SENDETERMIN Di., 21.04.20 | 00:00 Uhr | Das Erste

Geschichte im Ersten: Getrennt durch Stacheldraht

Jugendjahre im KZ Gusen

Walter Chmielewski
Walter Chmielewski | Bild: BR / Privat

Ihre Biographien könnten unterschiedlicher nicht sein: Während der eine deportiert wird, durchläuft der andere die Nazi-Eliteschule Napola und schüttelt sogar dem Führer die Hand. Ihre Lebenswege kreuzen sich im österreichischen Konzentrationslager Gusen, einem Zweiglager des KZ Mauthausen. Der eine kämpft als Häftling täglich um sein Leben, der andere genießt als Sohn des Lagerleiters Privilegien. Zum ersten Mal werden sich die beiden nun nach 75 Jahren persönlich begegnen.

Die Dokumentation von Julia Grantner und Robert Grantner erzählt die Geschichten zweier Kinder beziehungsweise Jugendlicher, die sich im österreichischen Konzentrationslager Gusen kreuzen:

Dušan Stefancic, geboren in Slowenien 1927, erlebt als 14-Jähriger den Einmarsch der Deutschen Wehrmacht, erledigt Botengänge für den slowenischen Widerstand, wird verhaftet und deportiert. Über die Stationen Dachau, Markirch, Natzweiler und Mauthausen gelangt er schließlich in das Konzentrationslager Gusen in Österreich.

Nur einen Steinwurf davon entfernt lebt der zwei Jahre jüngere Walter Chmielewski, 1929 in München geboren. Nach Kriegsausbruch zieht seine Familie nach St. Georgen an der Gusen. Sein Vater ist SS-Hauptsturmführer Karl Chmielewski, der den Auftrag hat, dort ein Konzentrationslager zu errichten. Er wird als der erste Lagerleiter traurige Berühmtheit als "Der Teufel von Gusen" erlangen.

Der Nationalsozialismus und seine Auswirkungen prägen Leben und Schicksal der beiden Protagonisten. Der eine wird seiner Familie entrissen, ist im Lager unsäglichen Schikanen durch die SS-Wachen ausgesetzt und wird zu körperlicher Schwerstarbeit, unter anderem im geheimen unterirdischen Flugzeugwerk "Bergkristall", gezwungen, ehe er nach vielen Monaten befreit wird.

Der andere leidet unter den innerfamiliären Spannungen zwischen dem Münchner Großvater, einem überzeugten Sozialdemokraten, und dem linientreuen nationalsozialistischen Vater, durchläuft die Ausbildung in der NS-Eliteschule Napola, zieht nach Österreich und lebt dort jahrelang wohlbehütet und privilegiert in unmittelbarer Nähe zu Stacheldrahtzäunen und Häftlingsbaracken.

Beide schildern ihre persönliche Sicht

Die Dokumentation erzählt aus der Perspektive der beiden Jungen: Walter und Dušan schildern ihre ganz persönliche Sicht auf die jeweils "eigene" Seite des Lagerzauns. Sie lebten monatelang nur einen Steinwurf voneinander entfernt, aber unter extrem verschiedenen Umständen. Bislang sind sich die beiden noch nie persönlich begegnet. Nun werden sie erstmals aufeinandertreffen, und sich nach 75 Jahren in die Augen sehen.

Sehr unterschiedlich verliefen auch beider Lebensläufe nach Kriegsende und der Befreiung des Konzentrationslagers durch die Amerikaner am 5. Mai 1945: Dušan Stefancic gelang es, unmittelbar danach zurück nach Slowenien zu reisen. Nur zwei Wochen nachdem er das Lager verlassen hatte, musste er in der Heimat schon wieder die Schulbank drücken, als wäre nichts gewesen.

Walter Chmielewski hingegen war kurz vor Kriegsende noch eingezogen und an die Front geschickt worden. Nach seiner Gefangennahme landete er ausgerechnet im KZ Gusen, welches die Amerikaner mittlerweile als Kriegsgefangenenlager nutzten. Erst jetzt wurde ihm das ganze Ausmaß der furchtbaren Geschehnisse der vergangenen Jahre klar. Der Sohn des "Teufels von Gusen" musste eigenhändig tausende Tote in Massengräbern bestatten, die durch die Hand und auf Veranlassung seines Vaters ermordet worden waren.

Die Lebensgeschichten der beiden Jungen werden in den zeithistorischen Kontext eingeordnet; eine zentrale Rolle spielt dabei die Aufarbeitung der Historie des KZ Gusen. Hierbei stützt sich die Dokumentation auf die Erzählungen der Zeitzeugen, aber auch auf Aussagen von Experten wie Prof. Bertrand Perz, Leiter des Instituts für Zeitgeschichte in Wien, Dr. Gregor Holzinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Mauthausen-Archivs mit dem Schwerpunkt "Täterforschung" und Rudolf A. Haunschmied, Autor und Heimatforscher aus St. Georgen an der Gusen.

Ein Film von Julia Grantner und Robert Grantner

30 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

Di., 21.04.20 | 00:00 Uhr
Das Erste

Mehr von "Geschichte im Ersten"

Produktion

Bayerischer Rundfunk
Hessischer Rundfunk
für
DasErste