So., 13.04.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Durch Schmerzmittel zum Heroin-Junkie
Wie fast jeden Abend sind sie unterwegs. Straßen-Sperre der Polizei im US-Bundesstaat Kentucky, an einer Brücke, die Drogen-Kuriere oft nutzen. Gleich beim zweiten Wagen: jede Menge Pillen-Dosen. Während Deputy Dave das Fahrzeug weiter untersucht, hält sein Kollege Jason schon das nächste verdächtige an.
Jason:
Und aus ihrer Handtasche rollen nicht nur leere Schmerzmittel-Dosen. Sondern auch zwei eindeutige Hinweise auf Heroin-Konsum. Und wieder hören die beiden Polizisten eine allzu bekannte Geschichte. Die junge Frau, nennen wir sie Chris, begann ihre Drogen-Karriere durch Schmerzmittel nach einer Kaiserschnitt-Geburt.
Chris:
Weil die Polizisten keinen Stoff finden, lassen sie sie laufen.Chris hat drei Kinder, sie wachsen bei den Großeltern auf.
Auch sie kümmert sich um ihre Enkelin. Wie jeden Morgen bringt Janet Brown die zehnjährige Olivia zur Schule. Olivias Mutter kann das nicht mehr – sie ist tot. Gestorben an einer Überdosis Schmerzmittel. Seitdem wächst Olivia bei der Oma auf.
Janet Brown:
Weil auch Olivias Vater drogenabhängig ist, erhielt Janet das Sorgerecht. Die Großmutter weiß nicht, wann es anfing, aber irgendwann kursierten im Freundeskreis ihrer Tochter Becky Schmerzmittel als Party-Pillen. In Kentucky sind diese Opioide die Haupt-Ursache für Drogen-Tote.
Becky war eine der besten Schülerinnen ihrer Klasse. Das letzte gemeinsame Photo, das Janet von Tochter und Enkelin hat, stammt von Olivias drittem Geburtstag.
Janet Brown:
Der Sheriff von Greenup County ist sich der Gefahr mehr als bewusst. Keith Cooper ist seit 40 Jahren Polizist. Der Kampf gegen Drogen ist zu seinem Lebenswerk geworden. Und nichts vergleicht er mit diesem Problem, das mit der wachsenden Abhängigkeit von – eigentlich rezeptpflichtigen – Schmerzmitteln begann.
Sheriff Keith Cooper:
Zwar verschreiben Ärzte die Mittel nicht mehr so großzügig. Aber, es gibt einen Schwarzmarkt. Und: eine Alternative, die im Gehirn die gleiche Wirkung hat.
Sheriff Keith Cooper:
Doch die Polizei steckt in einer Zwickmühle. Je erfolgreicher Sheriff Cooper und seine Männer gegen illegalen Schmerzmittel-Handel vorgehen, je mehr Dealer sie ins örtliche Gefängnis sperren, je schwerer es also wird, die Pillen auf der Straße zu bekommen – desto rasanter wächst die Zahl der Heroin-Abhängigen.
Nicht nur in Kentucky. In den ganzen USA hat sie sich in wenigen Jahren fast verdoppelt.
Ein Teufelskreis, aus dem es aber doch Auswege gibt. Der Staat Kentucky hat eine ganze Reihe von Entzugs-Einrichtungen gegründet. Viele hier sind Häftlinge auf Bewährung. Andere haben sich freiwillig selbst eingewiesen. So wie Shae Haughaboo.
Er ist seit sieben Monaten clean, mittlerweile leitet er sogar Kurse des Programms. Shae war 20, als er an Hodenkrebs erkrankte. Die Ärzte gaben ihm während der schmerzhaften Behandlung Oxycodon. Den Krebs konnte er besiegen, die Sucht nicht.
Shae Haughaboo:
Weil er kein Rezept mehr bekam, begann Shae, sich Oxy illegal auf der Straße zu besorgen. Fünf Jahre lang, dann wechselte er zu Heroin.
Shae Haughaboo:
Und so fahren sie weiterhin raus, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Aufzugeben komme nicht in Frage, sagen sie, es stehe zu viel auf dem Spiel.
Ingo Zamperoni, ARD Studio Washington
Stand: 15.04.2014 10:56 Uhr
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