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Italien: Auf den Spuren globalisierter Waren

Italien: Auf den Spuren globalisierter Waren | Bild: BR

Fantastisch sieht es hier aus, finden Sie auch? Liebe Zuschauer, willkommen zum Weltspiegel. Diesmal mit einer ganz besonderen Sendung. Wir vier Weltspiegel-Moderatoren waren selbst weltweit unterwegs, um zu erkunden, wie sicher unsere Ernährung noch ist, wie sie sich verändert und wie ungleich verteilt der Zugang zu Nahrungsmitteln ist.
Ich begrüße Sie aus Rom: Hier in der Markthalle im Stadtteil Prati findet man alles. Gerade in der Adventszeit und rund um Weihnachten bekommt Essen nochmal eine ganz andere Bedeutung. Oft muss es besonders extravagant sein, mit exotischen Zutaten. Doch ganzjährig Tomaten und all die anderen Lebensmittel zu bekommen, hat seinen Preis, zu Kosten der Umwelt und der Arbeiter.

Tomaten von Billigarbeitern

Tomaten – das Vorzeigeprodukt Italiens. Geerntet werden sie meistens von billigen Arbeitskräften, sehr billigen Arbeitskräften, teilweise für einen Stundenlohn von 2.50 Euro. Sie kommen aus Eritrea, Äthiopien, Indien und dem Sudan. Sie arbeiten, um hier zu bleiben, unter jeder Bedingung. Sie hausen hier, meist ohne Papiere, unsichtbar für die italienische Gesellschaft, bis sie sich im Sommer sichtbar machten: „Wir sind keine Sklaven“ rufen sie und „genug tote Landarbeiter“. Allein 16 ihrer Kollegen sind auf dem Weg zur Arbeit innerhalb weniger Tage gestorben. Keinen schien es zu interessieren.

Wir wollen nachfragen, heute, ein paar Monate später, ob sich die Situation der Arbeiter verbessert hat. Wir sind in der Nähe von Rom, Latina. In diesen ehemaligen einfachen Ferienhäusern von Italienern hat sich „Klein-Indien“ angesiedelt. Hinter den verschlossenen Türen und Fenstern leben sechs bis zwölf Personen auf 30 Quadratmetern. Wir versuchen mit den Menschen hier zu sprechen. Einer antwortet uns kurz, er kommt gleich wieder, sagt er. Er kommt nicht wieder und auch kein anderer lässt sich auf ein Gespräch mit uns ein. Kein einziger von den Hunderten die hier leben.

Ausbeutung durch Landwirtschaft

In Rom frage ich Fabio Ciconte nach dem Grund, warum niemand mit mir reden will. Er ist der Geschäftsführer von Terra, einer Organisation, die sich für die Rechte genau dieser Menschen einsetzt: „Es gibt in Italien Tausende von Arbeitern, vor allem im Süden und in Mittelitalien, die täglich für ganz wenig Geld ausgebeutet werden. Wenn sie mit Journalisten sprechen, riskieren sie ihren Job und gefährden den Ruf ihres Arbeitgebers. Deshalb entscheiden sie sich, das nicht zu tun, denn für viele arbeitende Migranten sind diese wenigen Euro, die sie in der Landwirtschaft verdienen, die einzige Möglichkeit, sich über Wasser zu halten.“

Schuld des Großhandels

Der kritischste Punkt in der Produktionskette von zum Beispiel Tomaten, ist der Preis, sagt er mir: „Es gibt jemanden, auf dessen Kosten dieser Preis geht. Der Großhandel wälzt diese Dumpingpreise auf die Arbeiter ab, zunächst auf die Landwirte und die dann auf die Arbeiter, die gezwungen sind, in oft unmenschlichen und entwürdigenden Verhältnissen zu leben.“

Fabio Ciconte kämpft dafür, dass er den Arbeitern ihre Würde zurückgibt. Es kann nicht sein, dass es im Jahr 2018 Arbeiter gibt, die ausgebeutet werden und in Ghettos leben – mitten in Europa. Deshalb organisiert er Konzerte, auf denen die Arbeiter auf der Bühne stehen, eine Bühne bekommen und so endlich sichtbar werden für die italienische Gesellschaft.

Tomatenmark aus China

Der Kampf um den günstigsten Preis von Nahrungsmitteln im Discounter führt auch dazu, dass billigere Produkte aus dem Ausland importiert werden. Lorenzo Bazzana warnt deshalb davor, dass der Verbraucher oft nicht weiß, woher sein Produkt stammt. Nicht selten verarbeitet man in Italien Tomatenmark aus China. Lorenzo Bazzana von Coldiretti, dem Verband der Direktvermarkter: „Die aktuelle Gesetzgebung der EU ist nicht transparent. Das heißt, dass nach geltender Gesetzgebung auf dem Etikett der Produkte, in denen die Tomaten verarbeitet wurden, nur der Standort angegeben werden muss, an dem die Verarbeitung erfolgt ist. Es gibt keine Verpflichtung, den Ursprungsort der verwendeten Tomaten, also den Anbauort, auf dem Etikett anzugeben.“

Bei dieser ganzen Verschleierung und Ausbeutung in der Produktionskette von Nahrungsmitteln gibt es aber auch gleichzeitig immer mehr Menschen, die auf eine gesunde Ernährung achten. Wir sind hier bei Roberta, in ihrem Restaurant in Rom. Sie kaufen ihre Produkte nur beim Biomarkt um die Ecke ein, auf dem es zwar teurer ist, aber dafür kommen die Lebensmittel aus der Region und werden unter fairen Arbeitsbedingungen angebaut – hat uns überzeugt: Woher diese Tomaten kommen, das weiß ich. Und ich könnte fast sagen, dass man es auch schmecken kann.

Autorin: Natalie Amiri, BR

Stand: 11.09.2019 21:43 Uhr

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