So., 13.04.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Indonesien: Citarum – der Giftfluss
Sie leben vom Abfall: Die Müllsammler auf dem Citarum River, dem schmutzigsten Fluss der Welt.
Haushaltsmüll wabert an der Oberfläche. Im Wasser darunter Exkremente und Chemikalien.
Mit Herrn Wahyudin machen wir eine reichlich bizarre Bootsfahrt. Seit über zehn Jahren ist der Citarum so dreckig, sagt er. Und er hat ein Geschäft daraus gemacht. Herr Wahyudin ist spezialisiert auf das Sammeln von Plastikflaschen und Bechern.
Der Gestank macht fast schwindelig und Herr Wahyudin verschärft den Brechreiz mit Schauergeschichten: “Wir finden oft Leichen hier”, sagt er. „In den fünf Jahren, die ich hier arbeite, zweihundert Stück.“
Wasserhyacinthen verstopfen seit ein paar Monaten den Fluss mehr und mehr. Die Pflanzen wuchern schnell, weil der Citarum neben den Abfällen auch so viele Sedimente mitschleppt.
Herr Wahyudin hat das Boot voll. Am Ufer warten seine Helfer mit Kaffeebechern aus dem Abfall.
Acht Boote hat er im Sammelbetrieb. Ein Jungunternehmer. Er und seine zehn Helfer fischen täglich über 200 Kilo Plastikmüll aus dem Fluss.
„Plastikflaschen sind ein gutes Geschaeft,“ sagt er.
Insgesamt über hundert Müllsammler sind auf dem Flussabschnitt bei der Stadt Cipatik unterwegs. Was mit dem gesammelten Plastik geschieht, sehen wir später.
Der Citarum und seine Nebenarme fließen durch eins der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Rund um die Stadt Bandung in West-Java leben zehn Millionen Menschen.
Und in den Vororten kennt man Müllentsorgung nur so.
Bei der Stadt Majalaya ist der Citarum noch jung, sieben Kilometer von der Quelle. Aber schon verdreckt von Exkrementen.
Deni Riswandani leitet die Umwelt-Gruppe ELINGAN, die versucht, den Citarum wieder zu einem sauberen Gewässer zu machen. Ein Kampf an vielen Fronten.
Deni Riswandani:
Citarum-Wasser wird auch zum Waschen genutzt, selbst zum Kochen. Und als Kloake zugleich.
West-Java ist Boomland. 1500 Textilfabriken haben sich am Citarum angesiedelt. Die ziehen Arbeitskräfte aus ganz Indonesien an. Für so viele Menschen fehlt es an Infrastruktur. Und die Fabriken selbst sind ebenfalls Wasserverschmutzer.
Schwermetalle und Chemikalien verseuchen das Wasser. Das ist der tödliche Mix für den Fluss: Excremente, Haushaltsmüll und Chemikalien.
Deni Riswandani:
Nach Medienkampagnen der Umweltschützer wurden einige wenige Fabriken zum Klären ihrer Abwässer gezwungen. Aber die staatlichen Kontrollen sind lax.
Mit internationaler Hilfe will Indonesien den Citarum sanieren. Einige Flussabschnitte wurden ausgebaggert. Aber Deni Riswandani ist skeptisch. Seit zehn Jahren kämpft der 41-jaehrige Soziologe für den Fluss.
Deni Riswandani:
Das ist das Schicksal des Citarum: Er zieht Industrie an und damit auch viele Menschen. Mehr als er verkraften kann.
Das Dorf Ciwalengke liegt an einem Seitenarm des Citarum, neben einer Textilfabrik. Viele Bewohner vermuten, dass ihr Wasser von chemischen Färbemitteln verseucht ist. Hautkrankheiten sind häufig. Aber da fast alle hier in der Textilfabrik arbeiten, sind sie vorsichtig.
„Es könnte sein,“ sagt Jajang Suhermans, „dass mein ständiger Juckreiz von verseuchtem Wasser kommt. Wir waschen uns ja damit.“
Viele Anwohner sind abhängig von den Textilfabriken. Darum sind sie nur schwer für Umweltschutz zu mobilisieren.
Chemiebruehe im Reisfeld. Heute blau, morgen vielleicht tiefrot oder grün.
„Das Wasser kommt von den Fabriken,“ sagt Iwa Detiyani aus dem Dorf Ciwalengke. „Und die Bauern haben für ihre Reisfelder nur dieses Wasser.“
Fünf Prozent der Reisfelder Indonesiens liegen am Citarum. Ihr Ertrag ist niedrig. „Dreißig Prozent unter dem Durchschnitt,“ sagt sie.
Zurück bei den Müllsammlern am schmutzigsten Fluss der Welt.
Herr Wahyudin und seine Helfer haben die Tagesausbeute in Säcke verpackt und schleppen sie das Steilufer hinauf.
Er ist spezialisiert auf Plastikflaschen. Andere Sammler bevorzugen Plastiktüten. „Aber die bringen weniger Geld,“ hat er uns gesagt.
Die stinkende Fracht wird hoch gestapelt. Und die Helfertruppe findet oben drauf auch noch Platz.
Ziel der Fahrt: Das Lager eines Zwischenhändlers. Der kauft Herrn Wahyudins gesammelten Dreck, nach Gewicht.
Für zehn Kilo gibt es umgerechnet einen Euro. Der Müll wird sortiert. Plastikfabriken schmelzen ihn später ein und machen neue Flaschen daraus.
Zusammen mit seiner Truppe verdient Herr Wahyudin rund zwanzig Euro am Tag. Das ist viel Geld hier, in Indonesien.
Trotz der Müllsammler bleibt der Citarum freilich ein Dreckfluss, erstickend unter den wuchernden Wasserhyacinthen. In seinem Unterlauf liegt die Hauptstadt Jakarta. Auch die nutzt sein Wasser.
Robert Hetkämper, ARD Studio Singapur
Stand: 15.04.2014 10:55 Uhr
Kommentare