So., 09.02.14 | 16:30 Uhr
Das Erste
Das automatische Haus
In Fabriken, Fußballstadien, Flughäfen und sonstigen Zweckbauten ist die automatische Gebäudesteuerung längst ein alter Hut. In privaten Wohnhäusern ist der Ersatz der klassischen Elektroinstallation mit Ein- und Aus-Schaltern für jedes Gerät dagegen erst im Kommen. Damit das Eigenheim zum intelligenten "Smart Home" wird, das auf Temperaturschwankungen, Lichteinfall oder auch auf Gefahrensituationen wie Feuer oder Einbruchversuche reagiert, kommen sogenannte Bussysteme zum Einsatz. Mit ihnen lässt sich von der Heizungsanlage über die Beleuchtung bis hin zu den Rollläden und Küchengeräten die gesamte Haustechnik regeln.
Das Bussystem und seine Komponenten
Bus ist die Abkürzung für Binary Unit System und bezeichnet eine Infrastruktur zur digitalen Datenübertragung. Diese informationstechnische Verbindung ist vergleichbar mit einem Telefonat, nur dass keine Personen miteinander kommunizieren, sondern im Haus verteilte Sensoren mit den zum System gehörenden Aktoren. Sensoren sind zum Beispiel Nässe- und Temperaturfühler, Kontaktfühler an Fenstern und Türen, Bewegungsmelder, Zeitschaltuhren, Dämmerungsschalter oder manuell zu bedienende Taster. Diese Sensorik bildet eine Art Nervensystem des Gebäudes und leitet Impulse an die Aktoren weiter: an die Schaltstelle aller angeschlossenen Geräte, wie zum Beispiel Rollläden, Heizung, Schließtechnik, Dimmer.
Die Aktorik wiederum gibt den Energiefluss frei und bringt den an jedem eingebundenen Gerät programmierten Befehl zur Ausführung. Bedienen lässt sich die Haussteuerung über ein zentrales Bedienfeld in Form eines Touchscreens. Schalten und walten lässt sich aber auch kabellos per Smartphone, Tablet-Computer oder via Internet.
Nutzen der Hausautomation
Ein intelligent eingestelltes Steuerungssystem für die Haustechnik bietet ein Plus an Wohnkomfort und Sicherheit sowie ein nicht zu unterschätzendes Energieeinsparpotenzial. Laut Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus, Experte für Technische Gebäudeausrüstung und Energiefragen der Immobilienwirtschaft, werden rund 80 Prozent der Energie im Privatbereich für das Beheizen aufgewendet. Seinen Untersuchungen zufolge kann eine optimal programmierte Heizungsanlage mit Einzelraumsteuerung bis zu 20 Prozent der Heizenergie einsparen. Dabei temperiert die Heizung jeden Raum mittels Zeitschaltuhr entsprechend der Nutzungsgewohnheiten der Bewohner. Das Badezimmer hat zum Beispiel nur von sieben bis acht Uhr am Morgen eine Temperatur von 21 Grad und drosselt sie danach bis zur Badbenutzung am Abend in den Eco-Modus mit 19 Grad Celsius.
Für eine bessere Energieeffizienz sorgt zusätzlich eine ins System eingebundene Belüftung. CO2-Sensoren informieren die Lüftungssteuerung, sobald "dicke Luft" herrscht und ein bedarfsgerechter Luftaustausch findet statt.
Die Beleuchtung beansprucht laut Prof. Grinewitschus lediglich ein bis drei Prozent der im Privathaushalt verbrauchten Energie. Aus ökologischen Gründen und angesichts der hohen Strompreise lohnt sich aber auch in diesem Bereich eine intelligente Steuerung, wobei die Hausbeleuchtung eindeutig auch die Komfort- und Sicherheitsaspekte bedient. Gängig sind folgende Funktionen:
Lichtszenensteuerung
Nicht einzelne Leuchten werden eingeschaltet, sondern es wird per Tastendruck eine Raumnutzung wie "Essen", "Spielen", "Party" oder "Nachtlicht" gewählt. Die gesamte Raumbeleuchtung wird entsprechend der Programmierung für die jeweilige Nutzungsart aktiviert.
Panikfunktion
Ein einziger Tastendruck, zum Beispiel vom Bett aus, lässt das gesamte Haus hell erstrahlen. Im Gegenzug lässt sich auf dieselbe Art auch die gesamte Hausbeleuchtung ausschalten, ohne dass man in einzelnen Räumen nachschauen muss, ob noch Licht brennt.
Außenbeleuchtung
Das Wegelicht schaltet sich bei Dämmerung ein und über eine Zeitschaltuhr aus. Es reagiert aber auch im Dunkeln, und zwar auf den Bewegungsmelder. Die Schmuckbeleuchtung dient nicht dem sicheren Weg zur Haustür, sondern dem Erscheinungsbild. Es reagiert folglich nicht auf den Bewegungsmelder.
Eine weitere praktische und energieeffiziente Programmierung ist die Belegung eines Tasters in Türnähe mit der Funktion, das gesamte Haus in eine Art "Ruhezustand" zu versetzen, wenn man es verlässt. Das Licht in sämtlichen Räumen schaltet sich aus, Heizung und Belüftung werden heruntergefahren und die Sekundärsteckdosen spannungsfrei geschaltet. Auf umgekehrtem Wege, also beim Eintreffen im Haus, aktiviert man ebenfalls per Tastendruck wieder den "Betriebszustand" des Hauses.
Für mehr Sicherheit bei Urlaubs- oder Geschäftsreisen sorgt die "Anwesenheitssimulation": Das System speichert im Hintergrund, wann die Bewohner das Licht ein- und ausschalten und zum Beispiel die Rollläden bedienen. Bei Abwesenheit lässt sich das Programm der letzten Woche oder auch eines anderen Zeitraumes abspielen.
Alarm im Brandfall
Sicherheit bei Brandgefahr bietet die Verknüpfung der Feuermelder in einem Haus. Sobald einer der Rauchmelder Alarm meldet, springen auch alle anderen lautstark an. Gleichzeitig wird die Haustechnik informiert. Sie schaltet die gesamte Beleuchtung ein und lässt alle Rollläden hochfahren, um Fluchtwege zu schaffen. Die Lüftung dagegen schaltet sich aus, damit der Qualm sich nicht so schnell im Haus verteilt.
Weitere programmierbare Funktionen einer Hausautomation für den gehobenen Komfortanspruch sind beispielsweise die Videoüberwachung des Hauseingangs, bei der man selbst aus der Ferne via Smartphone nachschauen kann, wer gerade zu Hause geklingelt hat.
Die automatische Gartenbewässerung schaltet sich ein, wenn der Feuchtigkeitssensor im Boden Bedarf anmeldet. Markisen für den Sonnenschutz oder Mückenschutzgitter fahren bei entsprechendem Lichteinfall oder entsprechender Witterung automatisch vor die Fenster. Es existieren auch Dachrinnenheizungen und Fußbodenheizungen für den Außenbereich, die via Nässe- und Temperaturfühler aktiviert werden und zum Beispiel abschüssige Garagenzufahrten oder die Zuwegung eisfrei halten. Auch die Anbindung sämtlicher Multimedia-Gerätschaften in die Haussteuerung ist möglich. Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen, da grundsätzlich jedes technische Gerät ins System eingebunden werden kann, sofern es dieselbe (Protokoll-) Sprache spricht!
Die Wahl des passenden Bussystems
Der Markt hält verschiedene Bussysteme bereit. Die Systemkomponenten müssen zum Schalten, Regeln und Steuern miteinander kommunizieren, indem sie Datenpakete übersenden, ob nun über eine Netzleitung, Funk, Infrarot oder über das Internet. Dazu müssen sie kompatibel sein!
Den mit rund 76 Prozent größten Marktanteil hat das sogenannte "EIB-System" (Europäischer InstallationsBus), welches mittlerweile unter dem Namen "KNX-System" (Kurzform für Konnex) gängig ist. Der KNX-Standard ist nicht mehr nur europaweit genormt wie sein Vorgänger EIB, sondern weltweit. Hunderte Hersteller von elektrischen Geräten haben sich diesem Standard angeschlossen. Ihre Produkte können im Gesamtsystem unproblematisch zusammengeschaltet werden.
Weitere Bussysteme sind beispielsweise LCN, LON, Profibus oder Powernet. Manche Gerätehersteller haben firmeneigene Systeme entwickelt, die sich aber unter Umständen aufgrund eines anderen Kommunikationsprotokolls nicht mit weiteren im Haushalt anzuschließenden Geräten anderer Hersteller verständigen können. Dafür sind sie eventuell günstiger.
Zunächst einmal sollte man sich also darüber im Klaren sein, welche Haustechnik genau man steuern möchte und wie erweiterbar sie sein soll, zum Beispiel für das spätere altersgerechte Wohnen.
Für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sollte man auf das Angebot multifunktionaler Komponenten achten. Zum Beispiel existieren Taster, die einerseits der Schaltung des Lichts dienen, aber gleichzeitig einen Temperaturfühler integriert haben und somit einen Mehrnutzen bieten, indem sie die Raumtemperaturregelung übernehmen.
Ebenfalls wichtig bei der Auswahl des Systemtyps ist, ob das Bussystem in einem Neubau oder im Bestandsbau eingerichtet wird. In Neubauten raten Experten trotz geringer Störanfälligkeit bei funkbasierten Systemen zu einer Verkabelung. Sie bietet als geschlossenes, eigenes System für das jeweilige Haus die größte Zuverlässigkeit.
Wer im Bestand nachrüsten möchte, kann dies am einfachsten mit einer Funklösung tun. Die Funkprotokolle sind mittlerweile so aufwändig, dass sie nicht ohne Weiteres beeinflusst werden können. Steht allerdings eine umfassende Renovierung ins Haus oder ist eine Dämmung des Altbaus geplant, lässt sich die Chance natürlich nutzen, um Leitungen für ein drahtgebundenes System zu verlegen.
Kosten und Ansprechpartner
Die Mehrkosten für die Installation eines Bussystems mit den Grundfunktionen Beheizen, Belüften, Beleuchten in einem Einfamilienhauses sind mindestens im niedrigen bis mittleren vierstelligen Bereich anzusetzen. Denn das System beinhaltet nicht nur die nötige Hard- und Software, sondern muss auch fachgerecht installiert und programmiert werden!
Im Grunde sind viele Gewerke an einer Hausautomation beteiligt: der ingenieurtechnische Planer, der Trockenbauer, Elektriker, Heizungstechniker, IT-Spezialist und andere. Gebündeltes Fachwissen vereint der Systemintegrator, zu dessen Berufsfeld es gehört, komplexe IT-Systeme zu planen, zu installieren, zu konfigurieren und zu warten. Systemintegratoren sind Einzelpersonen oder Betriebe, die sich darauf spezialisiert haben, gewerkeübergreifend ein System zur Gebäudesteuerung einzurichten.
Autorin: Frauke Ludwig
Stand: 17.02.2014 10:02 Uhr