So., 26.04.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
Ukraine: Todesflug MH 17 —Die Wut der Hinterbliebenen
Laurens. 30 Jahre alt. Der jüngste Sohn von Wim van der Graaff. Gestorben am 17. Juli 2014. Da stürzt Flug MH17 in der Ostukraine ab – mit Laurens an Bord.
Wim van der Graaff, Vater von Laurens van der Graaff (ϯ):
Laurens saß neben seiner Freundin Karleijn. Für die beiden war es der erste gemeinsame Flug in den Urlaub.
Wim van der Graaff, Vater von Laurens van der Graaff (ϯ):
Wer Schuld hat an der Katastrophe, das weiß Wim van der Graaff bis heute nicht. Das Schicksal seines Sohnes – es ist Teil eines internationalen Kriminalfalls. Undurchsichtig bis heute. Klar ist nur: MH17 wurde abgeschossen. Aber von wem?
Ein halbes Jahr haben wir recherchiert, die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Kriegsparteien überprüft. Viele Indizien deuten darauf hin: Eine Buk-Rakete hat MH17 getroffen, nach unseren Recherchen offenbar abgefeuert, neben diesem Checkpoint tief im Separatistengebiet.
Zum Beispiel wollen Anwohner am Tag des Absturzes hier einen ohrenbetäubenden Lärm gehört haben, wie er typisch ist für eine Buk-Rakete. Aus Angst wollen sie nicht erkannt werden.
O-Ton Anwohner:
Panzerspuren im Asphalt. Fotos und Videos. Auch diese Hinweise deuten darauf hin: Die Rakete war hier im Separatistengebiet.
Doch eine andere Frage ist für die Angehörigen noch wichtiger. Die Ostukraine ist zu dem Zeitpunkt Kriegsgebiet - warum durfte MH17 überhaupt hier fliegen?
Wim van der Graaff, Vater von Laurens van der Graaff (ϯ):
Neben den Raketenschützen sind das für Wim van der Graaff alle, die zugelassen haben, dass das Flugzeug dort überhaupt geflogen ist.
Die ukrainische Flugsicherung etwa. Sie ist für den Luftraum verantwortlich. Erst kurz vor dem Abschuss von MH17 waren über der Ostukraine Militärmaschinen abgeschossen worden. Es war also klar, dass Fliegen mindestens in bestimmten Höhen gefährlich ist. Die Flugsicherung ließ den Luftraum trotzdem weiter für Passagiermaschinen geöffnet. Die Ukraine weist alle Vorwürfe von sich.
Pawlo Klimkin (O-Ton), Außenminister Ukraine:
Ein fataler Fehler, kritisiert der Anwalt deutscher Angehöriger. Er hat die Ukraine deswegen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf Schadenersatz verklagt.
Elmar Giemulla (O-Ton), Anwalt der Hinterbliebenen:
Es droht sogar ein Interessenskonflikt: Dieselbe Behörde, die Lufträume sperrt, kassiert für die Überflüge Gebühren von den Fluggesellschaften. Bei Flugverboten fließt also kein Geld.
Dass hier grundsätzlich ein Problem liegt, weiß auch die Luftfahrtbranche. Sie war sich schnell einig: Sowas wie MH17 soll nie wieder passieren.
Auf einer Konferenz im Februar in Montréal redet die Branche darüber, was sie verbessern kann. Doch die Konferenz bringt keine großen Veränderungen. Jeder Staat entscheidet weiterhin selber, ob sein Luftraum sicher ist oder nicht.
Elmar Giemulla, (O-Ton), Anwalt der Hinterbliebenen:
Es scheint, als hätte die internationale Luftfahrt aus der Katastrophe über der Ostukraine wenig gelernt. Auch die Aufklärung von MH17 zieht sich hin. Ein internationales Expertenteam hat Wrackteile in den Niederlanden untersucht. Offizielle Ergebnisse haben die Ermittler noch nicht vorgelegt.
Wim van der Graaff, Vater von Laurens van der Graaff (ϯ):
Ruhe finden, den Verlust verarbeiten. Die vielen offenen Fragen machen das für Angehörige wie Wim van der Graaff noch schwerer.
Autoren: Demian von Osten, Jochen Taßler, Ralph Hötte
Stand: 26.04.2015 20:35 Uhr
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