Mo., 23.03.09 | 04:50 Uhr
Das Erste
Weltspiegel
INDIEN: Wohn-Ghettos für die Mittelschicht
Autor: Markus Gürne / ARD Neu Delhi
Der mit acht Oscars ausgezeichnete Film „Slumdog Millionär" erzählt die Geschichte eines Aufsteigers aus einem indischen Elendsviertel: In einer Fernseh-Quizshow bringt er es bis zur Millionenfrage. Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus. Der Staat will sich des Schmuddelimages entledigen und die Slums gerne loswerden, das heißt „privatisieren". Investoren kommen so billig an begehrtes, zentral liegendes Bauland und ziehen im Slumgebiet ganze Wohnblocks für die indische Mittelklasse hoch. Die „neuen" erfolgreichen Inder leben in ihrem Reichenghetto dann quasi Tür an Tür mit der Armut, aber völlig abgeschottet und isoliert von der Realität des indischen Großstadtlebens. In der Trabantensiedlung für die Aufsteiger funktioniert alles und ist für alles gesorgt: Krankenhaus, Schule, Stromversorgung, Wasseraufbereitung. Die gesamte Infrastruktur organisiert der Privatinvestor und die gibt es exklusiv nur für die Bewohner. Im Mittelklasseghetto wollen sie mit dem chaotischen indischen Alltag, mit Armut, Dreck und Lärm möglichst nichts mehr zu tun haben. Da hat der Staat nicht mehr viel zu melden, außer den Straßenbau rund um die Siedlung zu übernehmen.
SCHWEDEN: Operation nötig? Ab ins Ausland!
Autorin: Claudia Buckenmaier / ARD Stockholm
Schweden gilt für Pflegekräfte und Ärzte wegen angenehmer Arbeitsbedingungen als Paradies. In den Krankenhäusern werden geregelte Arbeitszeiten eingehalten, es gibt Zeit für Kaffeepausen und angeblich auch für die Patienten. Das Sozialsystem des Landes gilt international noch immer als vorbildlich, weswegen auch viele deutsche Ärzte lieber in schwedischen Krankenhäusern arbeiten. Gleichzeitig kommen mittlerweile aber immer mehr schwedische Patienten zur Behandlung nach Deutschland. Der Grund: lange Wartezeiten, auch auf medizinisch dringend notwendige Operationen, selbst Krebspatienten müssen bis zu drei Monate auf ihre Tumoroperation warten. Derzeit hängen rund 350.000 Patienten in der Warteschleife. Immer mehr von ihnen weichen ins Ausland aus, um sich behandeln zu lassen. Andere, die es sich leisten können, lassen sich in teuren Privatkliniken operieren, obwohl sie für das staatliche Gesundheitssystem zahlen.
NEW YORK: Harlems schwarze Zeitung
Autor: Thomas Roth / ARD New York
Es sind historische Flaggschiffe des amerikanischen Journalismus, die entweder bereits eingestellt wurden oder aber ernste Geldprobleme haben: Das Schicksal der Chicago Tribune, Los Angeles Times und der oft als „besten Zeitung der Welt" bezeichneten New York Times ist offen. In New York, im schwarzen Harlem, trotzt allerdings ein Blatt der Krise: Bei Erscheinen der wöchentlichen Ausgabe stehen die Leser sogar Schlange vor dem Redaktionsgebäude. Die vor 100 Jahren gegründeten Amsterdam News sind eine „schwarze" Zeitung - von Schwarzen für in erster Linie Schwarze gemacht. Martin Luther King hat für die Amsterdam News geschrieben und die Zeitung hat die Bürgerrechtsbewegung vorangebracht. Auch deshalb beobachten die Journalisten in Harlem heute ganz genau, was Präsident Barack Obama für die Schwarzen im Land tatsächlich tut.
KOLUMBIEN: Literatur auf Eseln
Autor: Stefan Schaaf / ARD Mexico City
Jeden Samstagmorgen sattelt Luis Soriano die Esel und bepackt sie mit schweren Bücherkisten. Dann macht sich der Lehrer mit seiner mobilen Bücherei auf den Weg in die Dörfer. Dort, im armen kriegsmüden Hinterland Kolumbiens leben die Menschen abgeschieden: kaum Strom, keine Zeitung, kein Internet. Nur über Sorianos Bücheresel erfahren die Farmarbeiter und ihre Kinder etwas über die Welt dort draußen. Vor zehn Jahren erfand der heute 36-Jährige seine Ein-Mann-Bibliothek, um so seiner kargen Heimatregion zu helfen. Ein Buch kann die Welt verändern - davon ist der engagierte Einzelkämpfer überzeugt. Bei seinen „Eselstouren" stößt er immer wieder auf den Bürgerkrieg in seinem Land: niedergebrannte Dörfer, verängstigte Menschen. In dieser Gegend wurde auch der berühmte Schriftsteller Gabriel Garcia Marquez geboren, der in seinem Roman „Hundert Jahre Einsamkeit" die Enge und Abgeschiedenheit der kolumbianischen Provinz beschrieben hat. Auch dieser Bestseller findet sich natürlich im Sortiment des Bücheresels, das inzwischen bereits 5.000 Titel umfasst.
KANARISCHE INSELN: Afrikas Kinder allein auf der Flucht
Autorin: Annekarin Lammers / ARD Madrid
„Wir dachten, es regnet hier Geld", erzählt der 14-jährige Khalid aus der West-Sahara, eines von 150 Kindern, die in diesem Jahr schon ohne Angehörige auf den Kanarischen Inseln gestrandet sind - so viele wie noch nie. Und viele Kinder überleben die lebensgefährliche Überfahrt aus Afrika nicht, doch keiner weiß, wie viele es sind, die auf dem Weg ins vermeintlich Gelobte Land auf dem Meer sterben. Es hat sich wohl herumgesprochen, dass Spanien unbegleitete Flüchtlingskinder nicht zurückschickt. So werden die Minderjährigen oft von ihren Eltern losgeschickt, um Geld für die Familie zu verdienen. Doch die Rechnung geht nicht auf. In Spanien dürfen die Kinder zwar im Land bleiben, werden allerdings in Heimen untergebracht und „müssen" dort zur Schule gehen. Die kleinen Flüchtlinge stehen unter enormem Druck: sie mussten Heimat und Familie verlassen, um in Europa Geld zu verdienen. Jetzt, völlig allein in der Fremde, dürfen sie aber nicht arbeiten und fühlen sich als Versager, weil sie die Erwartungen der Familien zu Hause nicht erfüllen können.
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