Mo., 26.11.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
USA: Ewige Jugend – Kampf gegen den Tod im Silicon Valley
Manche Momente im Leben möchte man festhalten und nie wieder loslassen. Man möchte für immer jung sein. Was klingt wie ein Traum, soll in Kalifornien Wirklichkeit werden: Der Triumph über den Tod ist hier das große Ziel.
Der Wissenschaftler Steven Garan hat ein Unternehmen gegründet, das seinen Kunden Ungewöhnliches verspricht: "Der Tod wird neu definiert. Wir sind hier im Silicon Valley, und diese Ecke der Welt definiert viele Dinge neu: Soziale Medien, Computertechnologie, viele Innovationen, die unser Leben verändert haben wurden hier entwickelt. Und dazu gehört auch der Tod."
Mit diesen Stahlbehältern will er den Tod überlisten. Die sterblichen Überreste von vier Menschen lagern darin in flüssigem Stickstoff, heruntergekühlt auf minus 196 Grad. Irgendwann sollen sie wieder zum Leben erweckt werden. Noch fehlen die technischen Möglichkeiten dazu. Doch Steven Garan glaubt, dass es schon in 25 Jahren so weit sein kann. Schließlich habe sich die Idee des Einfrierens und Auftauens ja bereits bewährt, sagt Steven Garan, Universität Kalifornien, Berkeley: "Einige Biotechnikunternehmen, und Labore benutzen die Technologie, um Nabelschnurblut, Stammzellen, menschliche Embryos, befruchtete Eizellen, Sperma und viele andere Arten von Zellen einzufrieren. Wir lagern diese für sehr lange Zeit. Man kann die menschlichen Gewebezellen und damit die Person praktisch für immer einfrieren."
Menschen einfrieren
Kurz nach dem klinischen Tod müssen die so genannten "Patienten" mit Eiswasser gekühlt werden, um den Gewebezerfall aufzuhalten. Dann werden sie so schnell wie möglich hierher gebracht und auf ihre eisige Ruhe vorbereitet. Während die Körperflüssigkeiten herausgepumpt werden, fließt eine Art Frostschutzmittel in die Arterien. 150.000 Dollar lassen sich Kunden diese Wette auf die Wiederauferstehung kosten. Warren Freitag arbeitet als Entwickler für ein großes Technologieunternehmen im Silicon Valley. Er ist von der als Kryonik bezeichneten Idee überzeugt: "Ich glaube daran, weil die Kritiker keine starken Belege haben, warum es nicht klappen sollte. Ich betrachte das als eine Art Versicherung. Wenn ich zum Beispiel an Krebs erkranke, der erst in der Zukunft heilbar sein wird, sehe ich das als eine Chance dann weiterzuleben."
Kritiker werfen Steven Garan vor, ein Scharlatan zu sein. Doch er genießt als Wissenschaftler einen guten Ruf, forscht an der Elite-Universität Berkeley. Kluge Köpfe aus der ganzen Welt studieren hier. Sie alle eint der Glaube an den Fortschritt. Das Mittagessen wird bereits vom Roboter auf den Campus geliefert. Diese Parkplätze sind nur für Nobelpreisträger reserviert: 38 davon hat Berkeley bereits hervorgebracht.
Kampf gegen die Alterung
Noch kommt Steven Garan zu Fuß zu den Besprechungen mit seinen Studenten. Doch als Direktor für Bioinformatik am Forschungszentrum für Alterung hat er noch Großes vor. Mit Hilfe von Computermodellen simulieren er und sein Team die Entwicklung von menschlichen Körpern. Mit künstlicher Intelligenz suchen sie Wege, den Alterungsprozess zu verzögern. Für den Fall, dass ein Organ erkrankt oder an Leistungsfähigkeit verliert, soll hier in nicht allzu ferner Zukunft Ersatz produziert werden. Steven Garan: "Diese Maschine nennt sich Bio-Drucker. Das Ziel ist, dass hier Organe, wie Herz, Leber oder Niere für Menschen gedruckt werden, die sie dringend brauchen. Wir benutzen dabei die Zellen der Patienten selbst, um die Strukturen aufzubauen. Wir entnehmen sie dem Spender, lassen sie in Kulturen wachsen und benutzen diese Zellen sozusagen als Tinte. Das Gerät druckt dann das Organ in 3D aus."
Stiftung für das ewige Leben
Der menschliche Körper scheint auf dem Weg zur Unbesiegbarkeit. Der Countdown bis zum Tod soll angehalten werden. Diesem Ziel läuft man überall im Silicon Valley wie besessen hinterher. Die Langlebigkeitsbewegung hat einen Guru: Aubrey de Grey. Der Bio-Informatiker ist davon überzeugt, dass ein Mensch bald 1000 Jahre alt werden kann. Mit seiner Stiftung und eigenem Labor arbeitet er an dem Beweis dafür. Reiche Unternehmer investieren Millionen in seine Forschung.
De Grey will Stammzellen im menschlichen Körper erneuern, bevor sie altern oder erkranken. Statt risikoreichen Organtransplantationen träumt er von Stammzellspritzen als Prävention: "Ihr könnt euch das wie eine permanente Wartung vorstellen. Wir machen exakt das gleiche wie mit einfachen Maschinen, wie Autos oder Flugzeugen. Das ist nur eine Art und Weise, den Schaden zu beseitigen, dem ein menschlicher Körper im Laufe seines Lebens ausgesetzt ist."
Aubrey de Grey wird auf der ganzen Welt zu Vorträgen eingeladen, um seine Theorie zu erklären: "Schon sehr bald, vermutlich in den nächsten 20 Jahren wird es kein Limit mehr geben, wie lange Menschen leben. Weil wir dann dazu in der Lage sind, die gesundheitlichen Probleme des Körpers schneller zu reparieren, als sie entstehen. Damit wird es im Körper nie dazu kommen, dass ein Mensch wirklich krank wird."
Gerade arbeitet sein Team daran, ein Medikament zu entwickeln, das schädliche Eiweißreste in den Zellen aufspaltet und abtransportiert. Ob es jemals gelingt, ist ungewiss. Aber die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier zeichnen sich durch unerschütterlichen Optimismus aus, so auch Caitlin Lewis: "Wir haben hier vermutlich eine Fehlerquote von 95 Prozent. Das kann schon richtig frustrierend sein. Aber diese 5 Prozent, wenn es dann doch klappt oder selbst wenn es nur in ein Prozent der Fälle klappt, ist es das alles wert."
Auch der Anführer der Langlebigkeitsbewegung lässt sich nie entmutigen. Selbst wenn er mit Skepsis und Kritik konfrontiert wird. Aubrey de Grey: "Wenn du etwas im Silicon Valley versuchst und dann keinen Erfolg hast, ist das komplett anders als im Rest der Welt. Überall anders denken die Leute, wenn du scheiterst, dass du nicht wirklich gut bist. Hier im Silicon Valley ist der Gedanke, dass du etwas nicht geschafft hast, weil du etwas sehr Schwieriges probiert hast."
Der Traum von der ewigen Jugend – anderswo mag man ihn bezweifeln oder belächeln, aber im Silicon Valley scheint er niemandem zu groß zu sein.
Autor: Jan Philipp Burgard, ARD Washington D.C.
Stand: 30.08.2019 02:38 Uhr
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