Mo., 23.02.09 | 04:50 Uhr
Das Erste
Weltspiegel
Pakistan: Taliban-Staat im Staate
Schob bald knallt wohl wieder die Peitsche: Nach Einführung der auf dem Koran beruhenden Scharia, der islamischen Rechtsprechung, im umkämpften Swat-Tal im Nordwesten des Landes sprechen selbst pakistanische Beobachter von einer Kapitulation der Regierung in Islamabad vor den radikal-islamischen Taliban. Da entstand gewissermaßen ein Staat im Staate. Die Behörden streiten zwar ab, es habe diesen Deal gegeben: Zugeständnisse an die Fundamentalisten und dafür im Gegenzug Waffenstillstand. Doch davon sind nur wenige überzeugt. Der Kompromiss verdeutlicht nicht nur das Unvermögen der Regierung, mit den Aufständischen fertig zu werden. Er könnte neben dem Rückfall ins Mittelalter auch einen gefährlichen Präzedenzfall darstellen, der ähnliche Gruppierungen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet dazu inspiriert, das geltende Rechtssystem weiter auszuhöhlen. Bewohner, die vor den Kämpfen aus dem Swat-Tal geflohen sind, befürchten schon, dass die Extremisten bald noch schärfere Gesetze einführen könnten.
Autor: Stephan Kloss, ARD Neu Delhi
Japan: Glückssuche - Das Fest der 1000 nackten Männer
Mutet an wie eine ausgefallene Karnevalsveranstaltung, ist aber eine tief spirituelle Handlung: Das Fest der nackten Männer im Tempel von Okayama, 550 Kilometer westlich von Tokio. Wirtschaftlich sieht es ja tatsächlich so aus, als stünde Japan bald nur noch im Hemd da. Diese Umstände führten jedoch nicht zum „Matsuri", dem Nacktmännerfest. Schon seit Jahrhunderten wirft der Tempelherr an jedem dritten Sonntag im Februar genau um Mitternacht zwei "Shingi" genannte ?Heilige Stäbchen' in die Masse tausender (fast) unbekleideter Männer. Die ringen dann um die kleinen Hölzer - Quetschungen und Stauchungen nicht ausgeschlossen. Und warum das alles? Weil der Besitz der Stäbchen den Gewinnern der Rangelei ein glückliches und langes Leben verspricht. Und Glück können die Japaner im Moment gut gebrauchen. Unser Korrespondent Mario Schmidt legt ab und mischt sich mit Herrn Motoyoshi und Herrn Matsutani unter die Männer-Menge. Viel Glück!
Autor: Mario Schmidt, ARD Tokio
Irland: Killing Limerick - Drogennest und Todespflaster
Kapitän Christy Fitzgerald kämpft einen aussichtslosen Kampf: Fast 6000 Kilometer zerklüfteter Küstenlinie muss er kontrollieren - mit dem einzigen Zollboot Irlands. Ein Don Quichotte gegen Drogenbarone, denn die haben leichtes Spiel. Irland ist zum Einfallstor für Drogen nach Europa geworden. Die Folgen bekommt ein kleines irisches Städtchen zu spüren. Im beschaulichen Limerick bekämpfen sich zwei Drogen-Clans bis aufs Messer. Auch Unschuldige geraten in die Schusslinie mordender Mafia-Familien. Pro Kopf werden in Limerick so viele Menschen umgebracht wie in keiner anderen europäischen Stadt. Wir haben einen der Akteure getroffen: Beobachter sehen Jimmy Collins als eine zentrale Figur im irischen Drogenhandel. Er läuft mit schusssicherer Weste durch Limerick. Aus gutem Grund, denn sein Mörder könnte hinter jeder Ecke lauern.
Autor: Björn Staschen, ARD London
USA: Homo-Ehe unerwünscht
Manchmal liegt Hollywood dann doch ganz nah an der Realität. Wenn Sean Penn womöglich bei der Verleihung der Oscars als bester Schauspieler für seine Rolle des 1978 ermordeten, schwulen Politikers und Bürgerrechtlers Harvey Milk ausgezeichnet wird, dann weiß er, dass er mitten in der Gegenwart steht: Am 4. November, dem Tag der US-Wahl, hatten die Bewohner Kaliforniens in einem Volksentscheid die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben wieder rückgängig gemacht - nachdem das Oberste Gericht Kaliforniens sie zuvor erlaubt hatte. Es kam zu hunderten Protestaktionen, unterstützt von viel Prominenz aus der Traumfabrik. 18.000 gleichgeschlechtliche Ehen waren bis dahin schon geschlossen worden, die Konservative nun wieder annulliert sehen wollen. Partner wie Stuart Gaffney und John Lewis aus San Francisco, seit 22 Jahren ein Paar, wissen nicht, wie es nun weitergehen soll. Sie ?heirateten' vor fünf Jahren, doch da war ihre Ehe noch nicht rechtsgültig. Jetzt fürchten sie, den Segen des Staates vielleicht gar nicht mehr zu bekommen.
Autorin: Marion Schmickler, ARD Washington
Norwegen: Röros - Der Weg ist das Ziel
Auf nach Röros, zum Wintermarkt in die UNESCO- und Kältehauptstadt Norwegens. Mit dem Pferdeschlitten, Heringsfässern und in bodenlangen Pelzen und Mänteln aus sibirischer Ziege, Wolf und Hund - alles wie vor 150 Jahren. Sanfte Traditionen geben Halt, selbst in rauem Klima und unruhigen Zeiten. Im wohlhabenden Norwegen lassen Knut, der Hufschmied, Oddvar, der Sattelmacher, Jorun, die Krankenschwester, und viele andere freiwillig die Annehmlichkeiten der Moderne zurück und kämpfen sich Hafergrütze mampfend durch den Tiefschnee. Auf 83 Schlitten, aus allen Himmelsrichtungen. Raus aus dem Alltag, der Arbeitsmühle und rein in die Natur. Sehnsüchte befriedigen, Nostalgie atmen, alles in der Gemeinschaft. Sie mögen in der Minderheit sein, aber sie sind glücklich. Deswegen spielt der Profit auf dem Wintermarkt auch nur eine Nebenrolle. Auf nach Röros, der Weg ist das Ziel.
Autorin: Claudia Buckenmaier, ARD Stockholm
Kommentare