So., 25.08.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Kanada: Leben mit dem Feuer
Verkohlte Bäume, die wie Spargelstangen in den Himmel ragen, verbranntes Land, soweit das Auge reicht. Die Waldbrände im letzten Jahr waren die schlimmsten in der Geschichte Kanadas. Eine Fläche halb so groß wie Deutschland ist abgebrannt. "Es war der Horror, so viel Verwüstung, so viel Rauch, so viel menschliches Leid. So etwas haben wir noch nie erlebt." Feuerwehrmann Matthew Lavoie hat noch lange den Feuergeschmack im Mund gehabt, und noch länger gebraucht, den Dauereinsatz zu verarbeiten. Wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen fragt er sich: Wie wird es in diesem Jahr? Und: Sind wir optimal vorbereitet – auf die Feuer und die Folgen für Menschen und Tiere?
Rekordtemperaturen und Dürre
Den kanadischen Nordwesten treffen die Folgen des Klimawandels besonders hart - mit Rekordtemperaturen, viel zu wenig Regen, Dürre. "Wir hier im Norden sind so etwas wie das Frühwarnsyste", sagt Kandis Jameson. "Was hier passiert, betrifft den ganzen Planeten." Die Bürgermeisterin von Hay River musste in den vergangenen zwei Jahren dreimal Evakuierungen anordnen, wegen Feuer und Fluten. Ein Drama für die Menschen, nicht nur hier. Die Rauchwolken aus Kanada zogen tausende Kilometer weit, bis nach New York und Südeuropa. Dadurch gelangten Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Luft, viermal so viel, wie alle Flugzeuge der Welt in einem Jahr produzieren.
Aschebälle fliegen horizontal durch die Luft
Kiah Vail war mit ihrem Team wochenlang im Dauereinsatz an der Feuerfront - mit gerade mal 22 Jahren. Der Himmel leuchtete oft knallrot. Der Rauch war so dick, dass sie nicht ausrücken durften, als es in Enterprise brannte und 90 Prozent des Ortes zerstört wurden. Einwohner Chaal Cadieux erinnert sich an die apokalyptischen Bilder an dem Tag, an dem er und seine Familie alles verloren, ihren Laden, ihre Häuser: "Aschebälle flogen horizontal durch die Luft, man konnte es hören, wenn sie aufprallten, tak, tak, tak,“.
Doch Kiahs Heimatstadt Fort Smith blieb unbeschadet – und niemand in der Region kam ums Leben. "Wir können aber noch mehr tun, um uns vorzubereiten", sagt sie, "wir Feuerwehrleute, aber auch die Menschen, die ihre Häuser besser sichern können." Die junge Feuerwehrfrau tourt jetzt durch die ganze Provinz – und wirbt für Firesmart, ein nationales Präventionsprogramm. Es hat vor allem ein Ziel: den Menschen zu zeigen, dass es manchmal verblüffend einfach sein kann, ihr Haus vor dem Feuer zu schützen.
"Wir brauchen junge Leute, mit neuen Ideen und neuer Energie"
Eine Investition in die Zukunft, sagt auch Matthew Lavoie. "Der Klimawandel wird uns noch lange begleiten, und auch die Waldbrände. Wir brauchen junge Leute, mit neuen Ideen und neuer Energie, dann können wir es schaffen, mit den Folgen zu leben."
In Fort St. John gibt es junge Leute, die bereit sind, im Kampf gegen das Feuer ihr Leben zu riskieren. Die Smokejumper. Sie sind eine Elite-Einheit der Feuerwehr, die mit Fallschirmen in entlegene Gebiete springen, wenn’s es dort brennt. Mit viel Disziplin, aber auch mit einer Mischung aus Respekt und Faszination für das Feuer bereiten sie sich auf ihre Einsätze vor, die jederzeit notwendig werden können.
Für diese Weltspiegel Doku ist ARD-Korrespondentin Marion Schmickler in den Nordwest-Territorien Kanadas und British Columbia unterwegs, um zu sehen, wie Feuerwehr und Elite-Einheiten das Feuer bekämpfen – aber auch, wie man mit dem Feuer leben kann. Wie sich die Menschen zusammen auf das vorbereiten, was unweigerlich wiederkommen wird: Neue Waldbrände.
Ein Film von Marion Schmickler und Alexandra Bidian
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