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Ukraine: Die Karpaten fünf Jahre nach dem Majdan

Ukraine: Die Karpaten fünf Jahre nach dem Majdan | Bild: picture alliance / AP Photo

Viele der Demonstranten auf dem Majdan kamen aus den Dörfern in den Karpaten, im Westen der Ukraine. Ganze Busladungen von Menschen fuhren von hier nach Kiew zu den Protesten gegen Korruption und soziale Ungerechtigkeit. Auch Romans Bruder Oleg war dabei, bis ihn ein Scharfschütze auf dem Majdan erschoss. Mit dieser Puppe und Fotos erinnert sein Bruder in einem kleinen Museum an ihn und die "Himmlischen Hundert", wie die Toten vom Majdan genannt werden.

Roman Ushnevych
Roman Ushnevych

Roman Ushnevych: "Mein Bruder Oleg trug diese Sachen auf dem Majdan. In dieser Kleidung starb er. Dieses T-Shirt trug er die letzten Minuten auf dem Majdan. Und das war seine Atemmaske gegen das Tränengas der Berkut."

Und auch ihn, Andrj Tkachyk, den Bürgermeister des kleinen Karpatendorfs Tuchla, lassen die Ereignisse jener Zeit, als auf dem Majdan geschossen wurde, nicht mehr los: Plötzlich war der Unabhängigkeitsplatz mitten in Kiew zum Schlachtfeld geworden. Scharfschützen schossen auf Demonstranten. Der Kampf um eine bessere Zukunft schien verloren. Doch dann kamen Menschen aus dem ganzen Land und stellten sich hinter die Demonstranten. Der Zusammenhalt war groß. Die Regierung musste zurücktreten.

Befreiung vom Regime?

Andrej und Maria Tkachyk
Andrej und Maria Tkachyk

Andrj Tkachyk: "Ich gucke mir diese Filme über den Majdan und den Krieg im Osten der Ukraine jeden Tag an, wirklich jeden Tag."
Die Proteste auf dem Majdan waren für Andrj wie ein Befreiungsschlag von einem korrupten Regime. Zwar gebe es immer noch viel zu viel Korruption in der Ukraine, aber dafür sei eine starke Zivilgesellschaft entstanden. "Wir haben in den fünf Jahren viel geschafft," erklärt er.
Seine Frau und er sind da nicht ganz einer Meinung. Andrej Tkachyk: "Manchmal sprechen wir über den Majdan, aber meine Frau ist enttäuscht, weil sie mehr erwartet hat. Und ich versuche ihr klar zumachen, dass so ein Wandel nicht einfach über Nacht passieren kann."
Maria Tkachyk: "Der Preis war hoch. Aber ohne das ging es nicht. Ja, aber die Ukraine ist doch eigentlich so ein reiches Land und wir müssten viel besser leben, mit den Ressourcen die wir haben. Da hatte ich einfach mehr erwartet. Tut mir leid, aber genau die Korruption ist doch geblieben."

Andrj hätte sich nie träumen lassen, eines Tages Bürgermeister zu werden, doch nach seiner Rückkehr aus Kiew hat er es als seine Verantwortung gesehen, die Ideale, für die er sich auf dem Majdan eingesetzt hatte, in der Gesellschaft umzusetzen. Die Korruption ruiniere die Ukraine, klagt er. Sein Land verliere immer noch jeden Tag Milliarden in dunklen Kanälen, doch es sei falsch die Ukraine als korrupt abzuschreiben: "Man muss bei sich selbst anfangen. Als man mich zum Oberhaupt dieser Gemeinde, zum Bürgermeister wählte, traten plötzlich Geschäftsleute an mich heran und wollten mir hunderte Dollar geben. Ich war sehr überrascht. Ich hatte noch nie auch nur eine Münze für eine Gefälligkeit angenommen. Und ich fragte, ob mein Vorgänger so etwas angenommen habe. Ja, meinten sie. Sie hätten ihn gut versorgt."

Lokale Erfolge

Drohnenbild von Tuchla aus der Luft
Das winterliche Tuchla

Auch wenn die große Politik zum Teil versage, sieht er Erfolge auf lokaler Ebene. Man müsse einen langen Atem haben: "Korruption hat existiert und existiert. Wir werden noch Jahre brauchen, um die Korruption einzudämmen und ein Niveau zu erreichen, mit dem man leben kann."
Die Visafreiheit und der intensivere Austausch mit Europa habe viel gebracht - davon sind alle im Dorf überzeugt.

Und so singen die Schüler auf die Frauen und Männer, die auf dem Majdan gefallen sind: "Ihr habt tausende Herzen erleuchtet und dabei eure eigenen nicht gerettet."
Roman und seine Familie werden erst zu Ruhe kommen, wenn die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Ihre Klage zieht sich bis heute hin: "Es sind jetzt schon fünf Jahre und trotzdem sind die Verbrechen auf dem Majdan nicht aufgeklärt. In der Öffentlichkeit spricht keiner davon, aber wir haben Fotos, auf denen man sehen kann, dass die Scharfschützen russische Waffen hatten und russische Militäruniformen."
Olegs letzter Facebookeintrag steht auf seinem Grabstein: "Wir haben nicht für Europa gekämpft und auch nicht konkret gegen jemanden. Wir haben für die Freiheit der Ukraine gekämpft."
Fünf Jahre nach dem Majdan – der Kampf für eine bessere Ukraine geht weiter.

Autorin: Birgit Virnich, ARD Moskau

Stand: 18.05.2019 17:12 Uhr

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