Mo., 05.11.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
China: Die Folgen des Handelskriegs
Wenn Herr Tong im Verkaufsgespräch ist, vermeidet er das Thema Amerika. Die große Politik langweile die Kunden. In China spricht man nicht darüber. Die meisten wollen bei ihm Luxusautos zu guten Preisen kaufen. Bis jetzt kamen ein Drittel der Wagen hier aus den USA: Ford, GMC oder Lincoln - aber seit den Strafzöllen sind die US-Autos Ladenhüter, sagt Tong. "Ich glaube nicht, dass es klug von Trump war, den Handelskrieg zu beginnen - da verlieren nur alle. China hat einen riesigen Markt, und jetzt verliert er diesen riesigen Markt." Autos wie etwa ein Dodge Ram kosten jetzt umgerechnet gut 6.000 Euro mehr – zehn Prozent Zoll-Aufschlag. "Meine Kunden schwenken um, da es vergleichbare andere Modelle gibt. Sie bevorzugen jetzt welche, die aus Europa importiert werden, wo die Einfuhrzölle niedriger sind", sagt der Autohändler.
Mittendrin im Handelskrieg
Herr Tong ist mittendrin im Handelskrieg, entfacht durch US-Präsident Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Es geht um Handel, Einfluss, Macht und die Zukunft. Wer wird sie beherrschen? Trumps Amerika? Xis China? In China musste man sich lange viel vom US-Präsidenten anhören. Im Wahlkampf vor zwei Jahren. Jetzt im Amt. Die Rhetorik: unfreundlich. Wir wurden von China abgezockt“ sagt Trump. Chinas Führung reagiert mit Gegenmaßnahmen – bestraft Trumps Politik mit eigenen Zöllen. Die Kommunisten sprechen von der Verteidigung des Freihandels. Einknicken vor dem US-Präsidenten will Xi nicht. Er will China stark machen, bis 2025 in Schlüsseltechnologien führen, mit allen Mitteln. In einer in China vielbeachteten Rede griff US-Vizepräsident Mike Pence Peking vor vier Wochen frontal an, erklärte dem Land – wie manche schon sagen – den Kalten Krieg: "In Peking ist die gesamte Regierung beteiligt. Peking setzt politische, wirtschaftliche und militärische Mittel ein und Propaganda, um in den USA den Einfluss auszubauen und die eigenen Interessen zu verfolgen."
China ist stark geworden
Die Chinesin Yajun hat in Peking eine PR-Agentur gegründet. Ihr Mann Jeremiah kommt aus Amerika. Verheiratet sind sie seit elf Jahren. Im Alltag hat sich seit dem Beginn des Handelskriegs für sie nichts geändert. Einzig: Im Supermarkt sind Äpfel, die früher aus den USA kamen, jetzt aus Kanada - wegen der Zölle. Aber der angeheizte Konflikt zwischen ihren Heimatländern beunruhigt beide gleichermaßen. "Die Leute sprechen von einem neuen Kalten Krieg. Ist das wirklich so? Das macht mir Sorgen, denn: Wenn der Top-Führer der USA etwas so Starkes sagt, dann, denke ich, muss da etwas dran sein", sagt Zhang Yajun. Ihr Mann Jeremiah Jenne, Historiker, ergänzt: "China scheint so eine Art strategischer Konkurrent zu sein oder möglicherweise sogar mehr. Ich glaube, viele Amerikaner tun sich schwer damit, dies irgendwie einzuordnen. Aber die Wahrheit ist: China ist nun einmal ziemlich stark geworden."
Aber der Handelskrieg zeigt Wirkung in China, er dämpft die Wirtschaft. Von Juli bis September wuchs diese nur noch um sechseinhalb Prozent, so wenig wie seit neun Jahren nicht mehr. Peking setzt auf die eigenen Strafzölle. Wünscht sich, dass diese wiederum US-Unternehmen schaden. Und hofft, dass sich nach den US-Wahlen die Karten neu mischen. Li Keqiang, Ministerpräsident Chinas, will keinen Handelskrieg: "Niemand geht aus einem Handelskrieg als Sieger hervor. Alle Handlungen, die die Regeln der Welthandelsorganisation verletzen, sind in niemandes Interesse."
Noch ist es nur ein Konflikt der Zölle und Worte
Noch studieren mehr als 300.000 Chinesen in den Vereinigten Staaten. Das Land gilt bei den Jungen wegen der Top-Unis als Traumziel. Auch Studentin Chen denkt so. Sie ist im vierten Jahr ihres Ingenieurs-Studiums. Sie sucht eine Universität für ihren Master-Abschluss. Und diese soll in den USA sein: "Ich will mich bewerben für die Naturwissenschaften und die USA haben einfach viele bekannte Unis in dem Bereich, deshalb will ich dorthin." Um die große Politik kümmert sie sich nicht, sagt sie. Sie weiß nur, dass Washington seit neuestem chinesischen Studenten den Zugang erschwert. Wer Hightech-Fächer studieren will, muss sein Visum jetzt jedes Jahr neu beantragen. Eine Folge des neuen Misstrauens. "Ich mache mir ein bisschen Sorgen, besonders, dass mein Visumsantrag nicht genehmigt wird. Aber die Uni sagt, das mit dem Visum wird schon klappen", sagt Chen.
Trump und Xi. Eskaliert der neue Kalte Krieg? Noch nicht. Noch ist es nur ein Konflikt der Zölle und Worte. Aber einer, der zunehmend auch die Menschen in China beschäftigt.
Autor: Michael Storfner, ARD Studio Peking
Stand: 29.08.2019 04:20 Uhr
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