver zu Hause. Aber sonst bin ich immer bewaffnet: im Supermarkt, in der Kirche, selbst wenn ich mich mit Freunden im Restaurant treffe“«

Freitag Abend ist Ladies Night. Kostenloser Eintritt auf dem örtlichen Schießstand. Ursprünglich sollten so erste Frauen angelockt werden. Doch die haben längst die Party übernommen. Jung und Alt, alle haben hier Spaß. Der Schießstand ist fest in Frauenhand. Wer einen Mann hat, lässt ihn zu Hause. Und viele kommen ohnehin bestens alleine parat.

»Nicole:
„Im Club sind viele ältere Frauen, Witwen, aber auch allein erziehende Mütter. Die haben zu Hause keinen Kerl, der Held spielt und sie verteidigt. Das machen die lieber selbst“«

Nach einigen Stunden auf dem Schießstand, lassen die die Frauen vom Waffenclub den Tag dann noch gemeinsam ausklingen. Nicht allen gefällt der Vormarsch der Revolverladies. Doch die nehmen es selbst bewusst:

»Nicole:
„Diese Bewegung macht Frauen wirklich stark. So eine Waffe kann dir enorme Macht verleihen. Darum geht es doch letztlich, sie verleiht uns enormes Selbstvertrauen“. Andere Frau: „Eine Frau ohne Waffe ist verwundbar. Du willst doch, wenn dich einer angreift, mit der selben Kraft zurück schlagen“«

Da stimmen sie alle zu, die „well armed women“. Ihre Bewegung sei erst am Anfang. Und das nicht nur in Yuma, tief in Arizona, an der mexikanischen Grenze.

Autorin: Tina Hassel/ARD Washington

Stand: 22.06.2014 20:21 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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