So., 16.07.23 | 19:00 Uhr
Das Erste
Spanien: Die Rechten vor der Wahl
Nacho Martínez steht unter Strom. Die Gäste warten schon. Es geht um viel bis zum Wahltag am 23. Juli. Nacho managt in Valencia den Wahlkampf für die Konservativen. Ihr Spitzenkandidat Alberto Núñez Feijóo kämpft gegen den Noch-Regierungschef Pedro Sánchez. Bei den Regionalwahlen hat die "Partido Polpular" hier kürzlich gewonnen, und einen Pakt mit den Ultrarechten geschlossen. Jetzt will Nachos Team dafür sorgen, dass von Valencia ein Ruck ausgeht. "Das ist die Initialzündung für einen Wechsel. Wir sind hier extrem energiegeladen, voller Vorfreude. Die Regionalwahl war der Anfang und jetzt wollen wir den Wechsel für ganz Spanien schaffen", sagt Nacho Martínez.
Gemeinsam auf der Straße essen und trinken – so zelebrieren sie auch bei den Sozialisten den Kampagnenbeginn. Die Stimmung ist aber eher so lala. Ihr Motto: weiter so, statt Wandel. Alessio Curti, Generalsekretär der Ortsgruppe Jesús-Patraix, macht Wahlkampf für die Sozialisten. Noch regiert seine Partei. Die Koalition mit progressiven, linken Parteien setzte zwar viele Reformen durch, eckte aber damit auch an. "Manchmal sieht es so aus als würde man mit progressiven Maßnahmen zu weit gehen. Aber den Rahmen dafür dürfen nicht die Rechten setzen. Das Trans-Gesetz, das Sterbehilfe-Gesetz, die Erhöhung des Mindestlohns – wem tut das weh?"
Zwei Kneipen, zwei verschiedene Spanien
Die Konservativen sind am Abend in Feierlaune. Welche Probleme in einer Koalition mit den Rechtsaußen von Vox entstehen könnten, davon lassen sie sich die Stimmung erstmal nicht verderben. In der Bar Murta, einem linken Treffpunkt, hat man genau davor Angst. Chef Sebastiá Garcia war schon mit 14 politisch-links aktiv. Dass jetzt Vox in Regionen mitregiert, weckt bei ihm Erinnerungen an die spanische Diktatur. "Mir kommt es vor wie eine Wiederbelebung des Faschismus der 1970er- Jahre, mit politischen Ideen, die weit entfernt von der heutigen Zeit sind - beängstigend. Ich habe zum Beispiel zwei transsexuelle Mitarbeiter. Am 28. Mai, nach den Regionalwahlen, sagten sie mir, dass sie Angst haben und daran denken, von hier wegzugehen."
Linke Ängste vor rechter Politik. Darüber reden sie hier, wenn es um die Wahlen geht. Gleichberechtigung, auch für Menschen aus der LGBTQ-Gemeinde oder für Migranten, Schutz vor sexueller Gewalt. All das sehen sie gefährdet und hoffen, dass die Linken gewinnen. "Sicherlich hat es in der Regierung einige wirklich üble Fehler gegeben. Aber ich denke, die wurden nicht absichtlich gemacht - etwa beim "Nur-Ja-heißt-Ja- Gesetz" zur Vergewaltigung. Aber ich glaube, dass Sánchez vielen geholfen hat, mit dem Trans-Gesetz etwa. Er hat viele Dinge getan, die sehr gut sind", sagt Alba Just.
In der Bar "Rincón Español" im Militär-Viertel von Valencia, taugt derselbe Sánchez nur als Fußmatte. Hier ist viel rot-gelber Flaggenschmuck, viel Nationalstolz. Besitzerin Yolanda Reza sagt, dass hier alle extrem rechts, und von ihrer Anti-Sánchez-Fußmatte begeistert sind. "Er hat uns mit Füßen getreten, heruntergezogen, hat ganz Spanien zum Gespött gemacht. Die Fußmatte ist eine Art, sich dafür zu revanchieren, was er gemacht hat, und was uns bis heute in den Ruin geführt hat."
Spanien wirtschaftlich ruiniert, die Steuern zu hoch, zu viel Kommunismus, so sehen sie die linke Politik – sie setzen auf Vox. "Das Gute an Vox ist zum Beispiel, dass Einwanderung, illegale Einwanderung verboten ist. Abtreibung, zum Beispiel, Abtreibung ist für mich negativ, also das Abtreibungsgesetz", sagt Fernando Zárate. Mancher zweifelt hier sogar ganz offen an der Demokratie – so wie José Luis Roberto: "Wenn wir in Deutschland wären, würden sie mich für das, was ich jetzt sage, ins Gefängnis stecken. Das beste System ist ein Führer mit ehrlichen Leuten, der mit wenigen Worten und ohne viel Geld auszugeben, klare Ansagen macht." Zwei Kneipen, zwei verschiedene Spanien. So scheint es.
Sánchez gegen Feijóo
Nacho und sein Team sind in in nächtlicher Mission unterwegs, tagsüber ist es zu heiß zum Plakate kleben. Dass viele Vox-Wähler politisch sehr weit rechts stehen, scheint die Jungen kaum zu stören. Ihre Strategie: Den eigenen Kandidaten groß machen, den Ultrarechten Partner klein halten. "Ich glaube, wir sollten uns nicht von Minderheiten beeinflussen lassen. Das hat die Regierung Sánchez getan. Diese Regierung hat die Mehrheit betrogen, die Sánchez vor vier Jahren gewählt hat. Er hat seinen Koalitionspartnern großes Gewicht gegeben und damit diese Stimmen den Unabhängigkeitsbefürwortern, den Erben der Terror-Gruppe ETA und den Kommunisten geschenkt, das sind alles Minderheiten."
Alessio Curti kennt diese Vorwürfe. Er ist unterwegs in einem Arbeiterviertel in Valencia. Hier lebt die klassische Klientel der Sozialisten, zuletzt gingen aber zu wenige wählen. Plakatiert werden hier keine Themen, plakatiert wird Sánchez. "Der Wahlkampf geht nicht gegen die Partei, nicht gegen die Regierung, nein, immer wieder gegen Sánchez. Unsere Gegner projizieren auf ihn alle Übel der Welt. Deshalb ist es sinnvoll mit den Plakaten genau das Gegenteil auszudrücken." Sánchez gegen Feijóo. Links gegen Rechts. Die spanischen Wähler entscheiden, ob Spanien ziemlich weit links bleibt – oder eine Kurve mehr oder weniger weit nach rechts macht.
Autorin Kristina Böker, ARD Studio Madrid
Stand: 16.07.2023 20:35 Uhr
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