Mo., 07.08.17 | 05:00 Uhr
Das Erste
Japan: Silicone Sally – Leben mit Puppe
Wenn er morgens aufwacht, hat sie die Augen immer noch auf. In der Welt von Senji Nakajima ist das in Ordnung. Das Silikon neben ihm nennt er zärtlich Saomi. Saomi ist vor sieben Jahren aus einem Katalog in sein Leben gekommen. Mittlerweile soll sie 23 sein.
Senji Nakajima selbst ist 62. Irgendwann musste er seine Familie verlassen: "Ich lebe schon länger alleine ohne meine Familie, weil ich dienstlich nach Tokio versetzt wurde. Es ist ein einsames Leben. Ohne Puppe oder besser gesagt ohne was Menschenähnliches ist die Einsamkeit kaum mehr zu ertragen."
Konkurrenz der Puppen
In der Welt von Herrn Nakajima ist das Zusammenleben mit einer Puppe schön. Aber auch in dieser Welt gibt es Probleme: Saomi ist nur eine seiner Liebschaften; er hat noch zweieinhalb weitere. Und die sind auch eifersüchtig erzählt er. Manche hat darüber sogar den Kopf verloren. Der ist aber schon nachbestellt. Trotzdem: Männern wie Senji Nakajima ist das Leben mit echten Frauen zu kompliziert: "Eine echte Frau wäre problematisch, weil ich verheiratet bin. Und die Bedürfnisse der Frauen sind schwierig. Es geht immer ums Geld und unterschiedliche Interessen. Puppen sind nicht so fordernd."
Saomi ist etwa einen Meter 60 groß und wiegt 30 Kilo. Ein Glück, das Herr Nakajima gerade noch auf Händen tragen kann. Rund 5000 Euro kostet Saomi in der Grundausstattung. Perücke und Kleid sind extra. Dass Senji Nakajima den Anschluss an die Gesellschaft verlieren könnte, das glaubt er nicht: "Menschen werden in Zukunft mit Robotern leben. Was sind Roboter? Familie? Wenn sie mit dem alltäglichen Leben eins werden, sind sie so gut wie Familie. Haustiere gehören auch zur Familie. Ich sehe da keinen großen Unterschied."
Dass Herr Nakajima hier die Blicke auf sich zieht, scheint ihm nicht unangenehm zu sein. Ins Gespräch kommt er aber nicht.
Besuch zu Hause
Zu Hause wartet heute ausnahmsweise auch mal seine echte Frau Yayoi. Sie kommt aus dem 200 Kilometer entfernten Ibaraki nach Tokyo und räumt alle zwei Monate mal auf, So wie damals, als das mit den Puppen anfing: "Am Anfang hatte ich einen Verdacht. Ich machte im Badezimmer sauber, und da lagen lange Haare. Ob hier eine andere Frau duscht dachte ich? Dann habe ich von den Puppen erfahren und war erleichtert."
Heute sieht sie das Leben mit ihrem Mann ganz pragmatisch: "Ich würde gerne die Puppen zur Seite legen wenn ich staubsauge, aber sie sind zu schwer für mich. Deshalb hebe ich nur die Beine hoch und mach da drunter sauber."
Das klingt nicht nach einer eifersüchtigen Ehefrau, eher nach einem Leben mit dem sie sich arrangiert hat. Was denn wohl in drei Jahren ist, wenn Herr Nakajima in Rente ist? Senji Nakajima hofft: "Ich weiß nicht, wie das dann mit den Puppen ist. Aber vielleicht werden wir dann zusammen wohnen, meine Frau die Puppen und ich."
Es klingt fast wie ein Wunsch und es könnte der Weg zurück zur Familie sein.
Autor: Nils Kicker, ARD Tokio
Stand: 16.07.2019 10:57 Uhr
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