SENDETERMIN Mo., 03.05.21 | 23:35 Uhr | Das Erste

Geschichte im Ersten: Umgewendet – Schule nach dem Mauerfall

Umgewendet
In den Schulen der DDR war die sozialistische Staatsideologie über vier Jahrzehnte tiefverwurzelt. Lehrer und Lehrerinnen fungierten nicht nur als Wissensvermittler, sondern oft auch als verlängerter Arm der SED. Mit dem Mauerfall zerbricht auch der sozialistische Mikrokosmos Schule über Nacht. | Bild: rbb

"Innerhalb eines Jahres, keine Entschuldigung, eine Drehung um 180 Grad!", ruft ein aufgebrachter Abiturient am Tag der Wiedervereinigung in die Kamera eines hessischen Fernsehteams. Er ist Schüler an der Alexander-von-Humboldt-Oberschule im sächsischen Werdau. Sein Protest richtet sich gegen den Direktor der Schule. Auch ein Jahr nach dem Fall der Mauer ist der ehemalige Staatsbürgerkunde-Lehrer immer noch im Amt. In den Schulen der DDR war die sozialistische Staatsideologie über vier Jahrzehnte tiefverwurzelt und im Unterricht und in der Freizeit der Schüler und Schülerinnen allgegenwärtig. Wer sich dem widersetzte, drohte der Abbruch der Bildungskarriere. Lehrer und Lehrerinnen fungierten im DDR-Schulsystem nicht nur als Wissensvermittler, sondern oft auch als verlängerter Arm der SED. Als die Mauer im November 1989 fällt, zerbricht auch der sozialistische Mikrokosmos Schule über Nacht.

Es folgt in den nächsten Monaten ein allumfassender ideologischer und struktureller Systemwechsel enormen Ausmaßes – und das im laufenden Schulbetrieb. Aber während die Bundesrepublik Millionen neue Lehrbücher in den Osten schickt, bleiben die Lehrer und Lehrerinnen dieselben. In keinem Bereich der staatlichen Einrichtungen der DDR sind mehr Beschäftigungsverhältnisse nach der "Wende" fortgesetzt worden wie in den Schulen. Rund 80 Prozent der DDR-Lehrer verbleiben im Schulsystem. Sie sollen nun plötzlich ihren Schülern Demokratie lehren, die sie aber selbst nie erlebt haben. Können sie die über Jahrzehnte verinnerlichte Ideologie einfach abstreifen?

Umgewendet
Ehemalige Schüler im Gespräch: Die Erfahrungen von damals wirken oft bis in die Gegenwart hinein. | Bild: rbb

Zur Euphorie des Umbruchs gesellt sich die Suche nach Orientierung

Mitten in diesem Strudel der Geschichte befinden sich ebenfalls fast 2,4 Millionen Schulkinder und Jugendliche: Gerade noch waren sie DDR-Bürger, Pioniere, FDJler – wenige Monate später nichts mehr davon. Das alte Wertesystem und die Autorität seiner Vertreter zerfallen binnen kürzester Zeit vor ihren Augen. Was vor kurzem noch richtig war, ist nun plötzlich falsch. Zu der Euphorie des Umbruchs gesellt sich bald die Suche nach Orientierung und Glaubwürdigkeit.  

Der Film "Umgewendet – Schule nach dem Mauerfall" von Katharina Herrmann rekonstruiert anhand von bewegenden Archivaufnahmen und Zeitzeugenberichten, wie sich Schüler und Schülerinnen sowie Lehrer und Lehrerinnen zwischen Chaos und Aufbruch ihren Weg in die neue Zeit bahnen. Es wird spürbar, wie tiefgreifend die Erfahrungen von damals für die jungen Menschen und die Lehrkräfte waren und wie sie bis in unsere Gegenwart hineinwirken.

Ein Film von Katharina Herrmann

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