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Weltspiegel

Kanada: Vancouver - Zwei Seiten einer Medaille

Vancouver gilt als eine der schönsten und reizvollsten Städte der Welt - eine hübsche Gastgeberin der Olympischen Winterspiele, die in wenigen Tagen beginnen. Warmes Klima an der kanadischen Pazifikküste, schneebedeckte Berge nur zwei Autostunden entfernt, günstiger kann eine Stadt kaum liegen. Und: Vancouver ist eine multikulturelle Stadt. 30% der rund 500.000 Einwohner haben chinesische oder asiatische Wurzeln, die letzte Einwanderungswelle setzte ein, als Hongkong an China zurückfiel. Und doch, bei allen Vorzügen kennt die Stadt auch die Kehrseite der Medaille: Obdachlosigkeit, Drogensucht und Kriminalität im Stadtteil "Downtown Eastside". Wendy Petersen, engagierte Sozialarbeiterin, kritisiert Stadt und Provinzregierung, sie würden nichts oder nicht genug dagegen tun. Der Bürgermeister, seit einem Jahr im Amt, vertritt die gegenteilige Position. - Der Organismus einer attraktiven Stadt kämpft nun schon seit Jahrzehnten mit einer offenen Wunde, die durch die Olympischen Spiele auch in den Blick der Weltöffentlichkeit gerät. Und dann bahnt sich noch ein wahrlich olympisches Problem an: der wärmste Frühling, der in Vancouver je gemessen wurde. Wird es überhaupt genug Schnee geben oben in den Bergen?

Autor: Thomas Roth, ARD-Studio New York

Haiti: "Die Hauptstadt muss weg!"

Not, Elend und offiziell schon mehr als 200.000 Tote: Kommt Haiti, auch schon vor dem Beben das ärmste Land der westlichen Welt, jemals wieder auf die Beine? Und was geschieht mit der in Trümmern liegenden Hauptstadt Port-au-Prince, soll die an Ort und Stelle wieder aufgebaut werden? "Nein", meint der Seismologe der haitianischen Regierung. Claude Prépetit würde die Menschen gern in einer erdbebensicheren Zone Haitis ansiedeln, im Landesinneren. Denn, und das hat die Geschichte gelehrt: Das nächste Beben kommt bestimmt. Und es könnte noch stärker sein als das vom 12. Januar. Der Wissenschaftler hatte schon zuvor gewarnt, dass ein verheerendes Grollen in Port-au-Prince aufgrund seiner tektonisch ungünstigen Lage nur eine Frage der Zeit sei. Jetzt sind mehr als eine Million Menschen obdachlos. Welche Linie wird Bill Clinton verfolgen, der für die UN den Wiederaufbauprozess leiten wird, hört er auf Claude Prépetit?

Autor: Stefan Schaaf, ARD-Studio Mexiko City

Indonesien: Borneo - Dschungelhüter auf verlorenem Posten

Agus Dianto durchstreift als Umweltpolizist den Tanjung Puting Nationalpark auf der indonesischen Insel Borneo. Agus ist 25 Jahre alt und überzeugter Naturschützer. Doch mit dieser Auffassung steht er unter all denen, die Kapital schlagen wollen aus dem Regenwald, alleine da: Goldschürfer, Wilderer, illegale Holzfäller, sie alle denken an Profit, nicht an Naturschutz. - Agus weiß, dass Indonesien zu den großen CO2-Verschmutzern der Erde gehört - obwohl es nur ein Schwellen- und kein Industrieland ist. Riesige Waldbrände und massive Waldrodung tragen dazu bei. Der Umweltpolizist möchte das ändern, doch Armut und Bevölkerungsdruck machen es ihm und seinen wenigen Kollegen schwer. Der Tanjung Putting Nationalpark ist 415 000 Hektar groß, nur ganze 13 Umweltpolizisten sollen ihn verteidigen. Dabei drängen illegale Goldsucher in den Park, einen Polizeistützpunkt setzten sie kurzerhand in Brand. Ihr Raubbau ruiniert den Wald, hinterlässt eine Wüstenlandschaft. Agus Dianto hat zwar eine Maschinenpistole. Aber gegen die Goldgier ist er machtlos.

Autor: Robert Hetkämper, ARD-Studio Singapur

Spanien: Tunnel gegen Tempel

Barcelona im Ausnahmezustand, Topmeldung in den Nachrichten: Vor laufender Kamera bricht die weltberühmte "Sagrada Familia" in sich zusammen. Von Spaniens Touristenattraktion Nummer eins bleiben nur Schutt und Staub. - Zum Glück ist das bisher nur eine Horrorvision, und das berühmte Kirchenwerk des Architekten Antoni Gaudí steht noch. Doch mit dieser Vision wird in Barcelona Stimmung gemacht gegen eines der größten Neubauprojekte des Landes: Ein Tunnel für einen Schnellzug soll quer unter der Stadt entlangführen - nur wenige Meter von den Fundamenten der Sagrada Familia entfernt. Spielt da die Statik des Wahrzeichens mit? Tunnel gegen Tempel, dieser Streit spaltet Barcelona. Die Stadtväter erhoffen sich von dem Schnellzug eine bessere Verkehrsanbindung nach Europa - auch mit Blick auf die Touristen, von denen Barcelona lebt. Die Tunnelgegner, darunter der Bauleiter der Sagrada Familia, haben Angst um das kulturelle Erbe. Gestritten wird auch deshalb so heftig, weil ein anderes Tunnelprojekt vor einigen Jahren fast zu einer Katastrophe geführt hätte: Ganze Häuserblocks stürzten ein, rund tausend Menschen wurden damals obdachlos. Der Konflikt ist typisch für Barcelona, das sich selbst gern als Welthauptstadt der Architektur sieht. Spötter meinen, die Stadt verwandele sich in einen Themenpark. Größer, höher, spektakulärer - seit Jahren schon definiert sich die Perle Kataloniens über immer neue gigantische Bauvorhaben. Stets mit Blick auf den großen Rivalen: Spaniens Hauptstadt Madrid.

Autor: Thomas Schneider, ARD-Studio Madrid

Südafrika: WM-Gewinner und -Verlierer

Unter dem gelben Bauhelm blitzen Zanuxdo Toms Augen hervor, der Rest seines Gesichts ist von einer gleichmäßigen Schicht Baustab überzogen. Es ist über 40 Grad heiß, trotzdem geht Zanuxdos Schicht heute wieder zwölf Stunden. Bis zur Weltmeisterschaft muss das Greenpoint-Stadion von Kapstadt fertig sein. Seit zwei Jahren geht das jetzt schon so, sieben Tage die Woche, zwölf Stunden am Tag. Die Arbeiter sind fertig, verdienen aber so viel Geld wie noch nie. Ein bisschen Aufschwung, das spüren sie, bringt ihnen die Weltmeisterschaft. Einen DVD-Player hat Zanuxdo angeschafft in seiner Blechhütte am Rande der Township Khayelitsha, der größten von Kapstadt. - Keine zehn Kilometer entfernt liegt das Athone- Trainingsgelände. Hier werden die Nationalteams trainieren, wenn sie in Kapstadt sind. Frisch renoviert ist das ganze Areal, es geht nur noch um "Schönheitsreparaturen". Dazu gehören auch die Bewohner eines Mietshauses. Ihr Anblick soll den Fußballern erspart werden. Das Haus wird von der Polizei geräumt, Carol Daniel muss raus. Am Morgen sind sie gekommen, jetzt hat sie drei Stunden Zeit, ihre zwei Kinder und ihre Habseligkeiten zu packen. Auf Stadtkosten werden sie an den Rand Kapstadts gefahren. Eine Wellblechhütte bekommen sie zugewiesen, ohne Strom, ohne fließendes Wasser. Das alles hatten sie vorher im Mietshaus. Ihren Gelegenheitsjob wird Carol wohl verlieren, zu weit ist die Anfahrt und zu teuer. Und wer soll hier draußen auf die Kinder auf-passen? Was sie von der Fußballweltmeisterschaft hält? Ihre Augen blitzen, aber nicht vor Begeisterung - aus ihren Augen blitzt Wut und Verzweiflung. "Die da oben gönnen sich ein Fußballfest, und ich verliere mein Leben", sagt sie.

Autor: Ulli Neuhoff, ARD-Studio Johannesburg

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Norddeutscher Rundfunk
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