Mo., 07.05.18 | 04:40 Uhr
Das Erste
Iran: Atomabkommen vor dem Ende?
Vor sechs Monaten in Teheran: Wir haben uns mit Künstlern, Schriftstellern und Musikern getroffen. Sie sehen sich gemeinsam die Rede von Präsident Trump an und können es kaum glauben: Trump wirft dem Iran Vertragsverletzungen des Atomabkommens vor. Später fordert er auch noch Europa dazu auf, sich "den USA anzuschließen, um gravierende Fehler im Atomdeal zu beheben." Das klingt für sie nach einem Aus des Deals.
Amir Reza Salari kritisiert den US-Präsidenten: "Ein Politiker muss besonnener reden und mit seiner Wortwahl sehr vorsichtig sein. Man sollte als Politiker in seiner Rede immer eine Stelle für Frieden lassen. Aber leider sehe ich in seiner Rede überhaupt keinen Platz für Frieden.”
Die Gruppe gründete sich schon vor vier Jahren. Das gemeinsame Ziel war durch Kunst Frieden zu transportieren. Ihr letztes Projekt fand hier am Azadi-Turm in Teheran statt, dem Wahrzeichen der Hauptstadt. Azadi bedeutet übrigens Freiheit.
Videomapping auf dem Azadi-Turm
Amir Reza Salari, Künstler betont die Notwendigkeit von Frieden: "Krieg kann in einem Moment alles vernichten. Aber wieder Frieden zu schaffen, nimmt sehr viel mehr Zeit in Anspruch. Aus diesem Atomdeal auszusteigen ist leicht, aber es waren viele Jahre Arbeit durch Gespräche zu so einem Entschluss zu kommen."
Die Menschen habe Angst vor den Auswirkungen, sollte das Atomabkommen wirklich beendet werden, wie eine Frau sagt: "Ich habe ziemlich Angst, denn die Leidtragenden in einem Krieg zwischen Politikern sind nur wir normale Menschen. Wir tragen den Schaden. Entscheidungen, die den Atomdeal betreffen, zeigen hier im Iran sofort Auswirkung. So wird zum Beispiel unsere Währung, der Rial, sicher schwächer werden. Und das beeinflusst das ganze Leben der Menschen hier im Iran."
Keine Devisen!
Sie hatte Recht! Als sich in den letzten Wochen immer mehr herauskristallisierte, dass Trump wirklich aussteigen könnte, schnellte der Dollarkurs in die Höhe. "Innerhalb von 24 Stunden sind wir um acht Prozent ärmer geworden", schreibt eine Frau auf Twitter. Die Wechselstuben haben die Türen geschlossen, auf dem Schild steht: Wir haben keine Devisen!
Inzwischen hat die Regierung einen festen Wechselkurs zum Dollar angeordnet, so hat sie fadenscheinig alles wieder zurechtgerückt, doch das Problem der Bevölkerung: jeder bekommt jetzt nur einmal im Jahr 1000 Dollar und selbst dafür muss man Flugticket und Pass vorweisen.
Während zu Beginn des Atomabkommens vor fast drei Jahren die Euphorie unter den Iranern groß war, viele Studierte aus dem Ausland mit ihrem Know How ins Land zurückkamen, wollen inzwischen immer mehr junge Menschen das Land verlassen.
Sprachinstitute im Iran sind überlaufen, denn eine Fremdsprache zu lernen ist Voraussetzung für ein Auslandsstudium im Westen. Auch diese drei Studenten kommen gerade aus dem Deutschkurs. Warum wollen sie gehen? Psychologiestudentin Maryam Karimi sieht keine Entwicklungsmöglichkeiten im eigenen Land: "Ich sage ja nicht, dass der Westen ein Paradies ist. Aber wenn ich sehe, dass ich in meinem eigenen Land das, was ich werden will, nicht erreichen kann, versuche ich es zumindest woanders trotz all der Probleme, die mir im Weg stehen. Ich hoffe, dass ich dort das erreiche, was ich mir erträume." Textilingenieursstudentin Naghmeh Zarei sieht sich als Frau diskriminiert: "Zusätzlich bin ich als Frau in vielen Bereichen eingeschränkt im Iran, zum Beispiel in der Arbeit, das Tragen des Hijabs. Oft spüre ich einfach, dass hier ein großer Unterschied zwischen Mann und Frau gemacht wird."
Keine Lösung in Sicht
Wir treffen uns mit Amir Reza aus der Künstlergruppe am Ort ihrer letzten Aktion: viel hat sie nicht gebracht. Er hatte gehofft, dass, seit wir uns das letzte Mal vor sechs Monaten sahen, inzwischen eine Lösung gefunden werden konnte. Doch heute ist er hoffnungsloser denn je: "Elf Mal wurde der Iran von der Internationalen Atomenergiebehörde seit dem Atomabkommen kontrolliert: jedes Mal wurde bestätigt, dass der Iran keinen Vertragsbruch begang. Somit ist es doch auch das Recht des Iran, dass die anderen Vertragspartner sich an die Bedingungen halten.” Er sagt uns weiter, er hofft darauf, dass dem Iran Respekt gezollt wird, für den Frieden. In sechs Tagen werden er, der Iran und die Welt wissen, ob es beim Frieden bleibt.
Autorin: Natalie Amiri, ARD Teheran
Stand: 03.08.2019 05:27 Uhr
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