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Türkei: Flucht nach Griechenland

Türkei: Flucht nach Griechenland | Bild: BR
Özgur und Deniz
Özgur und Deniz | Bild: Bild: BR

Özgür und Deniz hätten sich in ihrer Heimat wahrscheinlich nie kennengelernt. Hier in Athen sind sie dicke Freunde geworden. Unabhängig voneinander haben sie die Türkei verlassen, denn sie wollen ein Leben in Freiheit und Sicherheit. Diese Beiden haben den Mut, mit uns über die Motive zu sprechen. Erdogans Politik führe die Türkei in den Abgrund, sagen sie.

Özgür kennt eine andere Türkei: "Erdogan und seine Leute sind nicht die wahre Türkei. Sie haben mit uns nichts zu tun. Wir lernten Freundschaft, zu teilen in der Familie, uns gegenseitig zu respektieren. Wir lernten Frieden zu Hause und in der Welt – von Mustafa Kemal Atatürk. So sind wir aufgewachsen, mit Liebe und Teilen."

Eine andere Türkei

Deniz schämt sich für sein Land: "In den letzten Jahren haben die Leute nur noch gesagt: 'Ihr tut uns leid! Schon wieder ein Bombenanschlag.' Ich hatte den Eindruck, alle denken, wir können nur noch Bombenanschläge und keinen Kebab mehr." Özgür ergänzt: "Als wäre es unser Nationalsport!"

Deniz und Özgür sind zwei von Tausenden, die ihre Heimat verlassen haben. Doch die meisten wagen es nicht, Politik öffentlich zu kritisieren, haben Angst um ihre Familien daheim. In Griechenland sind sie glücklich, die jungen, gut ausgebildeten, nicht religiösen.

"Wie in der DDR"

Tassos Telloglou
Tassos Telloglou | Bild: Bild: BR

Der griechische Journalist und Türkeikenner Telloglou beobachtet eine wahre Fluchtbewegung, die Erdogan vielleicht sogar gefalle. Tassos Telloglou, Journalist beim Fernsehsender SKAI TV: "Es ist so wie bei der alten DDR: Man kriegt die frechen und diejenigen, die wahrscheinlich ein Problem für Erdogan sein werden, also sag ich mal, die städtischen gebildeten Schichten, die gegen ihn sind, die kriegt man weg."

Einer der Piloten, die Asyl beantragt haben
Einer der Piloten, die Asyl beantragt haben | Bild: Bild: BR

Telloglou ist der erste Journalist, der mit den acht türkischen Piloten sprechen konnten, die in der Putsch-Nacht im Juli 2016 nach Griechenland flüchten, aus Angst um ihr Leben, wie sie sagen. Sie wohnen noch immer in einer Polizeistation, zur Sicherheit. Das oberste Gericht Athens entscheidet, sie nicht in die Türkei auszuliefern. Die Reaktion der dortigen Regierung kommt prompt. Tassos Telloglou, Journalist SKAI TV: "Alle Frauen haben ihren Job verloren. Alle Familien, alle Acht haben ihre Wohnungen verloren. Die Kinder wurden exmatrikuliert und die Diplome aller acht Piloten wurden aberkannt. Sie besitzen formal in der Türkei einen Schulabschluss von sechs Klassen. Das heißt, sie sind soweit sozial stigmatisiert, dass sie nur schwer in der Türkei eine Arbeit finden können."

Asyl in Griechenland

Die Zahlen sind eindeutig: Immer mehr Türken bitten um Asyl in Griechenland. Wer Geld hat, investiert am griechischen Immobilienmarkt. Kaum ein Makler will sich dazu vor unserer Kamera äußern. Vasilis Axarlis ist aber bereit, uns wenigstens eine Wohnung zu zeigen, wie er sie derzeit häufig an Türken verkauft: "Ich habe solche Wohnungen an einen Arzt und einen Rechtsanwalt verkauft. Im Augenblick verhandeln wir mit einem Unternehmer."

Eine Aufenthaltsgenehmigung bekommt man in Griechenland, wenn man mindestens 250.000 Euro in eine Immobilie investiert. Die gilt dann für fünf Jahre und wenn die Wohnung nicht weiterverkauft wird, wird auch die Genehmigung erneuert.

Türken in Griechenland? Keine Selbstverständlichkeit

Wir treffen Deniz und Özgür nach der Arbeit. Die Gäste? Alles Türken, Neu-Athener. Tagsüber arbeiten sie zusammen, abends feiern sie hier. In Griechenland sind sie willkommen, obwohl das Verhältnis zwischen Griechen und Türken politisch stets angespannt war.

Özgür
Özgür | Bild: Bild: BR

Özgur beschreibt das Klima: "Ich bin aufgewachsen mit Hassattacken gegen die Griechen: 'Sie bringen unsere schwangere Frauen um', sagte man uns. Und die Griechen waren genauso. Und dann komme ich hierher und: es ist das beste Land überhaupt. Super nette Leute. Sie sind alle so wie ich."

Dass in ihrer Heimat in einer Woche das Referendum abgehalten wird, ist hier nicht Hauptgesprächsthema. Deniz erklärt seine Situation: "Ich vermeide, hier über türkische Politik zu sprechen, wenn wir zusammen sitzen. Es hilft uns hier nicht. Es hilft denen nicht, die zurückgeblieben sind. Es setzt uns nur noch mehr unter Druck. Immer wieder die Frage: 'Was, wenn wir zurückgehen?'"

Deniz und Özgür machen Witze darüber, was sie tun werden, wenn sie für dieses Interview ins Gefängnis kommen. Galgenhumor. Sie spüren den Druck der türkischen Regierung selbst hier in Athen.

Autorin: Ellen Trapp, ARD Athen

Stand: 14.07.2019 09:43 Uhr

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