Mo., 28.11.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Russland: Putin und Trump als Hoffnungsträger
Man könnte meinen, dass es eine ganz normale Yoga-Klasse in St. Petersburg ist. Doch sie huldigen einem ganz besonderen Meister, keinem Guru aus Indien, sondern ihrem Präsidenten Wladimir Putin: Seine Porträts strahlen Stärke aus, schwärmen die Yoga Schüler. Und sie zeigen den Präsidenten von seiner emotionalen Seite, so der Yogalehrer und Künstler Andrej Sergienko: "Ich fand es toll, dem Präsidenten so zum 60. Geburtstag zu gratulieren. Und alle haben darüber gesprochen. Und irgendwie habe gespürt, dass ich meinerseits wahrscheinlich Einfluss auf die politische Situation im Land habe."
Putin-Pop
Mit diesem Bild "Die Träne" fing alles an: 2012, als Putin nach der Wiederwahl zu Tränen gerührt war, erzählt Sergienko. Putin in allen Lebenslagen – längst eine Erfolgsserie. Ein Trend, mit dem er viel Geld macht. Er hofft, dass die Porträts eines Tages in jedem Büro in Russland hängen werden, anstelle der üblichen, langweiligen Fotos.
Und auch in russischen Wohnzimmern, im Fernsehen ist der Präsident omnipräsent. Putin ist längst zur Kultfigur geworden, findet der russische Autor Dimitrij Gluchowskij: "Seit Putin an die Macht gekommen ist, nutzt er das Fernsehen, um ein Bild zu schaffen von einem Mann, der sich ständig Sorgen macht um sein Land. Er ist ständiger Held in den Fernsehnachrichten. Er ist überall, in allen Teilen Russlands, im Osten, im Westen – praktisch gleichzeitig."
Putin zum Anziehen, Putin zum Zitieren und Putin zum Nachkochen
Und in diesem umgebauten Gasspeicher sitzen die Vordenker des Personenkults in bester Lage in Moskau: junge russische Patrioten, Künstler, Designer, Modeschöpfer der Jugendbewegung CET, was so viel heißt wie Netz. Mit patriotischer Mode, millionenfach geklickten Videos, Graffitikunst, per Facebook und Twitter fördern sie den Patriotismus unter jungen Leuten, um sie zu Verbündeten des Kreml zu machen. Ihr neustes Projekt: ein politisches Kochbuch mit dem Titel "Rezepte vom Chef", das in den nächsten Tagen in die Läden soll. Darin: die größten innen- und außenpolitischen Leistungen des russischen Präsidenten – als Kochrezepte zusammengefasst. "Palmyra à la russe" liest sich wie ein Loblied auf die Befreiung von Palmyra. Der Einsatz habe gezeigt, dass Russland den Herausforderungen der neuen Zeit gewachsen sei und erfolgreich den Terrorismus bekämpfe. Ihr letztes Werk, eine Sammlung der besten Putin-Zitate, war ein Bestseller in Russland.
Designer Anton Volodin über das Buch: "Ich hoffe, dass er kochen kann. Aber das kann wahrscheinlich nur seine Familie sagen. Aber was die Professionalität in der politischen Küche angeht, ist er der absolute Meister, ein richtiger Chefkoch! Wenn es anders wäre, hätten wir ihn nicht so viele Jahre, die er an der Macht ist, unterstützt."
Vater Putin
Auf Trumps Kochrezepte freuen sie sich schon. Man wisse zwar noch nicht, welche Gewürze der neue Chefkoch auf der Weltbühne nutzen werde. Längst ist der Milliardär aber schon ein Motiv der Künstler, einer der sich durchsetzen könne, genau wie ihr Präsident, finden sie. In ihrem Manifest bezeichnen sie den russischen Präsidenten als metaphysische Vaterfigur, wie auch Ilja Sadalskich, 28 Jahre alter Modedesigner sagt: "Verstehen Sie, Putin ist wie in Vater in der Familie. Und wir sind die Kinder. Und wir richten uns nach ihm."
Die Anhänger der Bewegung glauben, dass sie sich durch ihre bedingungslose Treue zu Putin den sozialen Aufstieg sichern, so der Politologe Dmitrij Oreshkin. Denn die wirtschaftlichen Probleme im Land werden immer spürbarer. Mit dem Personenkult rund um den russischen Präsidenten, lenke man von dieser Wirtschaftskrise ab: "Es wird der Anschein erweckt, wenn es diesen Führer nicht gebe, dann werden wir uns verirren. Das ist die Logik dahinter. Deren Ziel ist es, die Macht zu bewahren, nicht die Entwicklung des Landes voranzubringen. Wir sehen, dass in Russland viele Menschen gerne auf diese billige populistische Rhetorik reinfallen. Und das Gleiche haben wir ja jetzt auch in den USA erlebt, wo Trump genau diese Strömung ausgenutzt hat."
Internationale der Nationalisten
In Russland hatten junge Patrioten wie die 23-jährige Maria Katasonova von der Nationalen Befreiungsbewegung für Trump sogar Wahlkampf gemacht. Sie versprechen sich vom hemdsärmeligen Populisten, der die Demokratie auf den Kopf stellt, eine Annäherung zwischen Russland und Amerika.
Trumps Sieg soll nur der Anfang sein, wie sie sagt: "Das Bild wurde vor einem Jahr kreiert, noch bevor Donald Trump seine Wahlkampagne angefangen hatte. Putin, Le Pen und Trump werden da als drei Führer dargestellt, die der Welt zu einer neuen Weltordnung verhelfen werden. Vor kurzem haben wir uns mit Marion Le Pen getroffen, das ist die Nichte von Marine Le Pen, sie war schon mehrmals in Moskau. Und insgesamt versteht man sich."
Sie hoffen auf eine Zeitenwende, jetzt wo Populisten im Aufwind sind. Putin als Garant für Stabilität, als Vaterfigur, als Weltenretter verkauft sich gut in der neuen Winterkollektion, an zweiter Stelle: das Modell Trump.
Autorin: Birgit Virnich, ARD Moskau
Stand: 13.07.2019 08:41 Uhr
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