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Südafrika: Protest gegen Gentrifizierung in Kapstadt

Südafrika: Protest gegen Gentrifizierung in Kapstadt | Bild: SWR

Das BoKaap-Viertel ist eines der ältesten Stadtteile von Kapstadt. Hier hatten die Holländer vor 300 Jahren Zwangsarbeiter aus Malaysia und Indonesien angesiedelt. Die sogenannten Kapmalaien. Es entwickelte sich über die Jahrhunderte eine ganz eigne Kultur. Die droht jetzt unterzugehen.

Denn die kleinen bunten Häuschen sind bei reichen Ausländern begehrt. Und sie sind bereit hohe Preise zu bezahlen. Für die, die hier traditionell wohnen, wird ihr Viertel zunehmend unerschwinglich. Aber sie wollen sich nicht hinausdrängen lassen. Deshalb kämpfen sie.      

Thomas Denzel, ARD Johannesburg

An den Hügeln Kapstadts leben schon seit Jahrhunderten die sogenannten Kapmalaien. Nachfahren verschleppter Sklaven. Viele von ihnen fürchten, dass ihr Bokaap-Viertel bald nicht mehr dasselbe sein wird. Leute wie Faldela Tolker und ihre Familie – im violetten Haus and der Straßen-Ecke. Seit Generationen lebt die Familie hier. Doch Tolker sagt, sie wisse nicht, wie lange sie sich das Haus noch lange leisten kann. Die Grundsteuer steigt seit Jahren. Fast die Hälfte des Familieneinkommens bezahle sie dafür. Und dann klopfen ständig Leute an meine Tür", erzählt Tolker. "Leute, die unser Haus kaufen wollen. Ich glaube man will aus dem Bokaap-Viertel eine kommerzielle Sache machen. Und deshalb wollen sie uns hier loswerden."

Frau wird von Polizisten weggeschleppt
Die Polizei greift hart durch | Bild: SWR

BoKaap – eines der ältesten Viertel Kapstadts. Fast 300 Jahre alt, gegründet von ehemaligen Sklaven und von Einwanderern aus Europa und Asien. Eine aus der Mischung geborene einzigartige Kultur, die jetzt verschwinden könnte. Die Gefahr: überall rund um das Viertel entstehen Luxus-Apartments. Faldela Tolker und ihre Freundin Jacky Poking wollen das verhindern. Nicht nur, weil sie finden, dass solche Gebäude hier nicht hineinpassen. "55 Apartments entstehen hier, zu je mindestens 120.000 Euro", rechnet Poking vor. "Das wirkt sich auf alle Nachbarn aus, denn dann steigt deren Grundsteuer. Die Menschen wollen nicht weg von hier – aber wenn sie sich die Steuer nicht leisten können, verlieren sie ihr Haus und ziehen weg." Vor ein paar Wochen: ein großer Baukran fährt ins Viertel. Diesmal wollen die Anwohner es verhindern – sie blockieren die Straße. Der Kran kann erst passieren als die Polizei einschreitet.

Gentrifizierung durch reiche Ausländer

Yoann Nicolas und seine Frau Adheera sind die, die so mancher Anwohner für das Problem verantwortlich macht. Sie haben hier gleich drei Häuser gekauft und renoviert. Beide stammen nicht aus dem Viertel: er ist Franzose, sie Südafrikanerin, aber aus einer anderen Stadt. Die beiden sind überzeugt, dass sie Gutes tun, wenn sie investieren und renovieren. "Und das kostet ganz schön viel Geld", beteuert Nicolas. "Ich glaube viele hier in Bokaap verkaufen ihre Häuser, weil sie sich eine Renovierung nicht leisten können."

Bunte Häuser im Stadtteil BoKaap
BoKaap – eines der ältesten Viertel Kapstadts | Bild: SWR

Nicolas hat aus den Wohnhäusern eine Pension gemacht – auch das gefällt nicht allen Nachbarn. Die beiden Unternehmer aber sind überzeugt: nur Tourismus und Investitionen können das Viertel vor dem Verfall retten, Ausländer seien gut für Bokaap. "Ich habe als Südafrikanerin die Rassentrennung in Apartheids-Zeiten erlebt", sagt Nicolas Frau Adheera. "Ich glaube wir sollten heute ein Land sein, das den Menschen erlaubt zu leben wo sie wollen. Wenn mir jemand sagt, eine bestimmte Gegend sollte bestimmten Leuten vorbehalten sein, dann klingt das für mich sehr gestrig."

Immer wieder Protest gegen die Verdrängung

Doch das Bokaap ist eine eingeschworene Gemeinschaft – schon deshalb, weil fast alle hier Muslime sind. Auch Faldela Tolker und ihr Sohn gehen regelmäßig in eine der Moscheen. Die ältesten Südafrikas findet man hier. Im Bokaap ist die Tradition noch lebendig. Aber das Straßenbild ist inzwischen geprägt von Touristen in kurzen Hosen. Noch etwas, das nicht allen Anwohnern gefällt. Noch nicht einmal Geld lasse sich mit den Touristen verdienen, hören wir. Die meisten kämen nur für einen kurzen Schnappschuss. Und selbst die Souvenir-Händler seien meist von außerhalb.

Teilnehmer einer Demonstration mit Plakaten
Protest gegen die Gentrfizierung | Bild: SWR

Ein paar Straßen weiter demonstrieren wieder die Anwohner stumm an einer Straßenecke. Jeden Tag tun sie das, immer nachmittags um fünf. Auch Jacky Poking ist mit dabei. Ihre Forderung: weniger Neubauten und finanzielle Hilfe für die Anwohner.

Ihre Freundin Faldela Tolker hat immerhin einen Weg gefunden wie sie mit den Touristen Geld verdienen kann. Man kann bei ihr jetzt Kochkurse buchen für die typisch kapmalaiische Küche. Mal süss, mal scharf und mit Einflüssen aus Indien und Fernost – auch das ein Stück Bokaap Kultur. Das Kochen bringe gerade genug, um die Steuer zu bezahlen, sagt Tolker. Aber sie sitzt auf einem Schatz. Denn ihr Haus ist inzwischen richtig viel Geld wert. "Aber verkaufen werde ich auf keinen Fall", sagt sie empört. "Ich bleibe hier bis Gott mich zu sich nimmt. Dann wird man meine Leiche aus diesem Haus tragen." Faldela Tolker widersteht der Versuchung und will weiterkämpfen. Denn zu ihrer Kultur gehört das Viertel. Nur hier in den engen Gassen bleibt sie lebendig.

Stand: 03.03.2019 21:39 Uhr

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