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Malawi: "Hyänen" – Kindesprostitution zwischen Armut und Tradition

Malawi: "Hyänen" – Kindesprostitution zwischen Armut und Tradition | Bild: Bild: BR

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Bertha
Bertha | Bild: Bild: BR

Bertha ist 17 Jahre alt – sie musste heiraten, als sie 15 war. Den Mann hat sie nicht geliebt und die Heirat nicht gewollt. Ihre Tante hat so entschieden. Mit ihr lebt das Mädchen, seit ihre Eltern gestorben sind: "Ich bin verheiratet worden, weil wir arm sind. Meine Tante meinte, wenn ich einen Ehemann habe, dann geht es uns allen vielleicht besser. Dann kam dieser Mann. und meine Tante zwang mich ihn zu heiraten."

Armes Malawi

Chatata ist ein kleines Dorf in Malawi. Wirklich reich ist hier eigentlich niemand. Berthas Mann hatte ein Fahrrad, das er als Taxi anbot – das machte ihn so attraktiv. Jetzt lebt Bertha wieder bei ihrer Tante, der Frau, die sie in die Ehe zwang und noch heute dazu steht: "Ich hatte noch acht andere Kinder zu versorgen und mein Mann ist gestorben. Heutzutage braucht man Geld, um ein Kind großzuziehen, vor allem, wenn es auch zur Schule geht. Und ich, ich habe schlicht nichts."

Armut ist der Hauptgrund, warum junge Mädchen verheiratet werden. Und Malawi ist eines der ärmsten Länder der Welt. Kinder zu verheiraten ist hier Tradition.

Kampf gegen Kinderhochzeiten

Theresa Kachindamoto
Theresa Kachindamoto | Bild: Bild: BR

In Chatata aber haben die Mädchen nun jemanden, der sie davor beschützt, denn der Häuptling hier ist jetzt eine Frau: Theresa Kachindamoto. Sie kämpft gegen die Kinderhochzeiten, hat die Ehe von Bertha annulliert und die von über 800 anderen Mädchen. Viele Feinde hat sie sich damit gemacht – vor allem bei ihren männlichen Unterhäuptlingen.

Theresa Kachindamoto: "'Willst Du sterben, Häuptling?' So haben sie mich bedroht. Ich sagte nur: 'Wenn ihr mich umbringen wollt, dann wartet, bis ich meine Arbeit hier beendet habe. Danach könnt ihr machen, was ihr wollt. Doch wenn ihr mich tötet, dann bin ich bei Gott und ihr geht direkt in die Hölle.'"

Theresa kämpft dafür, dass das Mindestalter für eine Heirat künftig 21 Jahre ist. Ihre Arbeit mit den Mädchen finanziert sie mit Spenden und ihrem privaten Vermögen. Männliche Unterhäuptlinge, die sie nicht unterstützt haben, hat sie einfach entlassen.

Die "Hyänen"

Doch wo Armut und Verzweiflung groß sind, kommt mit der Zwangsheirat oft noch größeres Leid. In dieser Hütte in der Hauptstadt Lilongwe lebt Muzana Andrea. Sie ist 15 und war schon mit 13 Jahren verheiratet. Sie hat ein Baby, aber vermutlich ist es nicht von ihrem Mann: "Meine Familie ist arm.", sagt sie. "Und deshalb dachte ich, es ist gut, wenn ich heirate. Aber ich wurde nicht sofort schwanger. Da sagte mein Ehemann, er werde einen anderen Mann bringen, der mich schwängern wird. Mein Mann hat damit gedroht, er werde sonst eine andere Frau heiraten und mich wieder nachhause schicken."

Eric Aniva
Eric Aniva | Bild: Bild: BR

Fünfmal hat Muzana mit dem fremden Mann geschlafen, weil die Familie ihres Ehemannes es so wollte. Die Familie hat diesen Mann sogar dafür bezahlt. Hyänen nennt man solche Männer hier, Männer wie Eric Aniva. Von ihm gibt es nur noch Archivbilder, denn mittlerweile sitzt er im Gefängnis. Er hat offen darüber gesprochen, dass er gegen Geld mit minderjährigen Mädchen schläft und dass er zwar AIDS habe, die Tradition aber verbiete Kondome zu benutzen: "Es sind die Eltern, die auf mich zu kommen und mich dann bezahlen", sagte er noch vor wenigen Monaten im Interview. "Mittlerweile allerdings ist es besser für mich, das Ritual im Geheimen zu vollziehen."

Kampf gegen Missbrauch und Tradition

Natasha Tonthola
Natasha Tonthola | Bild: Bild: BR

Eine sogenannte Hyäne zum Interview zu überreden, ist uns nicht mehr gelungen – sicher auch deshalb, weil sich immer mehr Frauen offen gegen die Tradition zur Wehr setzen. Natasha Tonthola ist eine von ihnen. Sie war es, die Muzana dazu überredet hat ihren Ehemann zu verlassen. Natashas Wort hat hier Gewicht. Sie ist zwar kein Häuptling, aber ein Fernsehstar in Malawi. Auch Natasha kämpft für die Rechte der Mädchen und hilft ihnen aus ihren Zwangsehen. Sie tourt mit einem Aufklärungsprogramm von Dorf zu Dorf, mit einer Gruppe von Musikern und Tänzern, in deren Show es sehr unmissverständlich zur Sache geht.

"Das Problem ist, dass die Hyänen in unserer Kultur verwurzelt sind. Also stellt man sie nicht in Frage," erklärt Natasha Tonthola vom Mama Africa Foundation Trust, die selbst als Mädchen mit einem fremden Mann schlafen musste. "Erst wenn Du erwachsen bist, wird Dir klar, dass Du sexuell ausgenutzt wurdest."

Endlich wieder Schule und Lernen

Berthas Leben hat sich völlig verändert: Seit sie nicht mehr mit ihrem Mann lebt, geht sie wieder zur Schule; er wollte das nicht, sah sie lieber zuhause am Herd. Geld für die Schule hat Berthas Familie eigentlich nicht. Sie kann nur deshalb hier lernen, weil Häuptling Theresa die Schulgebühren und die Bücher bezahlt. Die Schule und das Lernen ist das, was Bertha in ihrer Ehe am meisten vermisst hat. Sie ist glücklich, dass sie nun nachholen kann, was sie in zwei Jahren verpasst hat. Ihre Tante unterstützt das, auch wenn sie dabei nicht nur an Bertha denkt: "Wenn Bertha eine gute Ausbildung hat und einen Job bekommt, dann wird sich auch die Situation unserer Familie verbessern. Ich würde mich freuen, wenn wir ein besseres Haus bauen könnten, denn hier können wir nachts oft nicht schlafen, weil es hereinregnet."

Bertha allerdings macht schon Pläne, die sie weg aus ihrem Heimatdorf führen würden. Nach der Schule will sie Krankenschwester werden – und vor allem eines: als Frau ein selbständiges Leben führen.

Autor: Thomas Denzel, ARD Johannesburg

Stand: 16.07.2019 00:43 Uhr

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