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USA: Oregon - Liberale Drogenpolitik und ihre Folgen

USA: Oregon - Liberale Drogenpolitik und ihre Folgen | Bild: picture alliance / AP Photo / Rick Bowmer

Seit zwei Jahren sind in Oregon viele – auch harte chemische – Drogen legalisiert. Wer beim Dealen erwischt wird, erhält einen Strafzettel. Wer den nicht bezahlt, wird meist nicht weiterverfolgt. Nirgendwo auf der Welt wurden harte Drogen so konsequent entkriminalisiert wie in Oregon, nur in Portugal gibt es vergleichbare Gesetze. Inzwischen wurde Portland zum Treffpunkt für Drogenabhängige aus den ganzen USA.

Ihre ersten Drogenerfahrungen hat Morgan Godvin als Jugendliche gemacht. Weil sie auf der Flucht aus ihrem Alltag war, einfach neugierig war. Heute will sie davon erzählen, aufklären – auf Events, auf Partys: "Bei einer Überdosis nutzt man dieses Nasenspray, spritzt das in ein Nasenloch. Einfach auf den roten Knopf drücken. Jeder sollte eins bei sich haben."

Morgan erzählt von ihrer ehemaligen Abhängigkeit. Von ihrem Wunsch nach Ruhe, nach Geborgenheit. All das findet sie im Drogenkonsum – Koks, Heroin, Opiate. "Meine Seele, meine Psyche kam endlich zur Ruhe. Ich habe diesen inneren Frieden, diese Wärme gefunden, die mir in meiner Jugend gefehlt hat. Auf einmal war mein Leben okay, auch wenn es es gar nicht war. Ich muss nur harte Drogen nehmen und alles ist gut, kein Problem mehr."

Harte Drogen nur noch ein Ordnungswidrigkeit

Eine Frau mit kurzen Haaren spricht in die Kamera.
Ihre ersten Drogenerfahrungen hat Morgan Godvin als Jugendliche gemacht. | Bild: NDR

Harte Drogen – damals noch ein Problem hier in Oregon, eine Straftat. Seit zwei Jahren allerdings nur noch ein Ordnungswidrigkeit – wie falsch parken. Wer mitten in der Stadt öffentlich Drogen nehmen will, ob Gras oder Ecstasy, muss nur mit einem Strafzettel rechnen. Die Entkriminalisierung harter Drogen - so wie hier gibt es das nur noch in Portugal.

Nicht als Kriminelle, sondern als Konsumentin, als Patientin gesehen zu werden. Morgan hätte sich das hier in ihrer Jugend schon gewünscht. Sie nimmt uns mit an einen lebensentscheidenden Ort. Ihre alte Wohnung. In der sie vor gut zehn Jahren quasi täglich Heroin genommen hat, wenige Monate nachdem ihre Mutter an einer Überdosis Medikamenten gestorben war. "Nie zuvor ging es mir so schlecht. Ich habe mich so schlecht gefühlt. Ich war kurz vorm Selbstmord. Aber es war für mich einfacher, mir Heroin zu spritzen als mich zu erschießen", erinnert sich Morgan.

Ohne Job, ohne Zukunft, abgestempelt als Drogenabhängige kommt es noch schlimmer: "Die Tür flog auf und es waren die Cops. Es war ein SWAT-Team: 'Polizei, Hände hoch!' Und dann haben sie mir Handschellen angelegt, mich hier auf den Hof gebracht. Ich wurde wegen Drogenbesitzes mit Todesfolge verhaftet, wegen des Überdosis-Tods von Justin De Long, einem meiner allerbesten Freunde." Der gemeinsame Konsum, der gemeinsame Besitz – sie wird mitverantwortlich gemacht. Wandert fünf Jahre ins Gefängnis. Heute wäre sie keine Straftäterin mehr. Ihr Leben ein ganz anderes. Durch die Entkriminalisierung.

Portland: An vielen Ecken Zelte, Obdachlose, Drogen

Drogenabhängige sitzen auf einem Bürgersteig.
In Oregon sterben so viele an einer Überdosis Drogen wie nie zuvor. | Bild: NDR

Was die aber auch ausgelöst hat, zeigt uns Polizist David Baer. Wir sind unterwegs in der Innenstadt von Portland. An vielen Ecken: Zelte, Obdachlose, Drogen. Seitdem der Besitz und Konsum harter Drogen nicht mehr als Straftat verfolgt wird, habe sich die Situation in der Stadt verschlechtert, erzählt Baer. Kein Tag, kein Fall mehr ohne Drogenbezug. Officer Baer verteilt auch heute Strafzettel wegen öffentlichem Drogenkonsum. 100 Dollar Geldstrafe. Auf der Rückseite ist die Nummer einer Beratungshotline, die die Geldstrafe übernimmt, Konsumenten eine Behandlung anbietet.

Doch bei der Hotline hat seit zwei Jahren kaum jemand angerufen. Ein Misserfolg. "Sie hatte jetzt zwei Pillen dabei. Bis zu 39 Pillen gilt als persönlicher Konsum und ist straffrei. Angeblich Oxicotin, ein Schmerzmittel. Aber das ist alles Fentanyl. Sie weiß das, alle hier wissen das. Die Droge, die die Überdosis-Tode vorantreibt. Das ist Fentanyl", erklärt David Baer. In Oregon sterben so viele an einer Überdosis Drogen wie nie zuvor. In den ganzen USA mehr als 100.000 Menschen im vergangenen Jahr. Häufiger Grund: Fentanyl, eigentlich ein starkes Narkosemittel, missbraucht als Droge – 50 Mal stärker als Heroin.

Über Funk erfährt der Officer von einem Dealer. Er nimmt ihn fest. Zehn, zwölf Mal pro Woche machen sie das. Mitten am Tag. Mehr Konsumenten heißt auch mehr Dealer, erzählt Baer. Wenn die Polizisten Straßendealer festnehmen, hoffen sie vor allem auf Kontakte zu Zwischenhändlern, Kartellmitgliedern. Baer steckt ihn in die Polizeizelle. Nach Stunden kommt der Dealer wieder frei und sein Fall wird vermutlich wegen Geringfügigkeit fallen gelassen. "Vor der Entkriminalisierung war das nicht so verbreitet. Mitten am Tag, mitten in der Stadt. In fertigen Tüten für den Einzelverkauf. Der Dealer hat ja noch nicht mal versucht, sich zu verstecken, und wir uns auch nicht. Es ist ganz offen. Das war vorher nicht so", sagt David Baer.

Aufklärungsprogramme, Entzugskliniken – Finanzierung fehlt

Ohne Perspektive ist auch die Situation der Obdachlosen. Aufklärungsprogramme, Entzugskliniken – all das sollte aufgebaut werden. Bis heute hapert es an der Finanzierung. Es passiert einfach zu wenig. Der Zugang zu Drogen sei zu leicht geworden, die Zahl der Obdachlosen gestiegen, erzählt Kevin Dahlgreen. In allen Vierteln Portlands gibt es Zeltstädte. Der Sozialarbeiter sagt: Konsumenten nicht mehr als Straftäter zu behandeln, ist an sich eine gute Idee. Doch die Umsetzung ein Desaster: "Wenn man Drogen entkriminalisiert, öffnet man quasi die Schleuse für diejenigen, die dann herkommen und frei konsumieren. Und der größte Fehler bei der Maßnahme ist, dass sie keine Entzugsprogramme angeboten haben, was ja auch der Sinn der Maßnahme war."

Das zu verbessern, genau da will Morgan Godvin mithelfen - mit ihrer Initiative "Beats Overdose" Hiphop meets Education. Sie berät die Politik, gestaltet mit, wie es weitergeht. Es müsse Geld in die Hand genommen werden, sagt sie, so wie versprochen. Doch der erste Schritt ist für sie getan: Dass Menschen wie sie oder ihr Freund Justin nicht mehr automatisch an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, nur weil sie Drogen nehmen. "Dieses Schwarz und Weiß – also Drogen sind böse und müssen unbedingt vermieden werden versus Drogen sind nur prima und toll. Das sind Extrempositionen. Die Realität ist aber: Es gibt dazwischen viele Grautöne. Wir versuchen da, ein Gleichgewicht zwischen Prävention und Aufklärung herzustellen", sagt Morgan Godvin. Und so packt sie schon ihre Sachen für das nächste Event, auf dem sie aufklären will. Denn der Weg zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Abhängigen ist auch in Oregon noch weit. Wo die, die Drogen nehmen, zumindest keine Straftäter mehr sind.

Autor: Jan Koch, ARD-Studio Washington D.C.

Stand: 26.03.2023 19:33 Uhr

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